05.02.2015-“Die Presse”- Auf einer Instagram-Seite zeigen die reichen Bewohner der Islamischen Republik ihr luxuriöses Leben mit Alkohol, Pools und teuren Autos. Die Webseite sorgt auch für Kritik.
Wien/Teheran. Es geht um Maseratis und Rolex, um Mercedes und sündteure Klunker, um Privatjets, überdimensionale Sonnenbrillen, Manschettenknöpfe und einzelne Designerstücke, deren Preis so hoch ist wie das Jahresgehalt eines kleinen Angestellten. Manche Beobachter attestieren den abgebildeten Frauen korrigierte Nasen, Männer zeigen ihren Fuhrpark her, ein weißer Pudel trägt Hunde-T-Shirts, es gibt viel Champagner, viele Partys, viele Swimmingpools – und viel Klischee über Leute mit Geld wie Heu.
Nur ein Klischee passt nicht: All das spielt sich in Teheran ab, Hauptstadt der Islamischen Republik Iran, die im Normalfall nicht mit Cocktails und Cocktailkleidern in Verbindung gebracht wird. Auf der Instagram-Seite „Rich Kids Of Tehran“ geben die Nutzer Einblicke in das Leben der oberen Zehntausend; die strengen Scharia-Gesetze scheinen hier nicht zu gelten.
Viel ist seit Gründung der Seite vor rund einem halben Jahr darüber spekuliert worden, wer die reichen Familien sind: ehemalige Revolutionsgardisten dürften dazugehören, aber auch die Kinder der führenden religiösen Elite sowie von Unternehmern, Technokraten, Bankmanagern. Man wolle den Blickwinkel ändern, mit dem die Welt den Iran wahrnimmt, hieß es in Kommentaren zu Beginn des Instagram-Projekts. Und dieser Blickwinkel sei zumeist negativ, geprägt von den Restriktionen, die den Alltag bestimmen. „Die Menschen benutzen hier keine Kamele zum Transport“, schreibt ein Nutzer, „aber manche verwenden italienische und deutsche Pferde.“
Teheran ist auch Luxus – das haben die Macher mit der Seite vermitteln wollen. Der Iran sei eben nicht nur der Iran, der in amerikanischen Serien wie „Homeland“ in alter Schurkenmanier dargestellt wird, so ein Nutzer in einem Interview. Und eben auch nicht ein Land voller religiöser Fanatiker.
Ächzen unter den Sanktionen
Es hat nur einen Monat gedauert, bis das Regime die Seite „Rich Kids Of Tehran“ sperren ließ. Zu diesem Zeitpunkt hat es die Instagram-Seite bereits in etliche Zeitungen und Magazine rund um den Globus geschafft und für Kritik gesorgt. Sogleich entstand der Gegenentwurf „Poor Kids Of Tehran“, womit das Leben der meisten Iraner reflektiert werden soll. Tatsächlich ächzt das ganze Land unter den Sanktionen der europäischen Länder und der USA.
Daher profitieren vom Schwarz- und Schmuggelmarkt einige wenige, die etwa trotz des Embargos ihre Ölgeschäfte abwickeln können.
Laut Transparency International gehört der Iran zu den korruptesten Ländern weltweit, im vergangenen Jahr landete die Islamische Republik auf dem 136.
Rang im Korruptionsindex – von insgesamt 174 Ländern. Die Seite wurde jedenfalls ein paar Tage später wieder online gestellt und hat mittlerweile über 40.000 Follower.
Neben Autos und Skiurlauben wird viel Mode gezeigt, sichtbar ist aber auch die Tatsache, dass die reichen Familien des Landes offenbar Zugang zu Alkohol haben, der im Land freilich streng verboten ist. Bilder zeigen volle Champagnerflaschen und bunte Cocktails bei Partys in Privathäusern.
In ebendiesen Häusern dürfte sich das luxuriöse Leben hauptsächlich auch abspielen, denn die meisten Frauen tragen die im öffentlichen Leben obligatorische Kopfbedeckung nicht.
Westliche Lebensstandards
Auch wenn sich tatsächlich nur wenige Menschen an dieser Instagram-Seite beteiligen können – sie wird auch als eine Möglichkeit für junge Menschen gesehen, die ihre Unzufriedenheit mit der Islamischen Republik artikulieren wollen und sich westliche Lebensstandards wünschen. Generell ist die Jugend im Iran hochpolitisiert, die „Grüne Revolution“ nach der Wahl des Hardliners Mahmud Ahmadinejad zum Präsidenten (2009) hat es gezeigt. Über 60 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt, das Land gehört zu den jüngsten der Welt, und kaum eine andere Gegend verliert so viele Talente ins Ausland wie der Iran. Die Islamische Republik hat Schwierigkeiten, jene rund eine Million Jobs zu schaffen, die sie jährlich für Schul- und Universitätsabsolventen brauchen würde. Teheran muss auch an einer anderen Front kämpfen: Seit Jahren steigt die Zahl der jungen Drogenabhängigen. Der Missbrauch von Opiaten ist so hoch wie in Afghanistan und Pakistan, vorsichtigen Schätzungen zufolge sind 1,2 Millionen Menschen im Iran süchtig nach harten Drogen.
Gefängnisstrafe für Musikvideo
Die privaten Hauspartys hat die reiche Teheraner Jugend freilich nicht erfunden, die gab es vorher schon, nur werden sie nun mit der Seite explizit an die Öffentlichkeit getragen. Mit Konsequenzen müssen die betroffenen Familien wohl nicht rechnen – im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung. Als im September eine Gruppe Jugendlicher ein YouTube-Video von sich veröffentlichte, das zeigt, wie sie fröhlich zu Rapmusik tanzen, wurden alle sechs Beteiligten verurteilt. Noch ist die Strafe nicht vollzogen, aber sie sollen jeweils 91 Peitschenhiebe erhalten und bis zu ein Jahr im Gefängnis verbringen.
Auf einen Blick
Rich Kids of Tehran. Mit dieser Instagram-Seite wollen die jungen Nutzer ihr luxuriöses Leben in der Islamischen Republik zeigen, um, wie manche Nutzer sagen, dem schlechten Image des Iran entgegenzuwirken.
Die Seite sorgt aber auch für Kritik, zumal die allermeisten Bewohner des Landes unter internationalen Sanktionen leiden. Die Seite wurde nach der Gründung für kurze Zeit gesperrt, mittlerweile hat sie bereits über 40.000 Follower.
(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 06.02.2015)
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