25. Oktober 2014-RP- Teheran. Der Fall der Iranerin Rejhaneh Dschabbari hat viele Menschen im Iran und in aller Welt bewegt. Am Samstag wurde die 26-Jährige wegen Mordes hingerichtet – für eine Tat, deren Umstände weiter im Dunkeln liegen. Viele Fragen bleiben offen. "Ich weiß nicht, ob ich traurig oder wütend sein soll", schreibt die Mutter von Rejhaneh Dschabbari auf ihrer Facebook-Seite. Am Vorabend der Hinrichtung habe ihre Tochter vor Angst Fieber bekommen. "Mit Fieber taumelte sie dann auch heute zum Strang."
Für die Iranerin Rejhaneh Dschabbari begann das Martyrium vor sieben Jahren mit dem Auftrag eines Mannes, der seine Wohnung in Nordteheran neu dekoriert haben wollte. Es endete für die 26-Jährige am Samstag mit dem Tod am Strang. Vieles, was dazwischen geschehen ist, bleibt auch nach ihrer Hinrichtung ein Geheimnis.
Der Kunde habe versucht, sie in seiner Wohnung zu vergewaltigen, gab die junge Frau an. Sie habe sich gewehrt und den Angreifer dann in Notwehr mit einem Messer getötet.
Die Polizei kam bei ihren Ermittlungen zu einem anderen Ergebnis. Es habe keinerlei Spuren einer Vergewaltigung gegeben. Der Mann sei von hinten – angeblich beim Beten – erstochen worden. Außerdem gebe es Zeugen, die gesehen haben sollen, wie sie das Messer zwei Tage zuvor gekauft hatte. Weiterhin soll sie mit ihrem Handy eine Textnachricht an eine Freundin geschickt und ihre Tat angekündigt haben.
"Es gab in der Tat sehr viele Widersprüche", kommentiert eine mit dem Fall vertraute Anwältin in Teheran die Aussagen der Frau. Keine junge Iranerin – damals war Dschabbari erst 19 Jahre alt – würde beispielsweise in dem islamischen Land alleine in die Wohnung eines wildfremden Mannes gehen. Auch dass sie ihn von hinten erstochen habe, mache bei einer Vergewaltigung keinen Sinn.
Die genaue Identität des Opfers ist unklar. Es ist von einem Arzt die Rede, aber auch von einem Agenten des Geheimdienstes. "Das spielt zwar bei einem Mord keine große Rolle, aber zumindest bei der Aufklärung der Zusammenhänge", so die Anwältin.
Den Fakten nach sollte man eher von einem Beziehungsdrama mit einer Kurzschlussreaktion ausgehen. Aber die Affäre eines verheirateten Beamten in der islamischen Administration mit einer 19-Jährigen – und das noch in einer heimlichen Junggesellenwohnung – sollte wohl doch lieber nicht ans Licht kommen, meint die Anwältin.
Der UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran, Ahmed Schahid, äußerte sich im April ernsthaft besorgt, dass Dschabbari kein faires Verfahren erhalten habe könnte. Das Urteil basiere möglicherweise auf durch Folter erzwungenen Geständnissen. Andere Menschenrechtler beklagten, dass Beweise zurückgehalten worden seien.
Wut richtet sich gegen die Familie des Getöteten
Die Hinrichtung hätte dennoch verhindert werden können. Im Iran gilt das "Ghessas-Gesetz", wonach die Familie eines Opfers sowohl ein Recht auf Vergeltung als auch auf Begnadigung hat. Doch die Kinder des Opfers wollten keine Begnadigung, weil sie nicht nur den Vater verloren hatten, sondern auch mit den Vergewaltigungsvorwürfen der Frau gegen ihn leben müssen. Die hätten den Ruf der Familie für immer beschädigt, sagt der ältere Sohn.
Die Sympathien der Iraner lagen in sozialen Netzwerken mehrheitlich auf der Seite Dschabbaris. Die Wut richtete sich nicht gegen die iranische Justiz, sondern gegen die Familie des Opfers, weil sie trotz mehrerer Vermittlungsversuche der Justiz eine Begnadigung abgelehnt hatte.
Eine Frau richtete sich an die Kinder des Mannes und schrieb sarkastisch: "Seid stolz auf euren Vater, der nach jedem Gebet junge Mädchen verführte und sie sexuell ausnützte, und den ihr immer noch als fromm anseht."
Quelle: dpa
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