Kolumne für Menschenrechte | Im Todestrakt wegen 
eines Facebook-Posts

Der Iraner Soheil Arabi mit Frau und Kind Foto: Privat

22. Juni 2015 – BILD – Von ANTJE SCHIPPMANNEin zum Himmel schreiender Skandal – über den bisher erschütterndes Schweigen herrscht …
Soheil Arabi (30), Fotograf und Vater einer fünfjährigen Tochter, wurde wegen eines Facebook-Posts im Iran zum Tode verurteilt. Im November 2013 verhafteten iranische Revolutionsgardisten ihn und seine Frau in der gemeinsamen Wohnung. Der Vorwurf: Er habe in einem Beitrag den Propheten beleidigt.

Seine Frau wurde wieder freigelassen, doch Soheil Arabi wurde im berüchtigten Evin-Foltergefängnis im Norden Teherans in Einzelhaft gesteckt. Revolutionsgarden erpressten sein „Geständnis“, berichtet die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

Der Fotograf Soheil Arabi (30) wurde im Iran zum Tode verurteilt, weil er in einem Facebook-Post den Propheten beleidigt haben soll Foto: Privat

Im August 2014 fiel das Urteil gegen ihn. Im November 2014 bestätigte der Oberste Gerichtshof das Urteil und fügte noch die Verurteilung wegen „verderblicher Äußerungen“ an, wodurch eine Begnadigung unmöglich geworden ist, berichten Menschenrechtsorganisationen.

Jetzt wartet er im Todestrakt auf die Vollstreckung. Soheil Arabi soll vom iranischen Regime durch Erhängen getötet werden!
Soheil Arabis Frau, Nastaran Naimi, hat ihrer fünfjährigen Tochter noch nicht gesagt, dass ihr Vater im Gefängnis ist und jeden Tag hingerichtet werden kann. „Wir haben ihr gesagt, dass er für die Arbeit weg musste“, sagte sie gegenüber Human Rights Watch.

Ruth Jüttner, Referentin für den Mittleren Osten bei Amnesty International, zu BILD: „Es ist schockierend, dass Soheil Arabi die Hinrichtung durch den Strang nur wegen Internet Beiträgen droht, die von den iranischen Behörden als beleidigend aufgefasst werden.

Die Internetüberwachung hat zugenommen und wir stellen mit großer Sorge fest, dass Blogger und Anwender sozialer Netzwerke wegen Beiträgen im Netz hart bestraft werden. Angesichts der verschärften Repression gegen freie Meinungsäußerung im Internet ist es umso wichtiger, direkt bei den iranischen Behörden zu protestieren.“

Soheil Arabi ist kein Einzelfall

Das iranische Regime tritt Menschenrechte seit seiner Gründung 1979 mit Füßen: Es lässt Homosexuelle, Vergewaltigungsopfer und Oppositionelle hinrichten, verfolgt religiöse Minderheiten, diskriminiert Frauen – und doch werden seine Führer auf dem internationalen Parkett hofiert!


Das „Iran Human Rights Documentation Center“ bemüht sich, alle Hinrichtungen durch das Regime zu dokumentieren. Im Jahr 2014 haben sie 721 Hinrichtungen verzeichnet, von denen 268 öffentlich bekanntgegeben wurden. Und allein in diesem Jahr seien es schon 127 gewesen, 37 davon offiziell bestätigt.

Die Zahl der Hinrichtungen steigt kontinuierlich von Jahr zu Jahr. Seit dem Amtsantritt des oft als „moderat“ bezeichneten Präsidenten Hassan Rohani gibt es einen regelrechten Schub.

Unter Todesstrafe stehen unter anderem Gotteslästerung, Abfall vom Glauben, „politische Vergehen“, Ehebruch und Drogendelikte. Mehr als 4000 Homosexuelle hat das Regime schon hinrichten lassen, schätzen Menschenrechtler. Selbst Minderjährige werden im Iran zum Tode verurteilt.

Vollstreckt werden die Urteile meist durch Erhängen, Erschießen, Steinigung oder auch Enthauptung. Oft werden die Hinrichtungen öffentlich vollzogen, teilweise mehrere Verurteilte gleichzeitig ermordet.

Meinungsäußerung unter Lebensgefahr

Der Iran gilt als das größte Gefängnis der Welt für die freie Presse: Mindestens 50 Journalisten und Blogger sitzen derzeit in iranischen Gefängnissen, berichten Reporter ohne Grenzen. In ihrem Ranking der weltweiten Pressefreiheit belegt der Iran den Platz 173 von 180.

Besonders auf Facebook verfolgen die gefürchteten Revolutionsgarden alle, die ihnen missfallen: Im Mai 2014 wurden vier Männer und drei Frauen verhaftet, weil sie eine eigene Version des „Happy“-Songs von Pharrell Williams ins Netz gestellt hatten.

Acht Facebook-Nutzer wurden im gleichen Monat zu Haftstrafen von bis zu 21 Jahren verurteilt, weil sie den Staat beleidigt und sich gotteslästerlich geäußert haben sollen.

Unter dem Titel „Operation Spinne“ verfolgt eine Spezialeinheit der Revolutionsgarden Facebook-Nutzer und verhaftet jeden, der „Verdorbenheit“ und „westlichen Lebensstil“ verbreitet.

Und dennoch gilt der Iran dem Westen als vertrauenswürdiger Verhandlungspartner …

Warum nähert sich der Westen dem Iran unter Rohani an?

Der italienische Politikwissenschaftler und Iran-Experte Emanuele Ottolenghi verfolgt die Entwicklung seit Jahren. Er kritisiert die Verhandlungen mit dem Iran und sagt, dass sich die Menschenrechtslage unter dem neuen Präsidenten Hassan Rohani keineswegs verbessert habe:
„Das einzige, was sich verändert hat, ist die Toleranz des Westens gegenüber Menschenrechtsverletzungen im Iran. Denn mit einem Atom-Deal in Aussicht und dem Blick auf gute Wirtschaftsbeziehungen spielen die westlichen Akteure die abgrundtief schlechte iranische Menschenrechtsbilanz gerne herunter.“
Und weiter: „Rouhani ist das Aushängeschild, der Poster-Boy des Sicherheitsapparats der Islamischen Republik. Er ist kein Reformer. Er ist nicht moderat. Er ist kein Demokrat. Er ist ein Kleriker, dessen politische Qualifizierung daher stammt, dass er sein gesamtes berufliches Leben lang im repressiven Geheimdienst- und Sicherheitsapparats seines Landes gearbeitet hat.“

Wie steht es um die Opposition?

Ottolenghi bezweifelt, dass der Iran in den nächsten Jahren einen Regime-Change erleben wird. „Ich denke, dass leider jede organisierte und effektive Opposition bei der blutigen Niederschlagung der Proteste nach den Wahlen 2009-2010 vom Regime zerschmettert wurde.“

Wenn ein Wandel im Iran geschehe, dann aus einem ungeplanten Protest heraus, infolge eines Fußballspiels, wegen Brotpreisen oder einem Lehrerstreik wegen unbezahlter Löhne, schätzt der Experte. Und das sei das Problem – der Westen könne nicht seine Iran-Strategie auf der Hoffnung aufbauen, dass ein Funke irgendwann eine neue Revolte entfachen werde.

Mit diesem Verhalten lässt man die bedrängte Opposition im Stich. „Nur wenn wir das Regime einen hohen Preis für sein Verhalten zahlen lassen, können wir den gequälten Dissidenten im Land Trost und Hoffnung spenden.“

Lesen Sie hier, wie Sie gegen die Ermordung von Soheil Arabi durch das iranische Regime protestieren können. Und hier finden Sie die Facebook-Kampagne für seine Freilassung.

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