PRINCETON. Im März 2005
warnte der Leiter des "Liechtenstein Institute for
Self-Determination" an der
US-Elite-Universität Princeton, Wolfgang Danspeckgruber,
in der "Presse" vor dem "heißesten Atomkonflikt seit der
Kubakrise", sollte es nicht gelingen, den Streit um das Atomprogramm
des Iran zu lösen. Seither haben EU und USA die Sache vor den
UN-Sicherheitsrat gebracht, der dem Iran bis Ende April Zeit gab, die
Uran-Anreicherung einzustellen. Teheran aber droht mit der Ölwaffe und
provoziert mit Raketentests, während aus den USA, Israel - und neuerdings
Großbritannien - vermehrt Säbelrasseln zu hören ist.
Auf
Einladung des gebürtigen Oberösterreichers Danspeckgruber
fand sich eine Runde hochkarätiger Politologen, Diplomaten, Historiker
und Militärs in der Universität Princeton (New Jersey) ein, um diskret
über Hintergründe und Aussichten des Konfliktes zu diskutieren. "Die
Presse" darf exklusiv über das Treffen berichten - unter der
Auflage, die Zitate und teils hochbrisanten Gesprächsinhalte nicht den
Urhebern zuzuordnen. Im Folgenden einige Kernaussagen der Expertenrunde:
[*] Irans
"imperiale Rolle": Irans Eliten sind sich des historischen
Erbes des Persischen Reiches in der Region bewusst und spielen, gestützt
auf Petrodollars, diese Macht aus. Die soziokulturelle "soft power" Irans strahlt über die Grenzen aus, etwa
nach Afghanistan, in den Irak, den Kaukasus, Turkmenistan. "Iran ist
eines der wenigen Länder, das den Übergang vom Imperium zum Nationalstaat
geschafft hat, ohne an Einfluss zu verlieren". Folge: Iran begreift
sich als Macht, die sich gegenüber "neuen" Mächten wie den USA
als ebenbürtig erachtet.
[*] Stand des Atomprogramms: Irans Uran-Konversion erzeugt
qualitativ schlechtes Uran-Hexafluorid,
Grundstoff für die Anreicherung. Die Anreicherungsanlage Natanz ist in schlechtem Zustand: Uranzentrifugen
sind sensibel und müssen arbeiten, um nicht "einzurosten". In Natanz standen in Folge einer Vereinbarung Iran-EU 164
Zentrifugen mehr als zwei Jahre lang still - jetzt müssen sie überholt
werden. Um genug Uran für eine Bombe anzureichern, müssen 1000
Zentrifugen ein Jahr lang arbeiten. Mehr als zehn neue Zentrifugen pro
Woche sind kaum machbar. Irans
Drohung, bald 5000 Zentrifugen arbeiten zu lassen, ist Propaganda.
[*] Will der Iran die Bombe? Daran zweifelt kaum jemand. "Es
gibt ein klares Muster, das auf eine militärische Absicht des
Atomprogramms hinweist", sagte ein Teilnehmer. Ein anderer meinte:
"Sie wollen sie nicht unbedingt bauen. Aber sie wollen dorthin, von wo
sie nur noch um die Ecke liegt."
[*] Ahmadinejads Macht: "Mit seiner
Obsession von der Wiederkehr des "versteckten Imam macht sich Irans
Präsident bei den meisten Ayatollahs unbeliebt." Seine Machtbasis
ist klein, nun nutzt er das Nuklear-Thema, um von der schlechten Performance
seiner Regierung abzulenken. Er braucht die Krise. Ahmadinejad
will aber auch die Verwaltungs-Elite aufbrechen. "Das erweckt den
Zorn dieser mächtigen Schicht."
[*] Verhandlungen EU - Iran: "Die Iraner werfen der
EU vor, dass ihre Verhandlungs-Mission vor allem eine Art Selbsttherapie
wegen ihres schwierigen Verhältnisses zu den USA gewesen sei. Und da
haben sie gar nicht so Unrecht." Und: "Wer die zweieinhalb
Jahre dauernden Verhandlungen EU - Iran verfolgt hat, der sah,
dass die Europäer immer die wechselseitige Dämonisierung
Iran - USA auf den Schultern tragen mussten. Und das können die
nicht tragen."
[*] Die Sicherheitsrats-Resolution gegen Iran: "Rechtlich ist
es fast unmöglich, gegen das Atomprogramm zu argumentieren." Der
Iran wird sich in der 30-Tagesfrist kaum bewegen. Es ist denkbar, dass quasi "die Uhr angehalten
wird", sodass daraus zwei bis drei Monate werden könnten.
[*] Sanktionen: Harsche UN-Strafmaßnahmen sind wegen Russland und
China kaum denkbar. Sollte der
Iran nicht einlenken, wird der Sicherheitsrat wohl eine
"erboste" Resolution beschließen; danach eine mit einer milden
politischen Sanktion. Sanktionen dürften aber wenig bewirken, so ein
US-Diplomat. Und: "Sanktionen tun weh - wenn man ein Freund ist."
[*] US-Hilfe für Exil-Iraner: Die 75 Mill. Dollar, die die USA
jüngst zur Unterstützung iranischer Exil-Gruppen bereitstellten, dürften
verschwendetes Geld sein. "Dieser Personenkreis ist nicht arm, wieso
konnte er nicht selber das Geld sammeln?"
[*] Regimewechsel erzwingen? Die USA nennen einen Regimewechsel als
ihr Ziel. Auf Nachfrage gibt die US-Regierung jedoch angeblich zu, nicht
zu wissen, wie sie die Mullahs stürzen soll. Für die USA ist es derzeit
äußerst hart, in regimekritischen Kreisen im Iran Fuß zu fassen.
[*] Luftangriffe gegen Atomanlagen: sind trotz erheblicher
iranischer Luftabwehr erfolgversprechend.
Allerdings: Das gesamte militärisch nutzbare
Atomprogramm ist nie völlig zerstörbar.
Der Iran würde danach einfach weitermachen.
[*] Bodenkrieg: Er würde mindestens sechs bis acht Divisionen
Fronttruppen erfordern (etwa 250.000 Mann), dazu dieselbe Menge an
rückwärtigen Diensten. Das überfordert die USA derzeit. Aufgrund der
Truppenrotation und rechtlicher Bestimmungen sind die US-Reserven schon
für den Irak extrem ausgedünnt. Alliierte für einen Bodenkrieg sind nicht
in Sicht.
[*] Kommandounternehmen: Mindestens ein Dutzend Kommandoeinheiten,
jede in Zugstärke, sowie mehrere Kompanien Marines
und Rangers als Reserve-Eingreiftruppe wären
nötig, um das Atomprogramm unschädlich zu machen. "Aus Sicht von
Kommando und Kontrolle dieser Einheiten ist die Wahrscheinlichkeit eines
Desasters groß."
[*] Anwerbung lokaler Stämme: Die USA erwägen Anwerbung
pakistanischer Stämme an der iranischen Grenze bzw. lokaler iranischer
Stämme für einen Aufstand. Deren Macht sei nicht zu unterschätzen; selbst
der Schah habe lokalen Stämmen Tribut erwiesen, wenn er in seine
Sommerresidenz nach Persepolis gefahren sei.
Allerdings: Deren Kampfkraft und Loyalität sind fraglich. "Damit würden
wir dünnes Eis betreten. Im Grund wäre es terroristisch."
[*] Juden als Attentäter: Die Anwerbung iranischer Juden
(schätzungsweise bis zu 40.000 Juden leben dort) für Attentate und
Sabotage gilt als Option. Auch hier wäre der Effekt fragwürdig, die Methode
an sich Terror.
[*] Folgen einer Militäraktion: Iranische Angriffe gegen Schiffe im
Persischen Golf; Aktivierung von Terroristen in Nahost und mit den USA
befreundeten Ländern; unübersehbare
Gewaltspirale in der Region; Ölboykott. Besonders gewarnt wird vor den
Folgen im benachbarten Irak.
"Der Südirak wird faktisch vom Iran verwaltet. Wenn man in Basra eine Fabrik aufmachen möchte, muss man in
Teheran ansuchen." Und: "Eine militärische Operation hätte desaströse Folgen." Quintessenz: "Die
Risken übersteigen die Chancen bei weitem."
[*] Sich abfinden mit Irans Bombe? Ein israelischer Vertreter machte
eine beachtenswerte Bemerkung: "Es geht weniger darum, ob der Iran
die Bombe hat oder nicht. Es geht darum, wer den Finger am Auslöser hat.
Und der derzeitige Finger ist nicht akzeptabel."
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