Iran: Die Macht der Sittenpolizei

19.10.2022 – Tagesschau- Uwe Lueb ARD-Studio Istanbul – Die EU hat Sanktionen gegen Irans sogenannte Sittenpolizei verhängt. Diese soll in der Bevölkerung unter anderem die Kopftuchpflicht durchsetzen – und verbreitet durch ihr Vorgehen Angst und Schrecken.
Vier Männer überwältigen eine Frau und zerren sie in ein Auto. Einer schießt um sich, um diejenigen zu vertreiben, die der Frau helfen wollen. Szenen wie diese finden sich zuhauf in sozialen Medien. Die Echtheit der Aufnahmen lässt sich nicht überprüfen, aber sie decken sich mit Berichten über das teilweise Vorgehen der sogenannten Sittenpolizei.
Unter dem früheren iranischen Präsidenten Hassan Rouhani sei es insgesamt “einigermaßen locker” und die “Sittenpolizei” noch nicht so streng wie jetzt gewesen, sagt die Kölner Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur. Gerade deshalb habe Rouhanis Nachfolger Ebrahim Raisi, als er 2021 an die Macht kam, gesagt, das könne so nicht angehen – auch in Bezug auf das Kopftuch. Gerade hier habe Raisi gegen die lockeren Sitten, die unter Rouhani Einzug gehalten hätten, verschärft vorgehen wollen.
Vor allem wenn Frauen ihr Kopftuch gar nicht oder nicht richtig tragen, wird die “Sittenpolizei” aktiv. Schon vor ihr gab es Patrouillen und ganz früher den “Muhtasib”, der aber eher kontrollieren sollte, ob bei Geschäften das islamische Recht eingehalten wurde.
Immer wieder brutale Festnahmen
Die heutige sogenannte Sittenpolizei im Iran existiert in ihrer jetzigen Form seit 2005. In dem Jahr wurde sie auf einen Beschluss des “Obersten Revolutionsrates” eingerichtet, den der Präsident leitet. Mit der konkreten Umsetzung ist das Ministerium für Kultur und Islamische Führung beauftragt. Beteiligt sind auch das Innenministerium und die Polizei.
Zu Beginn, sagt ein Polizist, gehe es nur darum, Frauen ohne Kopftuch zu warnen. Aber auch Männer werden ermahnt, etwa keine kurzen Hosen oder T-Shirts zu tragen. Doch im Mittelpunkt steht das Kopftuch – es ist nicht nur ein Stück Stoff, sondern für die Protestierenden von heute das Symbol für viel mehr, erklärt Amirpur:
Dann steht das Kopftuch eben dafür, dass man nicht nur als Frau unterdrückt wird, sondern dass die Menschen alle unterdrückt werden, weil man ihnen die Rechte nimmt – sei es nun das Recht, auf der Straße zu tanzen oder das Recht, seine Muttersprache in der Schule zu lernen.
Schon lange wächst das Misstrauen gegenüber der “Sittenpolizei”. Immer wieder werden Frauen brutal abgeführt. Und mitunter, berichten Iraner, werden Menschen zur Anzeige oder vorgeblich nur zum Umziehen in einen Transporter der Sittenpolizei gebeten, der sie dann aber direkt zu weiteren Verhören oder Schlimmeren bringe.

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