Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, verfügt die Regierung der Vereinigten
Staaten über konkrete Pläne für Luftangriffe auf den Iran, bei denen auch
Atomwaffen eingesetzt werden könnten. Entsprechende praktische Vorbereitungen
sind bereits weit fortgeschritten. Angesichts der zunehmend instabilen Weltlage
stellt dies eine äußerst ernst zu nehmende Gefahr dar.
Der Kurs des US-Imperialismus wird - wenn ihm nicht Einhalt geboten wird -
zu einer Katastrophe von welthistorischen Ausmaßen führen, die den Zweiten
Weltkrieg in den Schatten stellt.
Allein die Tatsache, dass das Weiße Haus unter Bush solche Überlegungen
anstellt, ist ein Alarmsignal für alle Menschen, denen die Zukunft der Erde und
ihrer Bewohner am Herzen liegt. Kaum sechzig Jahre nach dem Abwurf der ersten
Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki - nach dem Generationen schworen, dass
sich eine solche Tat nie wiederholen dürfe - bereitet Washington erneut den
Einsatz dieser furcht
Die Pläne sind nicht nur real, sondern dienen bereits als
Handlungsgrundlage, wie einem Beitrag von Seymour Hersh
im Magazin New Yorker sowie der Tageszeitung Washington Post in
dieser Woche zu entnehmen war. Es wurden bereits Sondereinheiten in den Iran
entsandt, um Ziele ausfindig zu machen, und Luftwaffenübungen über dem
Arabischen Meer abgehalten, bei denen der Abwurf von Bomben mit
Atomsprengköpfen auf iranische Atomanlagen simuliert wurde.
Die Kriegsgefahr ist seit dem Erscheinen der Artikel noch gestiegen,
insbesondere da die iranische Regierung am Dienstag bekannt gab, dass ihr die
Anreichung von Uran für die Atomenergiegewinnung gelungen sei. Teheran betonte
einmal mehr, dass das iranische Atomprogramm nur friedlichen Zwecken diene, und
Experten bestätigen, dass der Iran noch weit davon entfernt ist, waffenfähiges
Uran für Atombomben anreichern zu können.
Zweifellos ist das Verhalten der iranischen Regierung von Abenteurertum
geprägt. Teheran hat in der Konfrontation über die Atomfrage nur die eigenen
kurzfristigen politischen Ziele im Auge. Es benutzt die nationalistisch
gefärbte Ablehnung, mit der ein Großteil der iranischen Bevölkerung auf die
amerikanischen Einschüchterungsversuche reagiert, um von den sozialen und
politischen Spannungen im Iran selbst abzulenken. Die Fraktionen der iranischen
Bourgeoisie, die in der Regierung den Ton angeben, unternehmen nichts, um die
Kriegsgefahr von der iranischen Bevölkerung abzuwenden. Tatsächlich spielen sie
mit ihrem Verhalten der rechten militaristischen Clique in die Hände, die das
Weiße Haus beherrscht.
Die Innenpolitik spielt bei den neuerlichen amerikanischen
Kriegsvorbereitungen eine wichtige Rolle. Da Bush für seine Politik kaum noch Unterstützung
in der Bevölkerung genießt - ein Zeichen für die tiefe soziale Krise in den
Vereinigten Staaten - fühlt sich seine Regierung veranlasst, die
Aggressionspolitik fortzusetzen, um die öffentliche Meinung aufzuputschen und
jegliche Opposition zu unterdrücken.
Natürlich reagierte die Bush-Regierung auf die jüngsten Ankündigungen aus
Teheran, indem sie ihre Kriegshetze verschärfte. US-Außenministerin Condoleezza Rice sagte am
Mittwoch, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen müsse "starke Maßnahmen"
gegen den Iran ergreifen, um "die Glaubwürdigkeit der internationalen
Gemeinschaft zu erhalten". Sie fügte hinzu: "So kann es nicht
weitergehen."
Der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld
bezeichnete den Iran als "ein Land, das Terroristen unterstützt". Er
fügte hinzu: "Es ist ein Land, das Interesse am Besitz von
Massenvernichtungswaffen gezeigt hat."
Die Bush-Regierung benutzt das gleiche Drehbuch wie während der
propagandistischen Vorbereitung des Irakkriegs: Düstere und unbestätigte Warnungen
vor einer angeblich unmittel
In einer Rede an der John Hopkins University School of Advanced
International Studies wiederholte Bush seine
Kriegshetze aus dem Jahre 2002, wonach der Iran - neben Nordkorea und dem
inzwischen von den Vereinigten Staaten besetzten Irak - der "Achse des
Bösen" angehöre.
Bush erklärte, seine Strategie hinsichtlich des Irans stütze sich auf eine
"Präventionsdoktrin". In der Sprache der internationalen Politik ist
ein Präventivkrieg ein Angriffskrieg, der dazu dient, das Erstarken eines
potenziellen Rivalen zu verhindern oder einen zukünftigen strategischen Vorteil
zu erlangen. Nach den Nürnberger Prozessen gegen die deutsche Nazi-Führung
stellt die Planung und Durchführung eines solchen Angriffskrieges ein
Kriegsverbrechen dar.
Die World Socialist Web Site hat bereits
darauf hingewiesen, dass die Politik der US-Regierung deutliche Parallelen zu
den Methoden des Dritten Reichs in den 1930ern und 1940ern aufweist. Die vollkommene
Missachtung des Völkerrechts, der militärische Angriff unter falschen Vorwänden
und der Einsatz übermächtiger Gewalt gegen vergleichsweise wehrlose Opfer sind
beiden Regimes gemein. Einige unserer Leser hielten solche Vergleiche für
überzogen. Nach den jüngsten Enthüllungen in Bezug auf die amerikanischen Pläne
gegen den Iran lassen sich solche Einschränkungen nicht mehr aufrechterhalten.
Die USA drohen also, zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wieder
Atomwaffen einzusetzen, um zu verhindern, dass der Iran in den Besitz einer
Technologie gelangt, die zur Herstellung von Atomwaffen benutzt werden kann.
Diese Argumentation ist nicht nur haarsträubend, sie enthält auch ein gehöriges
Maß an Wahnsinn.
Streben nach Öl und strategischem Vorteil
Was wie Wahnsinn erscheint, basiert allerdings auf einem durchaus realen
politischen Programm des US-Imperialismus. Wie im Falle des Iraks ist nicht die
Gefahr von Massenvernichtungswaffen, sondern Öl das wichtigste Motiv hinter den
Drohungen gegen den Iran. In Wirklichkeit hält Washington das iranische
Atomprogramm für keine besonders große Gefahr. Wie im Falle des Irak liefern
die Massenvernichtungswaffen nur den Casus belli für
einen Krieg, der mit anderen Zielen geführt wird.
Wir unterstützen das Streben der iranischen Regierung nach Atomwaffen nicht,
weil sie den Kampf der Arbeiter im Iran oder sonst wo in der Region nicht
voranbringen. Doch selbst wenn der Iran eine Atombombe bauen sollte, hätte dies
angesichts der überwältigenden Militärmacht der Vereinigten Staaten keine
größere militärische Bedeutung.
Der Iran ist immerhin von Ländern umgeben, die über solche Waffen verfügen -
Russland, Israel, Pakistan, Indien - und diese zum Teil mit der offenen
Unterstützung Washingtons erhalten haben. Wäre die von den Vereinigten Staaten
unterstützte Diktatur im Iran nicht gestürzt worden, hätte das Atomprogramm,
das der Schah mit direkter Unterstützung Amerikas betrieb, zweifellos schon
längst zur Herstellung von Bomben geführt.
Die US-Regierung baut darauf, dass die amerikanische Bevölkerung die
wirklichen Verhältnisse nicht kennt und die willfährigen Medien eine Kulisse
schaffen, hinter der die Herrschenden ihre Interessen verfolgen können. Der
Iran verfügt über die zweitgrößten Erdgasreserven und die viertgrößten Erdölreserven
der Welt, aus denen vermutlich noch jahrzehntelang gefördert wird, wenn die
Vorkommen in Saudi Arabien bereits erschöpft sind. Darüber hinaus steht
Washington vor der politischen Tatsache, dass der Iran sich am Ende als
Hauptnutznießer der US-Intervention im Irak entpuppen könnte. Damit wären die
Versuche der USA gescheitert, ihre unangefochtene Vorherrschaft über die
Golfregion und ihre strategischen Energiereserven zu errichten.
Als noch größere Bedrohung von amerikanischen Interessen gelten die Beziehungen
des Iran zu Russland, China und Europa. Die großen wirtschaftlichen Rivalen
Washingtons sollen keinen strategischen Vorteil daraus ziehen, dass sie sich
nicht an der jahrzehntelangen Wirtschaftssanktionen
der USA gegen den Iran beteiligt haben. Insbesondere die Beziehungen zwischen
dem Iran und Russland werden von den Vereinigten Staaten als Hindernis
betrachtet, um die enormen unerschlossenen Öl- und Gasvorkommen in den
ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens unter ihre Kontrolle zu bringen.
Letztlich kommt in den Kriegsdrohungen gegen den Iran zum Ausdruck, dass
sich der amerikanische und weltweite Kapitalismus in einer historischen Krise
befinden und das kapitalistische Nationalstaatensystem aus den Fugen gerät. Zu
diesem Stabilitätsverlust - und seiner bösartigen Folge, die Gefahr eines neuen
Weltkriegs - hat der Zusammenbruch der Sowjetunion ebenso beigetragen wie der
Verlust an relativer weltwirtschaftlicher Bedeutung, den der amerikanische
Kapitalismus erlitt.
Diese parallelen Entwicklungen haben innerhalb der herrschenden Oligarchie
Amerikas einer Strategie zum Konsens verholfen, nach der die militärische
Überlegenheit des US-Imperialismus ausgenutzt werden soll, um die
Weltwirtschaft im Interesse der amerikanischen Banken und transnationalen
Konzerne neu zu organisieren. Diese Strategie beinhaltet die Einnahme
strategischer Stellungen und Ressourcen - wie im Persischen Golf - und den
Einsatz von Militarismus und Krieg, um das Auftreten selbst regionaler Rivalen
auszuschließen, die den amerikanischen Anspruch auf weltweite Hegemonie in
Frage stellen könnten.
Auch wenn Bush die Berichte über Pläne zum Atomwaffeneinsatz dementiert,
herrscht kein Mangel an Beweisen, dass die herrschenden Kreise in den USA heute
Maßnahmen, die einst als undenk
"Zum ersten Mal seit beinahe 50 Jahren stehen die Vereinigten Staaten
heute kurz davor, Überlegenheit bei Kernwaffen zu erlangen", erklärt der
Artikel. "Wahrscheinlich sind die Vereinigten Staaten bald in der Lage,
die russischen oder chinesischen Atomwaffenarsenale bei Langstreckenraketen mit
einem Erstschlag zu zerstören."
Ein Atomschlag gegen den Iran, der an Russland grenzt, wäre ein erster Test
dieser Strategie. Er würde nicht nur den Iran verwüsten und dort eine hohe Zahl
an zivilen Opfern hinterlassen, sondern auch Russland, China und andere Mächte
bedrohen, die den Zielen des amerikanischen Imperialismus im Weg stehen.
Der Kurs, den die Vereinigten Staaten eingeschlagen haben, führt
unvermeidlich zu einem größeren und katastrophaleren Krieg, der Hunderten
Millionen das Leben kostet. Die Frage lautet nicht, ob, sondern lediglich wann
der nächste Angriff des US-Militärs erfolgt.
Der Irak hat bereits gezeigt, dass die bestehenden politischen Strukturen in
den Vereinigten Staaten keine Handhabe bieten, um dieser Bedrohung Einhalt zu
gebieten. Zu den Drohungen gegen den Iran hat die Demokratische Partei
buchstäblich nichts zu sagen.
In seinem Artikel im New Yorker zitierte Seymour Hersh
einen Abgeordneten aus dem Repräsentantenhaus mit den Worten, es gebe
"keinen Druck aus dem Kongress" gegen einen neuen Krieg.
Keine Fraktion der Demokratischen Partei fordert öffentliche Anhörungen zu
den politischen, militärischen, juristischen oder moralischen Konsequenzen der
bekannt gewordenen Kriegspläne mit Atomwaffen. Man muss davon ausgehen, dass
der Kongress und die Demokraten diesen neuen verbrecherischen Akt ebenso
mittragen werden wie seinerzeit den Einmarsch und die Besetzung des Irak.
Symptomatisch für die Reaktionen der ehemaligen Liberalen war der
Leitartikel in der New York Times am Dienstag unter der
selbstzufriedenen Überschrift "Militärische Gedankenspiele zum Iran".
"Der Kongress und die Öffentlichkeit müssen eine ernsthafte landesweite
Debatte einfordern, wie sie vor der amerikanischen Invasion im Irak nicht
stattgefunden hat", schreibt die Times und merkt an, die Regierung
drohe mit "zukünftigen amerikanischen Militäraktionen in einem Tonfall,
der bisweilen an die Erklärungen erinnert, die vor dem Einmarsch im Irak
abgegeben wurden".
Die Forderung des Leitartikels nach einer "ernsthaften landesweiten
Debatte" über einen neuen Angriffskrieg entspricht exakt dem Tonfall, den
die Times in den Monaten vor dem Einmarsch im Irak anschlug. Damals
drängte sie die Regierung, die pseudolegalen Rechtfertigungen für den Krieg
fortzusetzen, und forderte eine "Debatte", um die Öffentlichkeit
darauf vorzubereiten. Als das Weiße Haus ohne Zustimmung der Vereinten Nationen
den Befehl zum Einmarsch gab, unterstützte die Zeitung den Krieg trotzdem.
Dieser jüngste Leitartikel nun warnt davor, dass Luftangriffe auf den Iran
unerwünschte Folgen für die US-Truppen im Irak nach sich ziehen könnten, und
bezweifelt, ob sie wirklich "alle Atomanlagen des Irans zerstören"
können. Darüber hinaus wird ein Krieg gegen den Iran eine "leichtsinnige
Dummheit" genannt. Doch die Zeitung bezeichnet die Aussicht auf
unprovozierte Luftschläge und den möglichen Einsatz von Atomwaffen nicht als
das, was sie sind: Kriegsverbrechen. Es wird deutlich, dass die Herausgeber
solche Maßnahmen als reale Optionen betrachten.
Polizeistaat im Innern
Eine solche Kriegsführung hätte weitreichende
Folgen für die amerikanische Gesellschaft selbst. Er würde zweifellos
Vergeltungsmaßnahmen hervorrufen, die wiederum von der Regierung in Washington
genutzt würden, um den "Krieg gegen den Terror" dramatisch zu
verschärfen - in Form einer militärischen Eskalation im Ausland und der
Abschaffung demokratischer Grundrechte im Innern.
Der Einsatz von Atomwaffen würde innerhalb der amerikanischen Bevölkerung Entsetzen
und Proteste auslösen, eine Massenopposition würde sicht
In den Kriegsdrohungen gegen den Iran zeigt sich die grundlegende
Alternative der gegenwärtigen historischen Epoche: Sozialismus oder Bar
Es besteht die Gefahr, dass die kapitalistische Krise und der daraus
entspringende Rückgriff auf Militarismus und Krieg sehr schnell voranschreiten,
während die politischen Mittel zu ihrer Bekämpfung weit zurückbleiben. Um diese
Gefahr zu überwinden, muss der Widerspruch zwischen dem Ausmaß der Probleme und
dem Fehlen jeder politischen Alternative im kapitalistischen Zweiparteiensystem
klar ins Bewusstsein gehoben werden.
Eine neue revolutionäre Massenbewegung muss entstehen, die sich auf die
internationale Einheit der Arbeiterklasse im Kampf für Sozialismus stützt und
das veraltete Nationalstaatensystem bekämpft, auf dem der Imperialismus beruht.
Die Socialist Equality
Party und die World Socialist Web Site haben
es sich zur Aufgabe gemacht, die politischen Grundlagen für das Auftreten einer
solchen Bewegung schaffen.