Tausende Menschen sitzen aus politischen Gründen in iranischen Gefängnissen. Die verheerenden Haftbedingungen fördern die Verbreitung des Coronavirus – und bringen die Inhaftierten laut Nasrin Sotoudeh in Lebensgefahr.
17.03.2020 – Spiegel – Von Christoph Sydow – Die inhaftierte iranische Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh fürchtet wegen der Corona-Epidemie um ihr Leben. “Das tödliche Virus wird politische Gefangene oder deren Familien töten”, teilt die 56-Jährige in einer Nachricht mit, die in ihrem Namen auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht wurde. Aus diesem Grund sei sie am Montag in den Hungerstreik getreten.
Sotoudeh bezeichnet ihre Situation im Evin-Gefängnis von Teheran als “Hochrisikosituation”. Es ist eine nationale Notwendigkeit, viele Gefängnisse des Landes zu schließen, einschließlich der Frauenabteilung des Evin-Gefängnisses, fordert Sotoudeh.
Ein Justizsprecher gab am Dienstag in Teheran bekannt, die Regierung habe wegen der Corona-Epidemie 85.000 Häftlinge vorübergehend freigelassen. Unter ihnen ist Nazanin Zaghari-Ratcliffe, die seit 2016 inhaftierte Mitarbeiterin der Journalistenstiftung von Thompson Reuters. Sie wurde mit einer elektronischen Fußfessel für zwei Wochen freigelassen, darf die Wohnung ihrer Familie in dieser Zeit aber nicht verlassen. Sotoudeh muss hingegen weiter in Haft bleiben.
Sotoudeh gehört zu den renommiertesten Menschenrechtsaktivistinnen in Iran. Sie arbeitete hauptsächlich als Anwältin für Dissidenten und wurde wegen ihrer Tätigkeit seit 2010 mehrfach zu Freiheitsstrafen verurteilt. Im Jahr 2012 zeichnete das Europaparlament Sotoudeh mit dem Sacharow-Preis aus. Der damalige Parlamentschef Martin Schulz (SPD) würdigte die Anwältin für ihren “mutigen und großzügigen” Einsatz für Oppositionelle und kritische Journalisten.
Kurz vor ihrer jüngsten Verhaftung 2018 hatte sie die Verteidigung zweier junger Frauen übernommen, die gegen das Kopftuchgebot protestiert hatten und in Haft gekommen waren.
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