HANDELSBLATT, Samstag, 11. Februar 2006, 18:54 Uhr

 

Atomkonflikt

Deutsche sollen Iran geholfen haben

 

Die Internationale Atomenergiebehörde ermittelt gegen vermutlich acht Deutsche. Sie sollen dem Iran bei der Beschaffung von Technologie zur Entwicklung von Atomwaffen geholfen haben.

 

 

HB BERLIN. Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke-Katrin Scheuten, bestätigte, ihre Behörde sei im Kontakt mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wegen deren Ermittlung in einem Fall der Verbreitung von Atomtechnologie, die ein Geheimdienst betreibe. Details nannte sie nicht. Ein mit dem Fall vertrauter EU-Diplomat sagte, den etwa acht Deutschen werde vorgeworfen, sie hätten Irans Geheimdienst bei der Beschaffung atomarer Technologie geholfen, die westliche Staaten dem Land nicht liefern wollten. Gegen die Männer, die in Deutschland, Südafrika und der Schweiz lebten, würden Anklagen vorbereitet. Einige seien in Untersuchungshaft. Sie sollen dem Iran und Libyen geholfen haben, Zentrifugen und andere Atomtechnologie zu beschaffen.

Mit Zentrifugen kann Uran für Atomkraftwerke oder -waffen angereichert werden. Die Europäische Union (EU), die USA und andere Staaten verdächtigen den Iran, unter dem Deckmantel eines zivilen Programms Atomwaffen zu entwickeln. Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten im Januar ihre Gespräche mit dem Iran über eine Lösung des Streits ausgesetzt, da das Verhalten des islamischen Gottesstaates ihnen die Grundlage entzogen habe. Die iranische Regierung hatte die Forschung an atomaren Techniken entgegen früheren Zusagen wieder aufgenommen. Das Thema soll nun im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) beraten werden.

Nach Angaben des Diplomaten haben die Verdächtigen Verbindungen zum so genannten „Khan-Netzwerk“, einem Schwarzmarkt für Atomtechnologie, der nach dem Vater der pakistanischen Atombombe, Abdul Kadir Khan, benannt ist. Der inzwischen in Ungnade gefallene Khan hat zugegeben, Nordkorea, den Iran und Libyen mit geheimen Informationen über atomare Technologie versorgt zu haben. Die Beteiligung von Deutschen an dem Netzwerk war zwar bereits bekannt. Die Ermittlungen hätten aber Hinweise auf ein größeres Ausmaß deutscher Beteiligung gebracht, sagten Diplomaten. Nach Angaben eines Diplomaten haben auch Bürger anderer europäischer Staaten zum iranischen Atomprogramm beigetragen, darunter Franzosen, Belgier, Schweizer und Briten.

Der frühere UN-Waffeninspektor David Albright begrüßte die deutschen Ermittlungen. „Ich sehe darin überhaupt keine Anklage gegen Deutschland“, sagte Albright, der inzwischen das Washingtoner Institute for Science and International Security leitet. Die Ermittlungen zeigten eher, wie entschlossen Deutschland diesen Dingen nachgehe. „Einige von diesen Leuten sind abgebrühte Verbrecher, die entschlossen waren, ihr Geschäft zu machen“, sagte Albright der Nachrichtenagentur Reuters.

Nach Angaben von Diplomaten sind die formalen Anklagen gegen die Verdächtigen noch nicht fertig. Gegenwärtig würden noch Beweise gesammelt. Zudem sei die Auslieferung der im Ausland lebenden Deutschen schwierig. Sie sollten des Verrats angeklagt werden. Im Januar klagten Ermittler zwei Deutsche der Spionage an, die nach Angaben von Diplomaten und Geheimdienstmitarbeitern dem Iran bei der Entwicklung von Raketen geholfen haben sollen. Die Raketen könnten atomare Sprengköpfe transportieren. Im September 2004 wurden der in Südafrika lebende Deutsche Gerhard Wisser und sein Schweizer Kollege Daniel Geiges festgenommen, da Ermittler in Südafrika ihnen eine Verbindung zum Khan-Netzwerk vorwerfen. Sie sind seither in Südafrika in Haft.

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