Noch mehr Todesopfer bei Protesten im Iran

24.09.2022 -tagesschau- Nach dem Tod einer jungen Frau lassen die Proteste im Iran nicht nach – trotz des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte. Aktivisten sprechen inzwischen von 50 Toten. Unerwartete Unterstützung kommt nun aus den USA.

Bei den Protesten im Iran sind laut Berichten iranischer Staatsmedien inzwischen mehr als 30 Menschen getötet worden. “Die Zahl der Todesopfer bei den jüngsten Unruhen im Land ist auf 35 gestiegen”, berichtete die mit dem Sportministerium verbundene Nachrichtenagentur Borna unter Berufung auf das Staatsfernsehen.

Bisher hatten die iranischen Behörden die Zahl der Toten offiziell mit 17 angegeben. Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) mit Sitz in Oslo ging bis Freitag von mindestens 50 Toten aus.

 Demonstrationen auch in der vergangenen Nacht

Gestern hatten sich nach den Freitagsgebeten in der Hauptstadt Teheran eine Gegendemonstration formiert, deren Teilnehmer gegen die Unruhen protestierten. Die iranische Regierung erklärte, Demonstrationen zu ihrer Unterstützung seien spontan erfolgt.

 In der Nacht soll es laut zunächst unbestätigten Informationen landesweit auch zu erneuten Demonstrationen gegen das islamische System gekommen sein.

Im Norden des Landes wurden nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna mehr als 700 Personen nach Protesten festgenommen. Die Agentur zitiert den Polizeichef der Provinz Gilan, Asisiollah Maleki, mit den Worten: “Wir haben 739 Krawallmacher, unter ihnen auch 60 Frauen, festgenommen und inhaftiert.” Den Festgenommenen wird unter anderem vorgeworfen, Polizisten verletzt haben.

Proteste nach Tod von Amini

Seit einer Woche gehen im islamistisch regierten Iran Hunderttausende Menschen auf die Straße. Auslöser ist der Tod der 22 Jahre alten Iranerin Mahsa Amini. Sie wurde vor einer Woche von der Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderordnung festgenommen.

Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar. Jedenfalls fiel sie ins Koma und starb am Freitag vergangener Woche in einem Krankenhaus.

Innenminister bestätigt Angaben der Polizei

Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück und behauptet, Amini sei wegen eines Herzfehlers ins Koma gefallen und gestorben.

Laut Nachrichtenagentur Irna bestätigte der iranische Innenminister Ahmad Wahidi die Angaben der Polizei. Die medizinischen Untersuchungen und jene der Gerichtsmedizin hätten gezeigt, dass es weder Schläge seitens der Polizei noch einen Schädelbruch gegeben habe, so der Minister.

Die Schlüsse in diesem Fall und die darauf folgenden Proteste seien daher auf der Basis von falschen Interpretationen entstanden.

Geheimdienst: Mehrere Anschläge vereitelt

Bei den andauernden Protesten, die sich gegen das gesamte islamische System und dessen Vorschriften richten, vereitelte der iranische Geheimdienst eigenen Angaben zufolge mehrere Bombenanschläge. Die Anschläge seien von Monarchisten und Mitgliedern der Volksmudschaheddin in der Stadt Täbris im Nordwesten des Landes geplant worden, hieß es in einem Geheimdienstbericht laut der Nachrichtenagentur Mehr. Die Tatverdächtigen konnten demnach festgenommen werden.

Der Iran behauptet, dass die Demonstrationen vom Ausland und iranischen Exilgruppen gesteuert würden, um das Land zu schwächen oder gar die Regierung zu stürzen. Der Fall Amini sei daher nur eine Ausrede.

“Proteste ja, Unruhen nein”, sagte Präsident Ebrahim Raisi. Er werde nicht zulassen, dass Krawallmacher und “vom Ausland bezahlte Söldner” die Sicherheit des Landes gefährdeten. Daher sollten Polizei, Armee, Revolutionsgarden und auch die Justizbehörde konsequent durchgreifen.

Die Demonstranten, hauptsächlich Frauen, weisen diese Behauptungen zurück.

Musk will Starlink aktivieren

Um die landesweiten Proteste einzudämmen, drosselt die iranische Regierung den Zugang zum Internet und schaltet es zeitweise auch ganz ab. Insbesondere mobile Netzwerke sind weitgehend abgeschaltet. Auch Instagram als eines der letzten freien sozialen Netzwerke wurde gesperrt. Einige reichweitenstarke iranische Nachrichtenportale, die über die Proteste berichtet hatten, waren im Ausland nicht mehr erreichbar.

Tesla-Chef und SpaceX-CEO Elon Musk will deshalb seinen Starlink-Satellitenbreitbanddienst für die Menschen im Iran aktivieren. Dies schrieb Musk am Freitag auf Twitter. Er hatte bereits am Montag mitgeteilt, er wolle eine Ausnahme von den Iran-Sanktionen für seinen Starlink-Service beantragen.

Auch US-Außenminister Antony Blinken kündigte an, die USA hätten Maßnahmen ergriffen, um den freien Zugang zum Internet im Iran zu verbessern und einen freien Informationsfluss zu ermöglichen. Nach Angaben des US-Finanzministeriums will die US-Regierung den Internetzugang für Iraner ausbauen – trotz der bestehenden Sanktionen.

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