11-01-2017 –ZeitOnline – Akbar Haschemi Rafsandschani wurde für seine Netzwerke im Iran gefürchtet wie bewundert. Mit seinem Tod hat Präsident Ruhani seinen wichtigsten Unterstützer verloren. Von Ulrich von Schwerin, Istanbul
Mit dem Tod von Akbar Haschemi Rafsandschani, der am Sonntag im Alter von 82 Jahren einem Herzinfarkt erlag und nun im Süden Teherans beigesetzt wurde, verschwindet eines der Urgesteine der iranischen Politik. Der Abgang des Ajatollahs, der bis zuletzt über großen Einfluss in der Islamischen Republik verfügte, hinterlässt eine deutliche Lücke im Machtgefüge und wird zu einer weitreichenden Verschiebung der Gewichte führen.
Für Präsident Hassan Ruhani, der seit Langem ein enger Vertrauter Rafsandschanis war und auch ihm seine Wahl verdankte, ist der Tod seines Ziehvaters ein schwerer Schlag vor der im Juni anstehenden Präsidentenwahl, die heftig umkämpft sein dürfte.
Ruhanis Politik der vorsichtigen Annäherung an den Westen, die im Juli 2015 zur Beilegung des jahrelangen Streits um das iranische Atomprogramm führte, trug unverkennbar Rafsandschanis Handschrift. Der Pragmatiker hatte schon frühzeitig die Notwendigkeit erkannt, die politische Isolation zu durchbrechen, um die lahmende Wirtschaft in Schwung zu bringen. Im Wissen um den Unmut bei der Jugend befürwortete er auch die Lockerung der sozialen und kulturellen Restriktionen, wenngleich er niemals das politische System infrage stellte.
Mit Rafsandschani geht einer der letzten Vertreter der Gründergeneration der Islamischen Republik. Der 1934 bei Kerman geborene Geistliche gehörte wie sein langjähriger Weggefährte und Rivale Ali Chamenei seit den Anti-Schah-Protesten von 1963 zum engsten Kreis um Ajatollah Ruhollah Chomeini. Wegen seiner Opposition zum Schah wiederholt inhaftiert, stieg er nach dem Sieg der Islamischen Revolution 1979 in den Führungszirkel des neuen Regimes auf.
Während Chamenei zum Präsidenten gewählt wurde, erhielt Rafsandschani den Posten des Parlamentssprechers, bevor er auch zum Oberkommandeur der Streitkräfte ernannt wurde. Durch und durch ein Pragmatiker, für den in der Politik das Ergebnis stets mehr zählte als die Ideologie, zögerte er im Krieg mit dem Irak nicht, sich auf geheime Verhandlungen mit dem Erzfeind USA einzulassen, um im Austausch gegen Geiseln dringend benötigte Waffen zu erhalten.
Wenig Liebe für die amerikanische Politik
Der Machtpolitiker hegte wenig Liebe für die amerikanische Kultur oder Politik. Zugleich war er aber hellsichtig genug zu erkennen, dass die politische und wirtschaftliche Isolation des Irans vor allem ihm selbst schadet. Als Rafsandschani nach dem Tod Chomeinis 1989 zum Präsidenten gewählt wurde, während Chamenei neuer Revolutionsführer wurde, setzte er sich mit marktwirtschaftlichen Reformen dafür ein, die Wirtschaft des kriegszerstörten Landes in Schwung zu bringen.
Die Verhandlungen mit den Weltmächten führten im Juli 2015 tatsächlich zum Abschluss eines langfristigen Abkommens, das im Gegenzug für die deutliche Reduzierung des iranischen Atomprogramms die Aufhebung der internationalen Sanktionen vorsah. Die Hoffnung der Iraner war groß, dass mit dem Wegfall der Handels- und Finanzbeschränkungen die Wirtschaft neuen Schwung gewinnen, die Investoren zurückkehren und der Wertverlust des Rial gestoppt würde.
Ein Jahr nach Aufhebung der Sanktionen ist jedoch Ernüchterung eingekehrt: Zwar sind einige europäische Konzerne zurückgekehrt und die Ölförderung wurde deutlich ausgeweitet. Doch der erhoffte Boom ist ausgeblieben. Viele Unternehmen scheuen sich weiter vor Investitionen im Iran, da sie fürchten, gegen weiter bestehende US-Sanktionen zu verstoßen. Mit der Wahl von Donald Trump ist nun die Unsicherheit nur noch größer geworden.
Der künftige US-Präsident hat im Wahlkampf den Atomdeal scharf kritisiert und gedroht, ihn nach seinem Amtsantritt aufzukündigen. Zwar weiß niemand genau, ob Trump seinen Worten auch Taten folgen lassen wird, zumal eine einseitige Aufkündigung des Vertrags riskant und auch gar nicht so einfach wäre. Doch solange die Zukunft des Atomdeals in der Schwebe hängt, warten die Investoren lieber ab, während im Iran Ruhanis Gegner Morgenluft wittern.
Vor diesem Hintergrund scheint eine Wiederwahl Ruhanis bei der anstehenden Präsidentenwahl im Juni zunehmend ungewiss. Zwar stehen die Reformer weiter hinter Ruhani, doch ist offen, ob es ihm gelingen wird, die Wähler erneut für sich zu mobilisieren. Wie schon bei Rafsandschani in den 1990er Jahren sind viele Wähler enttäuscht, da Ruhanis vorsichtige Schritte zur Öffnung der kulturellen und politischen Sphäre hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben sind.
Skrupelloser, korrupter Machtpolitiker
Mit Rafsadschjani ist nun zudem sein wichtigster Unterstützer verschwunden. Der “Haifisch”, wie Rafsandschani wegen seines bartlosen Kinns wie auch wegen seiner Gerissenheit im Volksmund genannt wurde, war zwar bei vielen Iranern als ebenso skrupelloser wie korrupter Machtpolitiker verrufen. Doch war er auch ein begnadeter Strippenzieher, der bis zuletzt über ein riesiges Netzwerk in Politik, Militär und Klerus verfügte, das er zum Nutzen der Reformer einsetzte.
Seitdem er sich nach der umstrittenen Wiederwahl des Hardliners Ahmadinedschad 2009 offen hinter die Reformer gestellt hatte, hatten die Konservativen versucht, ihn kalt zu stellen. Doch während andere Reformer unter Hausarrest gestellt, ins Exil gedrängt oder zum Schweigen gezwungen wurden, gelang es den Hardlinern nie ganz, Rafsandschani ins Abseits zu drängen. Als einer der letzten noch lebenden Vertrauten Chomeinis, der in seiner langen Karriere fast alle hohen Staatsämter im Iran inne hatte, war Rafsandschani nur schwer angreifbar.
Für den Iran ist sein Tod ein Einschnitt. Auch wenn viele Iraner ihm wohl keine Träne nachweinen werden, ist doch klar, dass sich im Machtkampf zwischen Reformern und Konservativen die Gewichte verschieben werden. Sein Tod dürfte auch erneut die Debatten darüber befeuern, was passiert, wenn Revolutionsführer Chamenei dahinscheidet, der mit 77 Jahren auch nur unwesentlich jünger als Rafsandschani ist. Ob sich im Kampf um seine Nachfolge ein Hardliner wie Justizchef Sadegh Laridschani oder ein Moderater durchsetzt, könnte das Land auf Jahrzehnte prägen. Auch in dieser Frage wird der “Haifisch” keinen Einfluss mehr nehmen können.
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