Anwendung der EU-Richtlinie 2004/83/EG im Asylverfahren
"Qualifikationsrichtlinie"
Am 10.10.2006 endete die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG des
Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen und den Status von
Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen,
die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu
gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie).
Wesentliche Regelungen der Qualifikationsrichtlinie, wie etwa die
Berücksichtigung der nichtstaatlichen und der geschlechtsspezifischen
Verfolgung im Rahmen der Flüchtlingsanerkennung, wurden bereits durch das
Zuwanderungsgesetz in nationales Recht umgesetzt.
Die vollständige Umsetzung soll mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz (Gesetz
zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen
Union) erfolgen. Da dieses Gesetz zum 10.10.2006 noch nicht in Kraft
getreten ist, entfaltet die Richtlinie ab diesem Zeitpunkt unmittelbare
Wirkung und ist vom Bundesamt, aber auch den Verwaltungsgerichten, bei
Entscheidungen in Asylverfahren
unmittelbar anzuwenden.
http://www.bamf.de/DE/Asyl/Home-Teaser/info-anwendung-2004-83-EG.html
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Presseerklärungen
10. Oktober 2006
Ablauf der Umsetzungsfrist der EU-Asylanerkennungsrichtlinie
am 10. Oktober 2006
Regelungen ab sofort direkt anzuwenden
Während die große Koalition noch um ein Umsetzungsgesetz zu den asyl- und migrationsrechtlichen Richtlinien der EU verhandelt,
hat Deutschland die Umsetzungsfrist der EU-Anerkennungsrichtlinie
(Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004) verpasst. Dies hat zur Folge,
dass die Regelungen der EU-Richtlinie unmittelbar anwendbar sind. Sie
verdrängen entgegenstehende deutsche gesetzliche Regelungen. Die
EU-Anerkennungsrichtlinie stellt das Herzstück der EU-Asylrechtsharmonisierung dar.
Die Anerkennungsrichtlinie schafft EU-weit einheitliche Vorgaben für die
Anerkennung als Flüchtling oder als Person, die anderweitig internationalen
Schutz benötigt.
Die Richtlinie übernimmt den menschenrechtlichen Ansatz für den
Flüchtlingsschutz, wie ihn die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) vorsieht.
- Eine Ausweitung
des Flüchtlingsschutzes sieht die EU-Richtlinie zum Beispiel bei
Verfolgung aufgrund der Religion vor. Während das
deutsche Asylrecht nur die
innere Religionsfreiheit, das "religiöse Existenzminimum",
geschützt hat, schützt das EU-Recht auch die Religionsausübung im
öffentlichen Bereich. Asylanträge
können also nicht mehr mit der Begründung abgelehnt werden, die
Antragsteller hätten ihre Religion auch im Geheimen ausüben können.
- Ebenso muss Kriegsdienstverweigerung
nun umfassend als Asylgrund
anerkannt werden.
Neben dem Flüchtlingsschutz sieht die EU-Anerkennungsrichtlinie einen
ergänzenden Schutz für Personen vor, die zwar nicht als
"Flüchtlinge" anerkannt werden, die aber dennoch wegen drohender
Menschenrechtsverletzungen schutzbedürftig sind. Auch hier findet sich eine
deutliche Ausweitung des Schutzumfangs.
- Der menschenrechtliche
Schutz vor Abschiebung - zum Beispiel wegen drohender
Folter - muss auch dann garantiert werden, wenn die Verletzung
durch nichtstaatliche Akteure droht. Das Zuwanderungsgesetz hat diesen
Grundsatz bisher nur bei der Flüchtlingsanerkennung berücksichtigt.
Künftig muss auch bei drohenden Menschenrechtsverletzungen durch
nichtstaatliche Akteure ein Abschiebeschutz gewährt werden.
- Sehr
praxisrelevant ist die Ausweitung des Abschiebungsschutzes
für Menschen, deren Leib oder Leben im Herkunftsland bedroht ist. Das
deutsche Recht hat bislang dann keinen Schutz gewährt, wenn die
Gefahren der Bevölkerung insgesamt oder einzelnen Bevölkerungsgruppen
drohten. Nur in extremen Ausnahmefällen, bei "Abschiebung in den
sicheren Tod", konnte der Betroffene der Abschiebung entgehen.
Nach der EU-Richtlinie muss künftig auch dann von der Abschiebung
abgesehen werden, wenn die Gefahren allgemein im Herkunftsland
bestehen.
Neben der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie ist die Folge der
deutschen Säumnis, dass die EU-Kommission gegen Deutschland ein
Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof einleiten
kann. Hohe Geldstrafen könnten die Folge sein.
PRO ASYL fordert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die
Verwaltungsgerichte auf, ab sofort Asylentscheidungen
unter Beachtung der europäischen Richtlinie zu treffen.
http://www.proasyl.de/de/archiv/presseerklaerungen/presse-detail/news
////ablauf_der_umsetzungsfrist_der_eu_asylanerkennungsrichtlinie
_am_10_oktober_2006/back/105/chash/b8a6c54b2a/index.html
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Gemeinsame Regeln für Asylpolitik
Die nationale Umsetzungsfrist für die so genannte Annerkennungsrichtlinie
von Staatenlosen und Flüchtlingen ist abgelaufen. Bis zum 6. Oktober
hatten nur sechs Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Umsetzung ergriffen. Die Richtlinie
2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 legt Mindestnormen für die
Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen
oder Staatenlosen
als Flüchtlinge
oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und
über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes fest.
EU-Kommissionsvizepräsident
Franco Frattini, zuständig für Justiz, Freiheit
und Sicherheit, nannte die verspätete Umsetzung der Richtlinie in der
Mehrheit der Mitgliedstaaten als Grund. "Das ist ganz besonders
bedauerlich, da diese Richtlinie ein Eckstein für die erste Stufe des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
ist", so Frattini.
Ziel der Richtlinie ist die Sicherstellung von EU-weit
einheitlichen Kriterien bei der Identifikation von Personen, die
internationalen Schutz benötigen. Zudem soll die Richtlinie ein Minimum an
Rechten und Nutzen dieser Personen in allen Mitgliedsländern garantieren.
Eine gemeinsame Asylpolitik
einschließlich eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
ist wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union,
schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
aufzubauen, der allen offen steht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig
in der Gemeinschaft um Schutz ersuchen.
Quelle: EU-Kommission.de , Brüssel/Berlin, 10.10.2006
http://www.aufenthaltstitel.de/zuwg/1371.html
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