Bomben auf den Iran?

Georg Meggle 18.01.2006

Gedanken zum Iran-Krieg

Bomben auf den Iran? Das ist keine offene Frage mehr. Offen ist nur noch:

*

Wann?

*

Wer? (Israel? Die USA? Beide? Weitere?)

*

Welche Ziele?

*

Welche Art von Bomben?

*

Warum/Wozu? Und

*

Wie sieht die Welt nach diesen Bomben aus?

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Iranischer Nuklearreaktor in Bushehr am Persischen Golf. Satellitenbild: Space Imagin

1. Kriegsgründe

1.1 Gründe zum Angriff

Die Option eines Angriffes auf den Iran ist vor allem eine Option Israels und, nicht ganz derart offen proklamiert, eine Option der USA. Ohne Rückendeckung der USA ist nun aber ein Angriff von Seiten Israels kaum denkbar. Konzentrieren wir uns daher zuerst auf Kriegsgründe Amerikas.

1.1.1
Das offizielle US-Hauptargument für den Krieg ist derzeit dasselbe wie vor drei Jahren im Fall des Irak ([local] Gedanken zum Irak-Krieg). Das Argument hat zwei Komponenten.

1

Es gilt, rechtzeitig – also wiederum präemptiv – den Albtraum schlechthin zu verhindern: Massenvernichtungswaffen (MVW) dürfen nicht in den Besitz von T-Gruppen (Terroristischen Gruppierungen wie beispielsweise Al-Qaida) fallen. Der Iran, so das Argument, unterstützt solche Gruppen. Also …

2

Ein Iran mit MVW wäre schon für sich genommen eine Bedrohung für den Weltfrieden. Also …

1.1.2
Auch die halb-offizielle Begründung wiederholt sich. Sie konkretisiert das primäre Bedrohungsopfer: Ein Iran mit MVW stellt eine maximale Bedrohung für Israel dar. Eine einzige Hiroshima-Bombe auf Tel-Aviv – und der Staat Israel ist Vergangenheit. Also …

1.1.3
Auch der fundamentale Grund ist der gleiche wie schon bei den letzten Golfkriegen. Es ist der geostrategische: der vorausschauende, den ganzen Globus umspannende Blick auf den Rest des Jahrhunderts: Für den Westen ist die Kontrolle über die Bodenschätze (vor allem Öl und Gas) im "Weiteren Mittleren Osten" – speziell am Persischen Golf und am Kaspischen Meer – absolut lebensnotwendig. Ein Iran, der sich dieser Kontrolle entzieht bzw. sich auch nur entziehen könnte, bedroht den Lebensnerv der ‚Freien Welt'. Also …

1.1.4
Jeder dieser Kriegsgründe ist für sich – vor allem aus USA-Sicht – schlüssig. Diese Motivationsstränge – Anti-Terror-Krieg, Sicherung des Weltfriedens, Existenzgarantie für Israel und Geostrategie – stützen sich zudem gegenseitig; und das ergibt ein weiteres gesamtwestliches pro-bellum-Motiv.

1.1.5
Ich gehe hier nicht auf das Standardargument ein, wonach der so genannte militärisch-industrielle Komplex der USA, und so auch deren Gesamtökonomie, nur bei einem baldigen weiteren Hightech-Krieg optimal funktioniert. Es wäre, wenngleich sie auch für den Iran Folgen hätte, keine speziell auf den Iran bezogene Aussage.

1.1.6
Diese Kriegsgründe der USA sind auch solche von Israel. Dabei steht für Israel natürlich der Grund des Sich-Selbst-Bedroht-Sehens im Zentrum. Hinzu kommt, dass Israel sich durch jede Schwächung seiner derzeitigen militärischen Überlegenheit – mindestens in der ganzen Region Mittlerer Osten – bereits als bedroht betrachtet. Das ist verständlich, geht Israel doch davon aus, dass es seine Weiterexistenz einzig und allein dieser Überlegenheit zu verdanken hat. Speziell für Israel somit ein zusätzlicher Grund für: Bomben auf Iran.

1.2 Die andere Seite

Aus der Perspektive des Iran sieht die Welt etwas anders aus: Es sind primär iranische Interessen, die derzeit bedroht werden:

1.2.1
Die Bodenschätze eines Landes gehören, so wird unterstellt, nach der bisher geltenden Weltordnung zunächst primär dem Land selbst. (Der Gedanke der Privatisierung ‚öffentlicher Güter' – wie z.B. Öl, Wasser und, vorhersagbar, später auch Atemluft – ist im Iran und einigen islamischen Ländern noch nicht so geläufig wie den fundamentalistisch-liberalen Ländern des Westens.) Folglich:

*

Die Verfügungsgewalt über seine reichen Öl-Vorkommen ist für den Iran nicht verhandelbar.

*

Jeder Kontrollanspruch von Dritten, dem das Land nicht selbst zugestimmt hat, wird als eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Souveränität des Landes betrachtet.

1.2.2
Auch wenn die Eigenversorgung des Iran durch seine Öl- und Gasbodenschätze in der Tat auf lange Zeit gesichert sein sollte – ohne den Export dieser Güter, die Haupteinnahmequelle, sind die Industrie und die Wirtschaft des Landes nicht überlebensfähig. (Das derzeitige Verhältnis von Eigenverbrauch zum Export ist etwa 50:50 – für den Iran also bei weitem nicht optimal.) Mit anderen Worten: Der Iran braucht tatsächliche weitere Energiequellen, aus seiner Sicht auch die Atomenergie. Aus Effizienzgründen setzt daher auch der Iran, nicht anders als andere Industrieländer, auf einen geschlossenen Nuklearkreislauf, kurz: auf Wiederaufbereitungsanlagen.

Es versteht sich von selbst, dass die wirtschaftliche und damit die politische Unabhängigkeit des Landes nur durch eigene derartige Anlagen als gesichert gelten kann. (Russland als Energielieferungs-Garant? Oder das Nachbarland Asairbadschan? Was für ein Risiko!)

1.2.3
Die geopolitische Bedeutung des Iran kennt auch der Iran selbst; dass West und Ost (Stichwort: China) gleichermaßen von Irans Schätzen abhängig sind, das bedeutet für den Iran selber entweder, falls er vom Export dieser Schätze auch selbst profitieren darf, den großen Aufstieg oder den tiefen Abstieg, wenn nicht gar Untergang. Vermeidbar ist diese letztere Alternative nur dann, wenn sich das Land äußerem Zwang widersetzen kann. Dazu bedarf es entweder eines verlässlichen (= eines auf Eigeninteresse beruhenden) Schutzes Dritter oder eines hinreichend starken eigenen Abschreckungspotentials. Optimal wäre beides.

China wäre der ideale Partner für ersteres – und in der Tat hat der Iran mit keinem anderen Land in den letzten Jahren seine ökonomischen und sonstigen Beziehungen derart stark forciert. Aber noch ist China nicht stark genug für einen Ressourcen-Krieg mit den USA.

Bleibt also nur die zweite Alternative. Iran braucht ein eigenes Abschreckungspotential. Also – trotz aller gegenteiligen Erklärungen: Iran braucht, des Schutzes seiner eigenen Interessen wegen, die Bombe. Der Iran wäre dumm, wenn er diese Schlussfolgerung nicht zöge. Also …

(Eine Grundsatzfrage an die internationale Politik: Inwieweit dürfen starke Staaten von den schwächeren Staaten Dummheit verlangen?)

1.2.4
Zu beachten ist ferner: Die Sicherheitslage des Iran hat sich in den letzten Jahren radikal verschlechtert. Der Iran sieht sich nicht nur von US-dominierten Mächten eingekreist; dem ist tatsächlich so.

 

Afghanistan und Pakistan im Osten, der Irak und Kuwait im Westen. Im Nordosten das instabile Turkmenistan; im Nordwesten der NATO-Staat Türkei, ein kleiner Zipfel von Armenien und Aserbaidschan, dessen Öl- und Gasvorkommen bereits ebenfalls weitgehend unter Führung westlicher Firmen ausgebeutet werden; im Süden, jenseits des Persischen Golfes, schließlich Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Oman.

1.2.5
Zudem: In der Region gibt es schon zwei andere Atommächte, ohne dass deren Überschreiten der atomaren Schwelle viel Aufsehen mit sich gebracht hätte. Der direkte Nachbar Pakistan – und Israel. Weshalb sollte dem auf seine Geschichte mit Recht immer noch stolzen Land Persien/Iran zugemutet werden, dass es nach einer anderen Elle gemessen wird als diese zwei anderen Länder?

1.2.6
Und schließlich: Iran und Israel sehen sich gegenseitig – trotz wirtschaftlicher Kooperationen – als Feinde. Israel ist eine Atommacht auf hohem technischen Niveau. Iran besitzt bisher nichts auch nur annähernd Vergleichbares. Das wechselseitige Bedrohungsverhältnis ist extrem asymmetrisch. Was die MVW-Kapazitäten angeht, so ist Israel für Iran eine viel größere Bedrohung als umgekehrt.

1.3 Die Schlussfolgerung – und wer diese zieht

1.3.1 Auf beiden Seiten geht es um ‚lebenswichtige' Interessen. Diese sind diametral verschiedene. Also …

Also was? Die Antwort der mächtigeren Seite kann nach deren Logik nur heißen: Bomben auf den Iran!

1.3.2
Die mächtigere Seite: Das sind die USA und deren Verbündete, also die NATO-Staaten (mit Sicherheit auch in diesem Krieg Großbritannien wieder in der ersten Reihe) und auch einige andere demokratische wie nicht-demokratische Freunde im globalen Antiterror-Krieg. Und, neben den USA, vor allem Israel. Verständlicherweise, wie schon in 1.1.6 oben betont.

Wer wird die ersten Angriffe starten? Den irakischen Atommeiler Osirak hatte Israel im Juni 1981, als der Irak an der gleichen atomaren Schwelle gestanden haben soll wie jetzt bzw. in Bälde der Iran, im Alleingang bombardiert. Die Sache im Iran wird von einem größeren Kaliber sein müssen. Die Rede ist immerhin von circa 30 ‚in Frage kommenden' Anlagen. In dem über einschlägige Bombardierungs-Planspiele in den USA berichtenden Artikel [extern] Will Iran Be Next? von James Fallows ist sogar von "300 Zielorten im Iran, davon rund 125 angebliche Produktions- oder Lagerstätten von ABC-Waffen" die Rede.

 

1.3.3
Nicht, dass Israel zu einer so großen militärischen Aktion nicht auch selbst in der Lage wäre; es könnte zweifellos auch viel größere Aufgaben meistern. Trotzdem: Es wäre schlicht unvernünftig, wenn Israel die iranischen Vergeltungsmaßnahmen auf sich allein zöge. Also werden die USA von Anfang an beteiligt sein – bzw. die Erstschläge, live u.a. in CNN, vielleicht gar alleine durchführen. Für letzteres spräche, dass die amerikanische Eskalationsdominanz … nun ja, ab hier lässt sich nur spekulieren. (Was manchmal durchaus empfehlenswert sein kann.)

2. Krieg – und zwar pronto!

2.1
Alle obigen Gründe sind zugleich Gründe für einen Angriff möglichst bald. Die Pro-Angriffs-Gründe von 1.1 ohnehin; aber auch einige der Gründe, die aus iranischer Sicht für eine Forcierung ihres Atomprogramms – und damit eo ipso auch für eine Forcierung von dessen Verhinderung – sprechen. So zum Beispiel auf jeden Fall das geostrategische Argument 1.2.3.

Verfügt ein Land erst einmal über Massenvernichtungswaffen (MVW), wird damit das Risiko eines Angriffs für den Angreifer selbst – bisher jedenfalls – unvergleichlich größer, wenn nicht gar unkalkulierbar. Angriff ist dann – bisher zumindest - keine Option mehr. (Siehe Nordkorea.) Also …

2.2
Ab wann wird der Iran, falls man seine nuklearen Kapazitäten nicht blockiert, über MVW verfügen? Hierüber gehen die zugänglichen Ansichten erheblich auseinander. Den einen Quellen zufolge kann das noch Jahre dauern. Nach der Washington Post vom 02.08.2005 etwa bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts. Nach anderen, vor allem [extern] israelischen [extern] Quellen - so der Chef des militärischen Geheimdienstes Israels laut SPIEGEL Online vom [extern] 06. Jan 2006 - bleiben nur noch vier Monate Zeit ( ? April 2006). Also … ?

Die Vernunft sagt: Je größer die Gefahr ist, die jemandem droht, wenn er abwartet, umso vernünftiger ist es für ihn, nicht länger abzuwarten; und bei maximaler Gefahr ist es am Vernünftigsten, überhaupt nicht mehr abzuwarten. Nun ist aber aus der Sicht Israels und der USA die von iranischen MVW ausgehende Gefahr – egal ob direkt oder über die iranischen Terror-Connections – eine megagroße. Also …

2.3
Nach dieser Logik müsste eigentlich gelten: Der Countdow läuft bereits. Oder wie es in irgendeinem ZEIT-Artikel schon auf den Irak-Krieg bezogen so treffend geheißen hatte: Der Autopilot ist auf Angriff gestellt. So ist es; wir fliegen erneut in der gleichen Maschine.

3. Die Kriegsvorbereitungen

Kriege, wie alle menschlichen Aktivitäten, haben zwei Seiten. Eine mentale und eine physische bzw. materielle. Das gilt auch für die Kriegsvorbereitungen ([local] Kaum Chancen für den Frieden).

Für den Iran-Krieg sind diese bereits sehr weit gediehen. Die materiellen Vorbereitungen sind schon seit Mitte 2005 so gut wie abgeschlossen. Die mentalen kommen zunehmend in Fahrt. Die noch nötigen mentalen Kriegsvorbereitungen laufen auch für diesen Krieg fast wie von selbst.

3.1 Die Kriegs-Hardware

3.1.1
Amerikas Streitkräfte sind, was ihre Zerstörungskraft angeht, trotz all ihrer zunehmend deutlicher werdenden 'menschlichen' Schwächen immer noch stärker als die Streitkräfte der 10 bis 20 nächst stärkeren Staaten zusammengenommen. Ein paar Knopfdrücke zum Beispiel auf einem Laptop in Nebraska – und der Iran von morgen wäre, um frühere US-Drohungen in ähnlichen Lagen zu zitieren, ein Land aus der Steinzeit. Auch Israel alleine könnte mit seinen schätzungsweise 200 Atombomben eine solche Zeitverschiebung zweifelsohne technisch problemlos bewältigen.

Aber das ist nicht das Ziel. Noch nicht jedenfalls. Noch geht es ‚nur' um die militärische Blockierung einer – zumindest potentiell in Richtung Atomwaffenproduktion laufenden – Weiterentwicklung der iranischen Nuklearindustrie.

3.1.2
Wichtige Teile dieser Industrie liegen auch im Iran unter der Erde. Um auch diese Ziele treffen und zerstören zu können, braucht es spezielle Waffen. Diese gibt es inzwischen; Prototypen dieser BBBs – dieser "bunker-buster bombs" - wurden schon im Afghanistankrieg ‚getestet' und im Irakkrieg nachhaltig verbessert. Zwischen Ende 2004 und Juni 2005 soll Israel etwa 500 BBBs von den USA geliefert bekommen haben ([local] Strategische Aufwertung). Diese BBBs können sowohl mit konventionellen als auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden. Letztere sind notwendig, wenn man auch tiefer unter der Erde liegende Anlagen zerstören möchte. Das wird man wollen müssen. Diese so genannten ‚Mini-Nukes' gelten, damit sie auch eingesetzt werden ‚dürfen', terminologisch als taktische Gefechtsfeldwaffen. Mit Blick auf diese Art der Kriegsführung spricht Michel Chossudovsky auch diesmal frühzeitig Klartext: [extern] Nuclear War against Iran.

3.1.3
Der Iran-Krieg verspricht uns eine Neuauflage des Irakkrieges von Bush Senior bzw. des NATO-Krieges gegen Jugoslawien (des Kosovo-Krieges). Ein reiner Luftkrieg mit einer Serie präzise platzierter ,chirurgischer Luftschläge'. Ein ‚sauberer' Krieg also: kein einziger Angreifer wird iranischen Boden betreten müssen. Tote? Natürlich einige Collateral-Tote; aber die sind keine Toten von uns.

3.2 Die Kriegssoftware. Komponente 1: die Kriegsstrategie

3.2.1
Das strategische Konzept hinter dem Iran-Krieg entspricht genau den Kriegsgründen von 1.1 oben. Die Blaupause des Ganzen ist erneut die zwar schon lange vor dem 11. September 2001 vorbereitete, aber erst in dessen Schatten zum ersten Jahrestag dieses Ereignisses (September 2002) offiziell in Kraft gesetzte [extern] New Security Strategy (NSS), eine Strategie, die ihre erste Implementierung mit dem Irakkrieg erhalten sollte. Deshalb auch schon 2003 die Verbissenheit, mit der an dem ersten angeblichen Kriegsgrund (der Irak entwickelt heimlich Massenvernichtungswaffen) festgehalten worden war.

3.2.2
Die zentrale Zielsetzung dieser Strategie:

"Prevent Our Enemies from Threatening Us, our Allies, and Our Friends with Weapons of Mass Destruction."

Bitte genau lesen: Zu verhindern ist laut dieser Strategie nicht nur der Einsatz von MVW von Seiten der Feinde – das wäre nichts Neues; zu verhindern gilt es nach ihr bereits die Drohung mit einem solchen Einsatz – was in dem Strategiepapier dann auch konsequent so präzisiert bzw. erweitert wird, dass allein schon die bloße Möglichkeit zu einer Drohung mit einem solchen Einsatz für die USA einen casus belli darstellt.

3.2.3
Die Atom-Politik des Iran ist ein solcher Fall. Und zwar völlig unabhängig davon, ob der Iran tatsächlich eine atomare Bewaffnung anstrebt oder nicht. (NB: Beweise liegen auch diesmal bislang keine vor. Aber wie gesagt: Dumm ist der Iran wahrscheinlich nicht.)

3.2.4
Diese Strategie liefert jedem Strategen, der auf Präemptiv-Angriffe setzt, Rechtfertigungen, die für ihn, den Strategen, mit einem ungeheuren begrifflichen Vorteil verbunden sind: Das Herzstück dieser Kriegsanleitung sind Möglichkeitsbehauptungen; und solche Behauptungen lassen sich in der Realität kaum widerlegen. (Auch wenn man einer Krake alle Fangarme abgetrennt hat; ist es immer noch möglich, dass sie neue entwickelt.) Der letztlich einzig sichere Weg, die Entwicklungsmöglichkeiten eines anderen einzuschränken, ist der, ihm jede Entscheidungsfreiheit über sein Tun und Lassen zu nehmen, kurz, ihn voll und ganz unter die eigene Kontrolle zu bringen. So verstanden gilt: die "New Security Strategy" der USA präsupponiert den Anspruch auf Weltherrschaft. Dieser Anspruch soll auch in diesem Iran-Krieg durchgesetzt werden.

3.3 Die Kriegssoftware. Komponente 2: die Kriegspräsentation

3.3.1
Der Countdown für den Krieg läuft. Nun ist aber ein Kriegs-Countdown schon selbst ein Teil des Kriegs, vielleicht sogar dessen wichtigster. Also: Der Irankrieg hat schon begonnen. Alle weiteren Countdown-Elemente sind bereits Teil der psychologischen Kriegsführung.

3.3.2.
Der einzige Punkt, der – über den notwendigen Kriegspropagierungs-Vorlauf hinaus – noch einen Aufschub des Bombardements mit sich bringen dürfte: Noch brauchen die USA den Iran als Stabilisator im Schiiten-Sektor des Irak. Wird er dafür, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr gebraucht, dann ... spätestens dann. Aber das bringt für die Vorbereitungen allenfalls etwas mehr Zeit, hebt deren Sinn und Notwendigkeit keineswegs auf.

3.3.3
Das wichtigste Kriegsziel in dieser ersten Phase ist die Maximierung der Akzeptanz des Kriegs bei der eigenen Bevölkerung bzw. bei den Verbündeten. Und für diese Maximierung muss ohnehin zuerst der Eindruck erzeugt werden, man hätte nichts unversucht gelassen, um den Krieg zu verhindern. Die Akzeptanz-Maximierung verlangt, dass sich beim Volk der Eindruck festsetzt, nun sei der Krieg wirklich die ultima ratio. Der Startschuss lautet wie immer: Es gibt keine Alternative.

3.3.4
Was heißt das für uns alle – und so auch für Sie, liebe Leser? Dies:

*

Seien Sie ab sofort grundsätzlich skeptisch gegenüber allen Kriegsberichten – egal, woher diese kommen.

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Gehen Sie auf Distanz! (Das geht nicht ohne Übung.)

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Halten Sie sich von jeder Kriegshysterie fern! Vor allem also:

*

Schalten Sie bei allen dramatischen TV-Kriegsinszenierungen ab!

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Greifen Sie lieber zu einem Geschichtsbuch; oder zumindest zu den Videos aus der Zeit unmittelbar vor dem Start des Irakkriegs, März 2003. (Wenn Medien wirklich an Aufklärung interessiert wären, könnten sie uns ja regelmäßig an diese erinnern!)

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Vergleichen Sie die Lügen von damals mit den Beschwörungen von heute und morgen.

*

Falls Ihnen die heutigen Statements nur allzu bekannt vorkommen, so nehmen Sie einfach das Gegenteil an. Probieren Sie es! (Sie werden zunächst erstaunt sein; schon ein paar Wochen später nicht mehr.)

3.3.5
Ob wir wohl aus den letzten Kriegen für diesen neuen etwas gelernt haben? Wahrscheinlich so gut wie nichts.

Sonst wüssten wir in etwa, was uns erwartet. Man braucht jedenfalls nicht Hellseher zu sein, um zu prognostizieren, dass das Vorspiel auch zu diesem Krieg den gleichen Regeln folgt wie beim letzten Mal.

Auf der Politbühne:

1

Drohung mit der Befassung des Sicherheitsrats; Ausloten, inwieweit diese Drohung etwas bewirkt. Offene oder verdeckte Beeinflussung auf die diversen SR-Mitglieder. (Für die interessierte Öffentlichkeit ab diesem Punkt eine der spannendsten Fragen: Wird es im SR zu einem Veto kommen oder nicht? Wetten werden geschlossen. Ich würde wette: China wird sich verweigern. Siehe oben 1.2.3. )

2

x-fache Wiederholung von Schritt 1.

3

Tatsächliche Anrufung des SR – falls Zustimmung wahrscheinlich; erste – noch ziemlich allgemeine - Resolutionen. (Bei Veto: springe zu 5.)

4

Evtl. Wiederholung von Zug 3 mit verschärften Resolutionen.
4.1 Androhung bzw. Verhängung von Sanktionen.
4.2 Erlass eines Ultimatums (evtl. eines mit garantierter Unerfüllbarkeit).
4.3 Finales Ziel: Legitimierung einer ‚Intervention'.

5

Bei Veto in 3 oder 4: Trotzdem Angriff – plus Selbstermächtigung durch Berufung auf einen übergesetzlichen Notstand.

Den Medien bringen die Wochen direkt vor einem Krieg die höchstmöglichen Quoten. (Kluge Journalisten verfassen ihre späteren Berichten schon jetzt.) Oberste Regel zur Produktion von Suspense-Spannung für diese Zeit: Die allerwichtigste Frage (spätestens ab Schritt 4) muss lauten: Wann beginnt das ‚große Spiel' wirklich?

Wiederum werden die Medien die allgemeine Spannung vor dem Spiel ins fast Unerträgliche zu steigern wissen; bis die Zuschauer schließlich regelrecht enttäuscht wären, wenn das ‚Spiel' dann doch noch abgeblasen werden sollte.

Zynisch? Nein. Genau so war es im Februar/März 2003. Das Drehbuch der damaligen Kriegsinszenierung war perfekt. Und wenn wir aus dieser nicht schon gelernt haben, so doch sicher die Kriegsregisseure. Und die Medien werden auch diesmal ihre Bestes tun.

Nachtrag

Die meisten Zeitgenossen, die an den Iran-Krieg immer noch nicht glauben wollen, sind überzeugt, dass sich die USA wegen des Desasters im Irak einen weiteren Krieg nicht leisten könnten. Dieses Argument hat leider einige Schwachstellen:

*

Amerikas Kriegsreserven sind noch keineswegs erschöpft. Insbesondere die schlagkräftigsten Komponenten, die Kräfte für einen reinen Luftkrieg, sind derzeit nicht ausgelastet.

*

Bush, Cheney und andere setzen im globalen Anti-Terrorkrieg – und so auch im Irak – weiterhin auf (unsere Bereitschaft zum Glauben an) den Endsieg.

*

Dieser Sieg ist aber, so die Unterstellung, ohne einen Stopp der Entwicklung iranischer Atomwaffen nicht erreichbar. Und schließlich:

*

Weder die Kosten an Geld noch die an Menschenleben scheinen die US-Administration besonders zu kümmern, viel mehr ihre abnehmende Popularität. Was das beste Gegenmittel gegen einen solchen Schwund ist, das ist bekannt: ein neuer Krieg.

*

Dieser ist auch notwendig, um die militärische Glaubwürdigkeit der Supermacht wieder herzustellen. Die Irak-Scharte muss ausgewetzt werden. Gerade mit Blick auf die anderen islamischen Länder.

Also: Es gilt, was schon vor dem Irak-Krieg erklärt worden war: Next station – Iran.

[extern] Georg Meggle ist Professor für Philosophie an der Universität Leipzig. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören: Kommunikation, Kollektive Intentionalität und Terrorismus.

Eine spannende Einführung in die Hintergründe und das Vorbereitungsprocedere des Iran-Kriegs [extern] liefert: Clemens Verenkotte, Das Ende der friedlichen Gesellschaft, [extern] Droemer Verlag. München 2005, Kapitel 1: Der nächste Krieg.

Die beste Kriegs-kritische Quelle ist die von der [extern] AG Friedensforschung an der Uni Kassel.

 

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21802/1.html

 

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