Kritik an Koalitions-Kompromiss
Bleiberecht bleibt umstritten
Nach langem Ringen haben Union und SPD nach langem Ringen ihre
Meinungsverschiedenheiten zum Bleiberecht für langjährig geduldete
Flüchtlinge beigelegt und sich auf eine gemeinsame Regelung geeinigt.
Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Arbeitsminister Franz Müntefering
(SPD) sowie Fachpolitiker beider Koalitionsfraktionen in Berlin
verständigten sich bei einem Treffen in Berlin grundsätzlich auf Eckpunkte
einer solchen Regelung.
[Bildunterschrift: "Mit mir nicht zu machen": Günther Beckstein]
Eine endgültige Entscheidung soll am Freitag bei den Beratungen der
Innenministerkonferenz (IMK) in Nürnberg fallen. Doch schon gibt es Kritik
aus den Reihen der Länderminister. So forderte der bayerische Innenmininster Günther Beckstein umgehend
Nachbesserungen. In Berlin wurde unter anderem vereinbart, dass es -
entgegen der bisherigen Unions-Forderung - auch ein Bleiberecht für
Personen geben soll, die noch keinen Arbeitsplatz haben. Beckstein nannte
diesen Punkt "nicht akzeptabel". Damit sei nicht gewährleistet,
dass die Betroffenen selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen könnten, sagte
der CSU-Politiker der Agentur ddp.
Niedersachsen droht mit Ablehnung im Bundesrat
Beckstein, der auch Vorsitzender der IMK ist, fügte hinzu:
"Mit mir ist nichts zu machen, was eine Verfestigung des Aufenthalts
in den Sozialsystemen bedeutet." Ähnlich äußerte sich sein niedersächsicher Kollege Uwe Schünemann:
"Dieser Kompromiss bedeutet eine Zuwanderung in die
Sozialsysteme", sagte der CDU-Politiker der "Neuen Presse"
in Hannover". So etwas sei zu rot-grünen Regierungszeiten von der CDU
im Bundesrat abgelehnt worden. Schünemann
betonte: "Das werden wir auch wieder so machen."
Bosbach: Bundesgesetzliche Regelung
[Bildunterschrift: Gute Integration als Voraussetzungen
für ein Bleiberecht: Deutschunterricht für Ausländerinnen in Hamburg ]
Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach, der auch an
dem Treffen teilnahm, hatte zuvor erläutert, es solle eine
bundesgesetzliche Regelung geben, um mit dem Bleiberecht auch den Zugang
der Betroffenen zum Arbeitsmarkt festlegen zu können. Außerdem soll eine
einmalige Altfallregelung für das Bleiberecht getroffen werden: Demnach
müssen Familien mit Kindern seit mindestens sechs Jahren und Alleinstehende
seit mindestens acht Jahren in Deutschland leben. Außerdem müssen die
Betroffenen nachweislich in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt selbst zu
verdienen. Dafür sollen sie sofort arbeiten dürfen, einen angebotenen Job
aber auch annehmen müssen.
Abschließende Festlegungen wurden laut Bosbach
noch nicht getroffen. Vieles müsse nun erst einmal konkret ausformuliert
werden. Mindestens ein Gespräch zu dem Thema sei noch geplant.
Grundsätzlich strebe die Große Koalition ein Gesamtpaket an, das neben dem
Bleiberecht auch die Bereiche Zuwanderung, Integration und Gefahrenabwehr
umfasse, betonte Bosbach.
Stichwort: Bleiberecht: In Deutschland leben etwa 200.000 Menschen, die aus
Gründen politischer oder religiöser Unterdrückung oder Verfolgung aus ihrer
Heimat geflohen sind. Sie sind keine anerkannten Asylbewerber
und haben damit kein Bleiberecht auf Dauer. Die aus humanitären Gründen
Geduldeten können bislang jederzeit abgeschoben werden. Nach den geltenden
Härtefallregelungen wird den Betroffenen der Aufenthalt immer nur für
befristete kurze Zeit erlaubt. Die Behörden können die Duldung aber immer
wieder verlängern (so genannte Kettenduldungen), müssen dies aber nicht.
Die Flüchtlinge müssen Deutschland grundsätzlich dann wieder verlassen,
wenn sich die Situation in ihren Heimatländern gebessert hat. Dies gilt
etwa für Flüchtlinge aus Afghanistan oder Bosnien.
Schäuble optimistisch
[Bildunterschrift: Hofft auf Zustimmung der
Länderkollegen: Bundesinnenminister Schäuble]
Bundesinnenminister Schäuble zeigte sich zuversichtlich, dass es bei der
Innenministerkonferenz in Nürnberg eine abschließende Einigung über ein
Bleiberecht für geduldete Ausländer geben wird. Er sei zuversichtlich, dass
eine gemeinsame Lösung mit den Ländern gelingen werde, sagte der
CDU-Minister am Rande der
Herbsttagung des Bundeskriminalamtes (BKA)
in Wiesbaden. Die Innenminister tagen am Donnerstag und Freitag in
Nürnberg.
Die Regelung solle aber keinen Anreiz für Schleuserbanden
schaffen, mehr Menschen nach Deutschland zu holen..
so Schäuble weiter. Auch dürfe kein Anreiz für Ausländer geschaffen werden,
solange ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland zu bleiben, bis sie durch eine
Altfallregelung ein Bleiberecht erhielten. Schließlich müsse auch darauf
geachtet werden, dass es in Deutschland vier Millionen Arbeitslose gibt.
Roth: "Nur humanitärer Anschein"
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sieht in den Vorschlägen
eine Verschärfung der bisherigen Regelungen. "Man versucht sich den
humanitären Anschein zu geben, indem man zum Bleiberecht einen
Minimalvorschlag unterbreitet. Und gleichzeitig lässt man sich das mit
umfassenden Verschärfungen teuer bezahlen", sagte Roth der
"Thüringer Allgemeine". So würden das Asylbewerberleistungsgesetz,
die Ausweisungstatbestände sowie die Regelungen für die Einbürgerung und
beim Familiennachzug verschärft.
Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, forderte in der
ARD eine "sehr viel großzügigere Regelung".
Stand: 14.11.2006 19:47 Uhr
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6095070_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html
http://www.tagesschau.de/sendungen/0,1196,SPM11_OIT6097238,00.html
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