Kuppelnde Mullahs | Iran startet erste
staatliche Dating-Website

22. Juni 2015 – BILD – Von Antje Schippmann – Jetzt wollen die Mullahs auch in die Partnersuche eingreifen.
„Finde Deine Bestimmung“ heißt die erste staatliche Online-Datingseite, die iranischen Singles künftig den Partner fürs Leben vermitteln soll. Wer auf Profilbilder oder Angaben zu Hobbys und Musikgeschmack hofft, wird enttäuscht: Hier wird der oder die Passende nicht über Algorithmen oder Attraktivität vermittelt, sondern von „Ehestiftern“ ausgesucht – von Geistlichen, Ärzten und Lehrern.

Mit ihrer neuen Kuppel-Initiative wollen die Mullahs den sinkenden Heirats- und Geburtenzahlen sowie den mehr als 300 „sittenwidrigen“ privaten Partnerbörsen entgegenwirken. Staatliche Versuche, diese zu schließen, erwiesen sich bislang als nutzlos, weil für jede gelöschte Seite eine neue gegründet wurde.

Ganze 100 000 Hochzeiten sollen im kommenden Jahr durch diese Seite vermittelt werden, verkündete der stellvertretende Minister für Jugend und Sport, Mahmud Golsari, bei der Präsentation der Seite in Teheran. Dem Land drohe sonst eine „Familienkrise“ – es gebe zu viele Unverheiratete, und das bedeute „keine Familien und keine Kinder“. Die nun gestartete Initiative sei „längst überfällig


Ein Jahr lang hatten die Behörden die Seite mit 130 Ehestiftern schon getestet, amtlichen Angaben zufolge hätten sie dabei zu Begegnungen zwischen 3000 Männern und Frauen und 100 Eheschließungen beigetragen. Im Iran leben rund elf Millionen unverheiratete junge Erwachsene.

Neue Familienpolitik unterdrückt Frauen weiter

Die staatliche Partnerbörse ist Teil eines größeren politischen Programms, um junge Iraner zu Heirat und Familiengründung zu drängen und Frauen in die traditionelle Rolle als Ehefrau und Mutter zu zwingen.

Hintergrund: eine Direktive des Obersten Rechtsgelehrten und Staatsoberhauptes des Iran, Ajatollah Ali Khamenei, vom Mai 2014, die vorsieht, die Bevölkerung von 77 Millionen auf 150 Millionen zu verdoppeln.

Freiwillige Sterilisation und Werbung für Verhütung wurden erst vor wenigen Wochen verboten, Abtreibungen sind ohnehin nicht erlaubt und dürfen nur durchgeführt werden, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist.

Auch die Diskriminierung von unverheirateten Frauen auf dem Arbeitsmarkt wurde durch neue Gesetze verschärft. Für einige Berufe ist ein Trauschein jetzt Voraussetzung, viele Studiengänge sind nur noch für männliche Studenten zugelassen. Und im April hat das Ministerium für Kultur und Islamische Führung das einzige Frauenmagazin des Landes geschlossen.


„Die Zahl der studierenden und berufstätigen Frauen war gestiegen, zeitweise stellten Frauen sogar die Mehrheit der Neueinschreibungen an Universitäten. Jetzt werden selbst die kleinen Freiheiten wieder zunichte gemacht“, sagt Dieter Karg, Iran-Experte von Amnesty International, zu BILD.

Kontrolle über Dating-Plattform

Im Netz gibt es darüber hinaus den Verdacht, dass diese Partnerbörse als Instrument der Überwachung genutzt werden könnte, da zahlreiche Fragen gestellt werden, von denen einige die Loyalität zur islamischen Führung erfragen.
So wird zum Beispiel nach politischen Ansichten gefragt, welchem Ajatollah man folge, ob man Satellitenfernsehen schaue oder ob man gern im Ausland leben würde.

Zwölf Jahre Haft für eine Karikatur

Besonders zynisch wirkt die Kuppel-Webseite auch, weil andere soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter im Iran strikt verboten sind. Mit Spezialeinheiten verfolgt das iranische Regime Nutzer, die dort kritische Inhalte, Karikaturen oder auch nur ein „Happy“-Video verbreiten.
Und wer Kritik an der Familienpolitik des Regimes übt, muss mit drakonischen Strafen rechnen:

► Eine Frau, die für ihren Protest bitter bezahlen muss, ist Atena Farghadani. Die 28-jährige Karikaturistin und Aktivistin hatte sich für die Rechte von Frauen eingesetzt und in einem Cartoon die neuen Gesetze kritisiert.

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Anfang Juni wurde sie zu 12,5 Jahren Haft verurteilt.


Es gehe Atena gesundheitlich sehr schlecht, berichten Menschenrechtler, sie soll schon einen Herzinfarkt im Gefängnis erlitten haben.

Beteiligen Sie sich hier am Protest für Atenas Freilassung

► Nur einen Monat zuvor war eine andere Aktivistin, Atena Daemi, zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Kinder- und Frauenrechtlerin hat bei Facebook die im Iran geltende Zwangsverschleierung für Frauen und die Todesstrafe kritisiert.
„Die Menschenrechtssituation im Iran ist eine Schande – auch wenn westliche Fürsprecher des sich anbahnenden Atom-Deals sie gern beschönigen und argumentieren, dass ein Abkommen den ,moderaten‘ Kräften im Iran innenpolitisch helfen würde“, warnt Politikwissenschaftler und Iran-Experte Emanuele Ottolenghi im BILD-Gespräch.

Der Experte weiter: „Das Problem ist doch: Unter der Regierung des ,moderaten’ Präsidenten Rouhani wurde die Karikaturistin Atena Farghadani zu zwölf Jahren Haft verurteilt, weil sie einen Cartoon gezeichnet hat; unter seiner Herrschaft sind die Hinrichtungszahlen angestiegen, Frauen weiterhin von Sportveranstaltungen ausgeschlossen und Bahai und andere Minderheiten dem willkürlichen, tyrannischen und grausamen Regime schutzlos ausgeliefert.“

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