Konvertierte Christen sollen raus aus Deutschland

04. Februar 2018 – B.Z. – Berlin – TIL BIERMANN –   In der Berliner Dreieinigkeitskirche nahmen rund 1200 Afghanen und Iraner das Christentum an. Viele sollen in ihre muslimische Heimat zurück. Etwa 200 Gemeindemitglieder haben sich auf dem Rasen vor der Steglitzer Dreieinigkeitskirche versammelt. Sie alle sind vom Islam zum Christentum übergetreten.

Und sie alle haben in den vergangenen Wochen Abschiebebescheide vom Bundesamt für Migration und Flucht (BAMF) erhalten. Darauf steht, dass die afghanischen und iranischen Staatsbürger innerhalb einer Woche das deutsche Staatsgebiet verlassen müssen. Sonst drohe Zwangs-Abschiebung.

Unter ihnen ist auch Ezzat (19), den B.Z. zu Weihnachten in der Kirche als Krippenspiel-Josef fotografierte. „Es geht mir nicht gut“, sagt er. „In Afghanistan kann ich kein Christ sein.“ Da er in seiner Heimat seinen Glauben nicht ausleben könnte, müsste aus Josef also Yussuf werden.

Als Yussuf taucht zwar nicht Josef von Nazareth, aber der biblische Stammvater Josef aus dem jüdischen Alten Testament („Tanach“) im Koran auf.

Moritz Klimek (32) schreibt gerade seine Masterarbeit in Religionswissenschaften und recherchiert seit längerem an der Steglitzer Kirche, interviewt Konvertiten. „Im Iran droht den Christen politische Verfolgung, in Afghanistan müssen sie Angst vor ihrer eigenen Familie haben“, sagt er.

Wie alle Afghanen und Iraner, die ihren Bescheid bekommen haben, hat Ezzat innerhalb der Gnadenfrist-Woche einen Anwalt eingeschaltet, der dagegen klagt. Nun kann es aufgrund der Justizüberlastung Jahre bis zu einem Prozess dauern, in denen er nicht arbeiten oder studieren darf. Eine Situation bei der keiner gewinnt.

Nur noch fünf bis zehn Prozent bekommen Asyl

Alleine 2017 gingen beim Berliner Verwaltungsgericht 14512 Klagen und Eilanträge in Sachen Asyl ein. Man kommt kaum hinterher. Sprecher Stephan Groscurth (54): „Wir haben einen großen Berg von Asylverfahren vor uns.“

Das BAMF versucht mittlerweile, die Prozesse in sogenannten „Ankunftszentren“ zu beschleunigen. „Asylanhörung einen Tag nach Ankunft, Entscheidung am Tag darauf“, sagt Martens. Vom BAMF heißt es, dass zwar die Wartezeiten zwischen den einzelnen Schritten des Asylverfahrens deutlich verkürzt worden seien, „nicht aber die Dauer der eigentlichen Beschäftigung mit dem einzelnen Fall.“

Der evangelische Pfarrer Gottfried Martens (54) ist entsetzt. Vor zwei Jahren hätten seine neuen Schäfchen noch eine 100-prozentige „Anerkennungsquote“ gehabt. Daraus wurden 50 Prozent. „Jetzt sind es noch fünf bis zehn Prozent, die Asyl bekommen, ausgewählt wird wie in einer Lotterie“, sagt er. „Das ist eindeutig politisch gewollt.“

Für das BAMF liegt offenbar nahe, dass viele der Konvertiten nicht aus religiösen, sondern asylpolitischen Gründen zum Christentum übertreten. In Ezzats Bescheid steht: „Mangels Glaubhaftmachung einer wahrhaftig erfolgten Konversion ist auch kein Abschiebungsverbot festzustellen.“

Auch, so heißt es da, könne der Antragsteller, ein „gesunder junger Mann“ in Kabul „das wirtschaftliche Existenzminimum“ erreiche trotz dortiger Arbeitslosenquote von „40 %“.

Tatsächlich werden wenige abgeschoben

Wie viele Afghanen und Iraner in Berlin seit Jahresbeginn ihre Abschiebescheide erhalten haben, kann das BAMF noch nicht sagen. Die Zahlen lägen noch nicht vor, heißt es.

Tatsächlich wurden in den Jahren 2016 und 2017 aus Berlin nur insgesamt 39 Afghanen, die straffällig geworden waren, abgeschoben. Und das nicht direkt nach Afghanistan, sondern in Drittstaaten. Das sind europäische Länder, in denen die Asylbewerber zuerst einen Asylantrag stellten, etwa Schweden oder Norwegen. Im gleichen Zeitraum wurden 16 Iraner abgeschoben, davon einer in den Iran.

Pfarrer Martens erzählt von einem afghanischen Konvertiten, der nach Norwegen abgeschoben worden sei und von da nach Afghanistan. „Wir haben noch einmal per Skype mit ihm sprechen können, er hatte Folterverletzungen. Jetzt ist er wahrscheinlich tot.“

Er fühlt sich in seiner Ehre angegriffen. „Der Staat sagt, er wisse nach ein paar Fragen besser, wer ein Christ ist, als die Seelsorger, die jahrelang mit einer Person zu tun hatten.“ Etwa 1200 Afghanen und Iraner sind in seiner Kirche zum Christentum übergetreten. Es gibt wohl kaum eine Berliner Kirche, die an Sonntagen so voll ist.

Er habe kein Interesse an „Scheinkonvertiten“, sagt Martens, man prüfe genau. Wenn alle Stricke reißen und Ezzats Klage nicht erfolgreich sein sollte, will der Pfarrer zu einem letzten, uralten Mittel greifen: Kirchenasyl.

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