Interview: "Ich wünsche, dass meine Mutter bald frei
kommt" |
02.02.2006 |
Auszüge aus einem
Interview mit Mahdieh Salimi,
Tochter von Yaghoub Salimi,
Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Öffentlicher Busbetriebe Teheran (Vahed-Gewerkschaft) Iran-Now: Mahdieh Salimi ist 12 Jahre Alt. In der Streiknacht wurde auch
sie mit ihrer Mutter zur Sippenhaft genommen, damit sich ihr Vater stellt.
Ihre Schwester, von der im Interview geredet wird, ist erst 2 Jahre jung.
Hier Auszüge aus einem längeren Interview, das Radio „Avaye
Ashena“ mit Mahdieh
geführt hat. Frage:
Kannst Du Dich vorstellen bitte? Hallo. Geht es Ihnen gut? Ja,
danke. Wir hatten geschlafen, als es
auf einmal klingelte. Meine Mutter meldete sich und fragte nach, wer an der
Tür sei. Sie sagten: „Frau Salimi, kommen Sie kurz
zur Tür“. Sie hatten es so eilig, dass sie meiner Mutter nicht mal die Zeit
ließen, ihr Kopftuch anzulegen. Sobald meine Mutter die Tür öffnete, stürmten
sie in die Wohnung. Die Tochter von Frau Zia und ich schliefen als sie kamen
und uns erst die Decke abgenommen haben. Sie traten uns immer wieder mit den
Füßen und schlugen mit den Händen auf uns ein. Dann haben sie gesagt, wir
sollten in den Kleinbus einsteigen. Beim Einsteigen in den Bus, als Frau Razavi zurück wollte um den Schulmantel ihrer Tochter
mitzunehmen, haben sie meine Mutter und Frau Razavi
so zusammengeschlagen, dass sie sogar mit den Stiefeln gegen das Herz meiner
Mutter traten, so dass ihr das Herz weh tat. Ihr Körper ist noch immer von
den Schlägen gezeichnet. Sie hatten irgendeinen Schlagstock in der Hand.
Meine Mutter hat nach Hilfe gerufen, doch niemand hörte auf sie. Dann haben
sie ein Spray geholt und wollten es vor den Mund meiner Schwester sprühen und
haben schließlich in ihre Augen gesprüht. Dann kamen wir in die
Haftanstalt. Von Hygiene war da keine Spur. Es war ein kalter Raum mit
Kacheln bedeckt. Wir haben um 2 Schlafdecken gebeten. Sie sagten, dass sie
keine hätten und dass sie nur die Befehle ausführten. Sie haben uns viel
geschlagen. Zu Mittag haben wir nach Essen
verlangt. Sie haben uns ihre Essensreste gegeben. Es bestand aus Hühnerhaut
auf einer Sauce. Warum
haben sie Euch, Deine Mutter und dich geschlagen? Was wollten sie von Euch? Meine Mutter wollte in den
Kleinbus einsteigen. Doch meine Schwester musste Pipi machen. Als meine
Mutter sie zur Toilette bringen wollte, haben sie meine Schwester aus ihrer
Hand gerissen und in den Bus hinein geworfen. Sie fiel und stieß mit dem Kopf
gegen den Boden. Dann haben sie meine Mutter zu Boden gestoßen und trampelten
mit ihren Füßen auf sie. Geschah
das alles, als ihr in den Bus steigen wolltet? Heißt das, dass dies alles auf
der Straße geschah? Ja, ja. Haben
auch die Nachbarn diese Szenen gesehen? Ja. Alle Nachbarn waren auf die
Straße gekommen. Als wir die Tür öffneten, dachten sie anscheinend, das wir
um die 70 – 80 Menschen sind. Es waren bloß 3 Frauen und 5 Kinder im Haus. Sie
hatten sogar auf dem Dach Posten aufgestellt, damit ja niemand abhaut. Sie
haben auch bei den Nachbarn geklopft, für den Fall, dass sich auch dort
jemand aufhalten sollte. Was
haben sie nun gewollt? Sie wollten sogar die Gäste der
Nachbarwohnung in der Etage über uns mitnehmen. Was
wollten sie? Was sagten sie? Sie wollten das Versteck meines
Vaters herausfinden. Wir hatten ja keine Ahnung von unserem Vater. Wo
ist denn jetzt Deine Mutter? Gestern Abend, als sie uns
freilassen wollten, sagten sie, meine Mutter wäre im Gebäude der
Staatssicherheit. Dann sagten sie, sie wollten meine Mutter ins Ewin Gefängnis verlegen. Das wissen wir nicht. Es wird
auch gesagt, dass sie sich im 4. Quartier der Staatssicherheit befindet. Wie
alt bist Du? Ich bin 12. Hat
dich auch was getroffen? Haben sie auch dich geschlagen? Ja. Alle haben sie geschlagen.
Es war ein Erstklässler dabei, der weinte und mit denen schimpfte. Alle
Kinder weinten. Meine Schwester wusste aus Angst nicht, zu wem sie gehen
wollte. Sie hatte meine Mutter nicht finden können. Kann
ich Deinen Namen Fragen? Mahdieh Salimi Kannst
Du uns sagen, was Du zu den Vorfällen meinst? Warum tun sie das? Was hat Dein
Vater getan? Mein Vater hat nichts getan. Er
hat nur sein Recht verlangt. Seine Rechte, die es so gar nicht mehr gibt.
Wenn sie 200 Toman Lohn haben, dann kassieren sie
davon 100 Toman für sich. Musst
Du nun wieder mit Deinem Vater zum Gerichtsverhör? Ja, ja. Bist
Du jetzt besorgt? Wieso denn nicht. Bin ich etwa
nicht besorgt? Ja,
da hast Du Recht … Als sie uns von unserer Mutter
trennen wollten, haben sie nicht mal erlaubt, dass wir kurz bei ihr bleiben.
Sie ließen nicht zu, dass meine Mutter uns umarmt. Sie sagten nur: „Macht
dass Ihr weg kommt. Wir lassen nicht zu, dass Euch jemand sieht.“ Hat
Deine Schwester auch was abbekommen? Ich hörte sie sei auch etwas verletzt. Ja. Als sie sie in den Bus
hinein geworfen haben, hat sie sich im Gesicht unter den Lippen verletzt. Ist
sie gegen die Tür oder ähnliches gestoßen? Nein. Gegen die eisernen
Stuhlbeine. In
der Haft haben sie Eurer Mutter nichts mehr angetan, oder? Doch. Doch. Auch
dort haben sie sie geschlagen? Ja. Auch dort. Sie
haben wieder nach Eurem Vater gefragt. Ja. Dann wollten sie durch uns
herausbekommen, was wir wohl wüssten. Sie fragten uns, was in Vahed los sei. Sie wüssten ja nichts und wir sollten sie
etwas aufklären. Dann haben sie aber gesagt, dass sie unsere Telefonate
abgehört hätten. Alles was wir am Telefon sagten, hätten sie mitgehört. Deine
Schule ist doch nicht geschlossen? Nein. Erst haben sie gesagt, es
gäbe zu viel Schnee, dann sagten sie nach 5 Minuten, die Schule gehe doch
weiter. Du
kannst jetzt doch nicht zur Schule, oder? Richtig. Ich werde wohl einiges
verpassen. Wie
viele Kinder waren da? 5 Kinder waren da. Eins ist in
der 3. Klasse, sie ist die Tochter von Frau Zia. Einer war Erstklässler, sie
ist die Tochter von Frau Razavi. Es war noch eine
Tochter von Frau Zia dabei, sie ist in der ersten Klasse des Gymnasiums. Dann
war auch ich dabei, und ich bin in der ersten Klasse der Zwischenstufe. Und
schließlich meine Schwester, die 2,5 Jahre alt ist. Wurdet
nur Ihr freigelassen? Ja, sie haben alle Kinder
freigelassen. Die Kinder von Frau Razavi wurden mit
ihrer Mutter gestern entlassen. Meine Mutter und Frau Zia wurden aber nicht
freigelassen. Sie sind anscheinend im 4. Quartier der Staatssicherheit. Liebe
Mahdieh, ich habe keine Fragen mehr. Willst Du noch
was hinzufügen? Was wünschst Du Dir? Was erwartest Du von den Menschen, die
jetzt Deine Stimme hören? Das einzige, das ich möchte
ist, dass sie uns unterstützen. Das heißt, sie möchten was tun... wie soll
ich sagen... dass meine Mutter bald frei kommt, weil wir jetzt niemanden
haben. Liebe
Mahdieh, danke. © Iran-Now
Redaktion (Übersetzung
von Bahman Shafigh) Quelle: avayeashena |