Eine neue Front gegen den Iran
Teherans Kalkül der Provokation muss nicht aufgehen, dem Westen bleibt
Diplomatie - von Markus Bernath
|
"Weitere gute Nachrichten" hat der iranische
Staatspräsident Mahmud Ahmadi-Nejad angekündigt.
Vielleicht schon für die heutigen Freitagsgebete. Denn Ahmadi-Nejad,
der mit seiner bizarren, einem billigen Sciencefictionfilm entnommenen
"Atom-Feier" zu Wochenbeginn noch einmal unter Beweis stellte, wie
weit der Iran unter seiner Regierung von der internationalen
Staatengemeinschaft abgedriftet ist, muss im Erfolgsrausch sein: Die
angeblich geglückte Anreicherung von Uran lässt den Westen ratlos.
Chuzpe Mit einer
beachtlichen Chuzpe hat sich die iranische Führung seit dem Sommer 2005 über
Resolutionen, Fristen, politischen Druck durch die anderen Staaten der
Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien hinweggesetzt. Damals war
Teheran aus den Verhandlungen mit den Europäern über ein Rahmenabkommen zur
Atomtechnologie ausgestiegen und hatte zunächst wieder Vorarbeiten zur
Uran-Anreicherung aufgenommen. Auch eine erste gemeinsame Erklärung des
UN-Sicherheitsrates ist offensichtlich ohne die mindeste Wirkung verpufft. Teherans
Kalkül ist vierfach: Die USA sind durch ihr Irak-Abenteuer auf Jahre
militärisch und innenpolitisch geschwächt, der Iran dagegen hat neue
Einflussmöglichkeiten auf den Irak und damit auf alle Ölstaaten im Golf; die
fünf Ständigen Sicherheitsratsmitglieder haben unterschiedliche Interessen
gegenüber Teheran und werden sich nicht auf Strafmaßnahmen einigen können;
die muslimische Welt wird keine zweite US-geführte
Militärintervention im Mittleren Osten hinnehmen. Die blockfreie Bewegung,
die nuklearen Schwellenländer schließlich werden in der IAEO Teheran
unterstützen, weil sie keinen Präzedenzfall schaffen wollen, bei dem einem
Staat aus politischen Motiven die Möglichkeiten zur Erforschung und Nutzung
der Atomenergie beschnitten werden - heute ist es der Iran, morgen vielleicht
Brasilien. Geschlossene
Front Diese
Rechnung der iranischen Führung ist in einigen Fällen schon nicht aufgegangen
- die Front der Staaten in der IAEO war am Ende doch sehr geschlossen - und
erscheint auch in anderen Punkten auf den zweiten Blick nicht mehr so
einleuchtend. So mögen
die US-Generäle bremsen, George W. Bush aber ist durchaus imstande, einen
Militärschlag gegen iranische Atomanlagen anzuordnen, ganz ungeachtet der
möglichen Folgen für den Irak und der Bedrohung für Israel. Mindestens ebenso
entscheidend ist eine schlichte Wahrheit, die Teheran bisher nicht sehen
wollte: Keines der fünf Ständigen Sicherheitsratmitglieder - auch nicht China
und Russland - hat irgendein Interesse, dass der Iran eines Tages Atomwaffen
besitzt. Ein nuklearer Iran ist auch für Moskau und Peking eine Bedrohung. Was folgt
aus all dem? Die brauch Der wenig
transparenten Politik der Russen und Chinesen das Feld zu überlassen scheint
ebenso wenig attraktiv. Washington und die Europäer sollten vielmehr jene
Regierungen von Ankara bis Algier, von Jerusalem bis Riad hinter sich
bringen, die durch die Ambitionen des Iran im schlimmsten Fall in einen
nuklearen Rüstungswettlauf gezogen werden. Eine solche neue politische
Einigkeit wäre tatsächlich eine "gute Nachricht" für den Mittleren
Osten. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.4.2006) Der standard.de |