Eine neue Front gegen den Iran
Teherans Kalkül der Provokation muss nicht aufgehen, dem Westen bleibt Diplomatie - von Markus Bernath


 

"Weitere gute Nachrichten" hat der iranische Staatspräsident Mahmud Ahmadi-Nejad angekündigt. Vielleicht schon für die heutigen Freitagsgebete. Denn Ahmadi-Nejad, der mit seiner bizarren, einem billigen Sciencefictionfilm entnommenen "Atom-Feier" zu Wochenbeginn noch einmal unter Beweis stellte, wie weit der Iran unter seiner Regierung von der internationalen Staatengemeinschaft abgedriftet ist, muss im Erfolgsrausch sein: Die angeblich geglückte Anreicherung von Uran lässt den Westen ratlos.


Nicht so sehr aber China und Russland. Der hochrangige Diplomat, den Peking am heutigen Freitag auf die Reise schickt, soll offenbar ausloten, wie weit Teheran und Moskau noch von einem Handel bei der Auslagerung der Uran-Anreicherung auf russisches Territorium entfernt sind. Eine Lösung für den Atomstreit mit dem Iran mag aus dem Osten kommen. Die Frage ist, zu welchen Kosten.

Chuzpe

Mit einer beachtlichen Chuzpe hat sich die iranische Führung seit dem Sommer 2005 über Resolutionen, Fristen, politischen Druck durch die anderen Staaten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien hinweggesetzt. Damals war Teheran aus den Verhandlungen mit den Europäern über ein Rahmenabkommen zur Atomtechnologie ausgestiegen und hatte zunächst wieder Vorarbeiten zur Uran-Anreicherung aufgenommen. Auch eine erste gemeinsame Erklärung des UN-Sicherheitsrates ist offensichtlich ohne die mindeste Wirkung verpufft.

Teherans Kalkül ist vierfach: Die USA sind durch ihr Irak-Abenteuer auf Jahre militärisch und innenpolitisch geschwächt, der Iran dagegen hat neue Einflussmöglichkeiten auf den Irak und damit auf alle Ölstaaten im Golf; die fünf Ständigen Sicherheitsratsmitglieder haben unterschiedliche Interessen gegenüber Teheran und werden sich nicht auf Strafmaßnahmen einigen können; die muslimische Welt wird keine zweite US-geführte Militärintervention im Mittleren Osten hinnehmen. Die blockfreie Bewegung, die nuklearen Schwellenländer schließlich werden in der IAEO Teheran unterstützen, weil sie keinen Präzedenzfall schaffen wollen, bei dem einem Staat aus politischen Motiven die Möglichkeiten zur Erforschung und Nutzung der Atomenergie beschnitten werden - heute ist es der Iran, morgen vielleicht Brasilien.

Geschlossene Front

Diese Rechnung der iranischen Führung ist in einigen Fällen schon nicht aufgegangen - die Front der Staaten in der IAEO war am Ende doch sehr geschlossen - und erscheint auch in anderen Punkten auf den zweiten Blick nicht mehr so einleuchtend.

So mögen die US-Generäle bremsen, George W. Bush aber ist durchaus imstande, einen Militärschlag gegen iranische Atomanlagen anzuordnen, ganz ungeachtet der möglichen Folgen für den Irak und der Bedrohung für Israel. Mindestens ebenso entscheidend ist eine schlichte Wahrheit, die Teheran bisher nicht sehen wollte: Keines der fünf Ständigen Sicherheitsratmitglieder - auch nicht China und Russland - hat irgendein Interesse, dass der Iran eines Tages Atomwaffen besitzt. Ein nuklearer Iran ist auch für Moskau und Peking eine Bedrohung.

Was folgt aus all dem? Die brauchbaren aktiven Optionen für die USA und die Europäer zur Beendigung der Atomkrise um den Iran sind in der Tat beschränkt. Die Idee eines militärisch erzwungenen Regimewechsels nach dem Vorbild des Irak verbietet sich von selbst. Ein Wechsel zu wem auch? Zu einer ähnlich scharlatanhaften Figur wie dem einst vom Pentagon hofierten Exiliraker Ahmed Chalabi etwa?

Der wenig transparenten Politik der Russen und Chinesen das Feld zu überlassen scheint ebenso wenig attraktiv. Washington und die Europäer sollten vielmehr jene Regierungen von Ankara bis Algier, von Jerusalem bis Riad hinter sich bringen, die durch die Ambitionen des Iran im schlimmsten Fall in einen nuklearen Rüstungswettlauf gezogen werden. Eine solche neue politische Einigkeit wäre tatsächlich eine "gute Nachricht" für den Mittleren Osten. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.4.2006)

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