30. Januar 2015 – FrankfurterRundeschau – Von Elisa Rheinheimer-Chabbi: Alle zwei Jahre wird in Nürnberg der Deutsche Menschenrechts-Filmpreis vergeben; vor wenigen Wochen war es wieder soweit. Die prämierten Filme sind am 3. Februar in Frankfurt zu sehen. Mehr als vierhundert Einsendungen gab es diesmal. Einer der Preisträger ist der iranischstämmige Regisseur Behrooz Karamizade. Sein Kurzfilm „Bahar im Wunderland“ wurde von der Jury in der Kategorie Bildung zum besten Film gekürt.
Herr Karamizade, die Hauptfigur Ihres Films ist das Mädchen Bahar – ein Kind, das mit seinem Vater auf der Flucht ist. Erzählen Sie da Ihre eigene Geschichte?
Das ist teilweise autobiografisch, ja. Ich bin als Siebenjähriger mit meinen Eltern und meinem Bruder aus dem Iran geflohen. 1986 war das, während des Iran-Irak-Krieges. Vom Norden des Iran sind wir in die UdSSR geflüchtet, haben dort in verschiedenen Lagern gewohnt und sind dann nach Ost-Deutschland gegangen.
Dann sind wir über die Berliner Friedrichstraße in den Westen gekommen und haben dort Asyl beantragt. Zuerst waren wir in Berlin, dann in verschiedenen Asylheimen in Bayern und schließlich sind wir in Köln gelandet, wo ich aufgewachsen bin.
Welche Momente Ihrer Flucht sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Da gibt es viele. In Moskau habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Metro gesehen. Ich hatte ziemlich Angst, als die Türen sich schlossen. Und in Berlin habe ich dann das erste Mal eine Rolltreppe gesehen. Die kam meinem Bruder und mir zunächst wie ein Ungeheuer vor.
Wieso landen Bahar und ihr Vater ausgerechnet in Frankfurt?
Eine Großstadt-Atmosphäre ist für ein Kind wie Bahar eine fantastische Kulisse, fast märchenhaft. All die Lichter, das Glitzernde, Neue, Schöne. Flüchtlingskinder empfinden das als faszinierend, ihre Eltern hingegen als beängstigend. Und so versucht Bahars Vater, alles richtig zu machen, sich anzupassen, unauffällig zu sein – nur um dann doch von der Polizei nach seinen Papieren gefragt zu werden.
Warum kommt im Film eigentlich keine Mutter vor?
Ich fand es interessant, eine Vater-Tochter-Beziehung darzustellen, auch weil ich damit ein Klischee brechen wollte: Das Klischee, dass muslimische Männer ihre Töchter unterdrücken und herumkommandieren. Bahars Vater geht sehr liebevoll und respektvoll mit seiner Tochter um. Er begegnet ihr auf Augenhöhe.
hr Film kommt mit wenigen Dialogen aus. Zerstören zu viele Worte die Geschichte?
Die Kraft des Kinos sind die Bilder. Dialoge sind ein Zusatz, aber die Filme, die ich mache, sollen international verstanden werden. „Bahar im Wunderland“ wurde auf über 95 Festivals weltweit gezeigt und überall können die Menschen sich mit den Bildern identifizieren. Außerdem spricht Bahar ja auch die Sprache der Fremden nicht, sie kann kein Deutsch, sondern läuft mit staunenden Augen durch Frankfurt.
Ein Menschenrechts-Filmpreis, das klingt ziemlich hochtrabend. Können Filme denn tatsächlich etwas verändern?
Ich denke Filme verändern die Denkweise der Menschen. Nicht auf einmal, nicht sofort, aber ich kann als Regisseur Menschen für gewisse Themen sensibilisieren und sie dazu anregen, die Perspektive zu wechseln. Damit verändere ich nicht gleich die Welt, aber vielleicht Schritt für Schritt bestimmte Einstellungen.
„Bahar im Wunderland“ war der Abschlussfilm Ihres Studiums an der Kunsthochschule Kassel und auch ein internationales Projekt. Was war das Besondere an der Arbeit?
Ich habe eng mit einer Gruppe internationaler Filmemacher zusammengearbeitet.
In der NUR-Filmgruppe sind Regisseure aus verschiedensten Ländern: Russland, Afghanistan, Georgien, Deutschland und weitere. Wir haben größtenteils zusammen in Kassel studiert und uns dann entschlossen, auch weiterhin künstlerisch zusammenzuarbeiten. Ich habe zum Beispiel einzelne Szenen aus meinem Film mit den Kollegen besprochen und durch die verschiedenen kulturellen Blickwinkel kamen da oft gute Ideen auf und neue Aspekte rein.
Interview: Elisa Rheinheimer-Chabbi
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