Iran erklärt sich zur Nuklearmacht

von Hubert Wetzel, Berlin, und Silke Mertins, Jerusalem

Iran hat eigenen Angaben zufolge erstmals angereichertes Uran produziert. Präsident Mahmud Ahmadinedschad sagte in einer TV-Ansprache: "Ich erkläre offiziell, dass Iran zur Gruppe der Staaten mit Atomtechnologie gehört."

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad

 Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad

Der frühere Staatspräsident Haschemi Rafsandschani sagte einer kuwaitischen Nachrichtenagentur, sein Land habe 164 Zentrifugen in Betrieb, in denen aus Urangas angereichertes Uran hergestellt werde.

Ahmadinedschad betonte in seiner Rede, Iran verfolge nur friedliche Absichten. Vizepräsident Gholam-Reza Aghasadeh sagte am Dienstag, das Land habe schwach angereichertes Uran hergestellt, das für zivile Zwecke tauge.

ZUM THEMA

·        Iran hält Rohstoffmärkte in Atem (http://www.ftd.de/boersen_maerkte/marktberichte/64456.html)

·        Möglicher Besuch Ahmadinedschads zur WM ruft Proteste hervor (http://www.ftd.de/politik/deutschland/63966.html)

·        (€) Leitartikel: Iran - Die Leiter und die Höhenangst (http://www.ftd.de/meinung/kommentare/61203.html)

·        Iran schaltet im Atomstreit auf stur (http://www.ftd.de/politik/international/60989.html)

·        Uno-Sicherheitsrat einigt sich auf Erklärung im Atomstreit (http://www.ftd.de/politik/international/60587.html)

·        Neuer Anlauf im Atomstreit mit Iran (http://www.ftd.de/politik/international/60274.html)

Eine unabhängige Bestätigung für diese Behauptungen gibt es bisher nicht. Nach Angaben der Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) betreibt Iran zwar Uranzentrifugen - ob mit Erfolg, war aber offen. Sollte die Ankündigungen zur gelungenen Anreicherung wahr sein, würde das eine erhebliche Verschärfung des Streits um Irans Atomprogramm bedeuten.

Spaltmaterial für Atombombe

Zum einen würde die erfolgreiche Urananreicherung beweisen, dass Iran grundsätzlich in der Lage ist, Spaltmaterial für Atombomben herzustellen. Angereichertes Uran kann für den Betrieb ziviler Kraftwerke oder den Bau von Nuklearwaffen verwendet werden. Entscheidend ist der Anreicherungsgrad.

Zum zweiten ist die Bekanntgabe der Urananreicherung eine klare Provokation der Weltgemeinschaft. Wegen des möglichen militärischen Missbrauchs der Anreicherung fordern die USA, die EU und Russland von Iran, sein Anreicherungsprogramm völlig einzustellen. Ende März hatte der Uno-Sicherheitsrat diese Forderung bekräftigt und Iran eine Frist von 30 Tagen gesetzt.

Dass das Regime in Teheran mitten in dieser Frist die erfolgreiche Anreicherung verkündet, deutet nicht darauf hin, dass es im Atomstreit einlenken will. Die US-Regierung bezeichnete die Ankündigung am Dienstag als Schritt in die "falsche Richtung".

Schwach angereichertes Uran - mit einem Anteil des Isotops U235 von drei bis fünf Prozent - dient zivilen Zwecken. Hoch angereichertes Uran - mit einem U235-Anteil über 90 Prozent - ist waffentauglich. Laut Aghasadeh hat Iran angereichertes Uran mit einem U235-Anteil von 3,5 Prozent produziert.

Auch wenn die hohe Anreicherung technisch anspruchsvoller ist, der Prozess ist in beiden Fällen grundsätzlich gleich: In Zentrifugen wird der U235-Anteil in Urangas durch schnelle Rotation erhöht.

Um in nennenswertem Umfang waffentaugliches Uran herzustellen, bräuchte Iran Tausende Zentrifugen, die ununterbrochen laufen. Experten zufolge gehen 164 Zentrifugen aber über eine bloße Forschungsanlage hinaus. Bis Ende des Jahren will Iran 3000 Zentrifugen in Betrieb nehmen, langfristig ist eine Anlage mit 50.000 Zentrifugen geplant.

Spekulationen über Militärschläge

Wenn Iran sein Atomprogramm unkontrolliert weiterführt, halten israelische und US-Sicherheitskreise im nächsten Jahr einen Militärschlag für wahrscheinlich. Der richtige Zeitpunkt wäre, wenn Irans Programm weiter fortgeschritten ist und die Amtszeit von US-Präsident George W. Bush fast vorbei sei, berichtete am Dienstag die israelische Zeitung "Jedioth Achronot". Das Blatt beruft sich auf Sicherheitsexperten, darunter Giora Eiland, Chef des Nationalen Sicherheitsrates in Israel. "Es könnte sonst eine Situation entstehen, wo alle Auseinandersetzungen in Nahost im Schatten eines nuklear bewaffneten Iran stattfinden", sagte er.

HOME