12.09.2018 – DW – Im Iran spielt sich derzeit eine Machtprobe zwischen der Ayatollah Chamenei unterstellten Justiz und zwei Aktivisten gegen die Zwangsverschleierung ab. Letztere erhalten Unterstützung – auch aus dem Parlament.
Bereits einen Tag nach seiner Verhaftung am 31. Juni war Farhad Meysami (Artikelbild) in den Hungerstreik getreten. Bekannt wurde das erst Mitte August, nachdem seine Isolationshaft beendet wurde. Er stelle eine “Gefahr für die nationale Sicherheit” dar – der übliche Vorwurf bei der Verhaftung von Andersdenkenden im Iran. Als vermeintlichen Beweis legten die Sicherheitsbehörden nach der Durchsuchung seiner Wohnung ein paar Anstecker vor, bedruckt mit dem Spruch: “Ich bin gegen die Zwangsverschleierung.” Deshalb war Farhad Meysami ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten: Er unterstützte die friedlichen Prostete der Frauen gegen die Zwangsverschleierung.
Eine Woche nach seiner Festnahme riefen die Sicherheitsleute seine Mutter an. “Einmal gegen elf Uhr abends und einmal gegen vier Uhr morgens wurde die alte Mutter von Farhad angerufen. Sie sollte mithören, wie ihr Sohn unter Folter verhört wird. Wo endet die Gewalt der Sicherheitsbehörden?” twitterte der Journalist Morteza Kazemian.
Protest gegen Aushöhlung des Rechts
Farhad Meysami hatte Medizin studiert und schreibt seit Jahren Fachbücher für Abiturienten, die sich auf die Aufnahmeprüfung zum Studium vorbereiten. Er ist eine bei dieser Gruppe bekannte und beliebte Person. Meysami ist außerdem ein treuer Wegbegleiter der iranischen Sacharow-Preisträgerin und Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh. Wie sie glaubt er an Wandel durch friedlichen Widerstand. Sie sitzen nun beide im Gefängnis. Nasrin Sotoudeh wurde schon am 13. Juni verhaftet. Beide befinden sich im Hungerstreik.
Sie protestieren gegen ihre Inhaftierung und dagegen, dass sie keinen freien Zugang zu Anwälten haben. Sie sind politische Gefangene. Laut einer Entscheidung der Justiz dürfen sie ihre Verteidiger nur aus einer Liste von 20 “vertrauenswürdigen” Anwälten aussuchen.
“Das werde ich nicht tun” schreibt Farhad Meysami in einem offenen Brief aus dem Gefängnis. Seit dem 8.September hat er seinen Hungerstreik verschärft und nimmt kein Wasser mehr zu sich. Er wird jeden Tag untersucht, von Medizinern betreut und erhält intravenöse Injektionen.
Inzwischen haben 600 Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Studenten ihn aufgefordert, seinen Hungerstreik zu beenden. An diese gerichtet schreibt er: “Wichtiger als der Hungerstreik einer Person ist das Recht auf ein faires Verfahren”. Er wende sich gegen ein “illegales Vorgehen”, gegen die Liste der handverlesenen Rechtsanwälte, gegen von der Politik gesteuerte Verfahren. Das müsse sich ändern. “Änderungen sind nicht möglich außer durch unsere Entschlossenheit und Solidarität, auf eine beständige, friedliche und manchmal kostspielige Weise.”
Unterstützung aus dem Parlament
Meysamis Forderungen haben durch eine Twitter-Kampagne für seine Freilassung eine breite Öffentlichkeit erreicht. Der Abgeordnete Mahmoud Sadeghi twitterte am 10. September: “Heute hatte ich einen Termin mit der Mutter von Farhad Maysami in meinem Büro. Weil sie krank war, kam ein Freund von ihm, informierte mich über seinen Fall. So weit ich kann, werde ich mich für seine Rechte einsetzten.”
Zahlreiche Abgeordnete wollen gegen die Entscheidung der Justiz vorgehen, sagt der Rechtsanwalt Neamt Ahmadi aus Teheran im Gespräch mit der Deutschen Welle. “Mit einer Liste handverlesener Rechtsanwälte untergräbt die Justiz das Recht. Die Verteidigung hat keine Bedeutung, wenn der Anwalt und der Richter auf einer Seite stehen und die gleiche Meinung vertreten.”
Ob die Abgeordneten die Entscheidung der Justiz ändern können, ist fraglich. Die Justiz im Iran agiert zwar unabhängig von Parlament und Regierung, aber der Justizchef, zurzeit der konservative Hardliner Sadegh Laridschani, untersteht allein dem religiösen Führer Ayatollah Chamenei. Der ist davon überzeugt, dass die Prostete der Frauen gegen die Zwangsverschleierung – wie fast alle andere friedlichen Proteste im Iran – von Feinden im Ausland gesteuert werden.
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