01.02.2018, NZZ-ch, Christoph Werner – Das iranische Regime konnte die grossen Demonstrationen eindämmen. Fast täglich jedoch kommt es zu Einzelaktionen von jungen Frauen, die in der Öffentlichkeit ihr Haupt entblössen und ihr Kopftuch schwenken.
Vida Movahedi ist nicht die erste Kopftuchaktivistin. Aber die Art und Weise, wie sie ihren Protest kundtat, ermuntert nun offenbar viele Nachahmerinnen dazu, es der 31-jährigen Mutter gleichzutun. Am 27. Dezember stellte sich Mohavedi in einer belebten Teheraner Strasse mit ihrem wallenden schwarzen Haar auf einen Metallkasten und schwenkte in aller Ruhe ein weisses Kopftuch, das sie wie eine Fahne an einen Stab geknüpft hatte. Ein stiller, aber starker Protest gegen den Kopftuchzwang in ihrem Land.
Bis zu zwei Monate Gefängnis
Mohavedi wurde bald darauf verhaftet. Einer Frau, die in Iran ohne Kopftuch auf die Strasse geht, drohen Gefängnisstrafen zwischen zehn Tagen und zwei Monaten. Erst am vergangenen Montag wurde Mohavedi freigelassen. Praktisch gleichzeitig wurde jedoch eine andere Frau, Nargess Husseini, festgenommen, die wie etliche andere Frauen Mohavedis Beispiel gefolgt sind.
Im Internet tauchen immer wieder neue Videos von Frauen aus verschiedenen Städten auf, die mit entblösstem Schopf ein weisses Kopftuch schwenken. Sie positionieren sich dazu immer gut sichtbar, sei es auf einer Mauer, einem Brunnen, einem Pfosten oder wie Mohavedi auf einem Metallkasten. Wobei es auch Varianten des Protestes gibt: In der konservativen Hochburg Mashhad, im Nordosten des Landes, schwenkte eine Frau im Tschador – einer Statue gleich – auf einem hohen Sockel an einer Strassenkreuzung ein Kopftuch. Ihre Message muss wohl so verstanden werden: «Ich trage ein Kopftuch, aber jede Frau sollte die freie Wahl dazu haben.»
Eines der beeindruckendsten Videos von den Kopftuchprotesten ist wohl jenes einer alten Frau in einem verschneiten Park. In gebückter Haltung und sichtlich unter Anstrengung erklimmt sie einen Brunnen, um dann ein weisses Kopftuch zu schwenken. In einem Foto ist auch ein Mann zu sehen, der sich mit einem wehenden Schleier auf eine Mauer stellt und sich mit den Frauen solidarisiert.
Der wachsende zivile Ungehorsam der «revolutionären Frauen» bereitet dem theokratischen Regime hörbar Sorgen. Am Mittwoch äusserte sich der iranische Generalstaatsanwalt Mohammad Jafar Montazeri abschätzig über die Bewegung. Die Frauen handelten «kindisch, ignorant und unter ausländischem Einfluss», glaubt der oberste Ankläger der Islamischen Republik. Er versprach, dass der Staat die Gesetzesbrecherinnen konsequent bestrafen werde.
Mit Geduld und ohne Gewalt ans Ziel
Die entscheidende Frage jedoch lautet, ob das Regime das feministische Aufbegehren noch stoppen kann. Die iranische Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoubeh erklärte gegenüber Radio Liberty: «Alle Bürgerrechtsbewegungen mit ähnlichen Forderungen w Die im britischen Exil lebende iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Abadi erinnerte daran, dass der Kampf der iranischen Frauen gegen das Kopftuch bereits so alt ist wie die Islamische Revolution im Jahr 1979. Die ersten Demonstrationen dagegen hätten damals stattgefunden. In jüngster Zeit haben vor allem zwei von der exilierten iranischen Journalistin Masih Alinejad lancierte Kampagnen für Aufsehen gesorgt. Zum einen posten iranische Bürgerinnen unter dem Hashtag #whitewednesday eigene Aufnahmen, auf denen sie sich aus Protest öffentlich in weissem Kopftuch oder weisser Kleidung zeigen. Zum anderen haben die Hijab-Gegnerinnen auf der Facebook-Seite«My Stealthy Freedom» bereits Tausende von Videos und Fotos hochgeladen, in denen Frauen sich ohne Kopftuch auf die Strasse wagen. Es soll ein lebendiges Archiv der mutigen Menschen sein, die sich trotz drohenden Gefängnisstrafen auf die Strassen wagen.
aren nach langer Zeit erfolgreich, indem sie zwei Prinzipien befolgten: Öffentlichkeit und Friedfertigkeit.»
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