Iran: Der Autokrat und die Mullahs

Vor vierzig Jahren musste Schah Reza Pahlavi sein Land verlassen. Seine Dynastie wurde getragen vom Interesse des Westens am iranischen Öl. 1979 ließ man ihn fallen.

Prunk ohne moralisches Gewicht: Schah Reza Pahlavi mit Ehefrau Farah Diba und Sohn Cyrus Reza. – Getty Images

18.01.2019- Die Presse- von Günther Haller – Am 16. Jänner 1979 um zwei Uhr nachmittags ging das kaiserliche Paar Irans, Schah Reza Pahlavi und seine Frau, Kaiserin Farah, ein letztes Mal am Teheraner Flughafen Mehrabad über den roten Teppich zum Flugzeug. Der Schah selbst griff zum Steuerknüppel. „Tun Sie das, was Sie für notwendig halten. Ich hoffe nur, dass es keine Toten mehr gibt“, hatte er zuvor zum Offizier der Ehrengarde gesagt. Journalisten erhielten nur eine kurze Erklärung: „Ich fühle mich müde und brauche Ruhe. Meine Reise beginnt heute.“

Er flog ins Exil ins ägyptische Assuan. Die Menschen im Iran wussten, dass er nicht mehr zurückkehren würde, sie stürzten jubelnd aus den Häusern, hupten in ihren Autos, tanzten auf den Straßen. Viele hielten das Porträt ihres neuen Messias, eines bärtigen Geistlichen, in die Höhe. „Der Schah ist fort!“, hießen die Schlagzeilen. „Allah ist mit den Geduldigen“, skandierte die Menge, die mit Straßenschlachten und Demonstrationen die Straßen Teherans schon seit Monaten unfriedlich gemacht hatte.

Das war auch eine Niederlage für den Westen, denn die Geschichte des modernen Iran war auch eine Geschichte des Öls, und das verband das Schicksal des Landes eng mit den großen Mächten. Ende des 19. Jahrhunderts waren es Russen und Briten, die ihre Handelsinteressen in dem gesetzlosen und rückständigen Land vertraten. Die Dynastie der Kadjaren stützte sich auf Kosaken des Zaren. In dieser Brigade meldete sich ein Fünfzehnjähriger, der sich Reza Pahlavi nannte. Er diente sich hoch und machte einen guten Eindruck auf die Briten, die immer präsenter im Land wurden: Sie hatten im Ersten Weltkrieg ihre Flotte von Kohle- auf Ölfeuerung umgestellt und brauchten die persischen Ölquellen.

Die CIA hält ihn an der Macht

Man gab 1921 Reza Pahlavi zu verstehen, dass man nichts gegen ihn auf dem Pfauenthron einzuwenden hätte. Der neue Herrscher legte sich sofort mit den mächtigen Mullahs an, mit denen das Land nicht zu modernisieren war. 1935 wurde Iran die amtliche Bezeichnung des Staates. Verheiratet war der Schah mit einer emanzipierten Frau, sie hatte am 26. Oktober 1919 Mohammed Reza Pahlavi geboren, der 1941 auf Druck der Briten und Russen seinen Vater als Schah ablöste. Dieser hatte es sich mit den Briten verscherzt, weil er selbst über die Ölkonzessionen verfügen wollte.

Der junge Reza Pahlavi wurde zu einem wichtigen Verbündeten (und Waffenabnehmer) der USA, die ab 1944 ihr Interesse am Iran entdeckten und den Schah beim Putsch einer „Nationalen Front“ unter Premierminister Mohammad Mossadegh vor dem totalen Machtverlust bewahrten. Auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs organisierte die CIA eine wahnwitzige Operation, denunzierte Mossadegh als Sowjetfreund, organisierte Schah-freundliche Demonstrationen in Teheran und holte den Herrscher, der ins Ausland geflohen war, zurück.

Das Interesse der Weltpresse erregte der Schah 1967 durch seine Krönung. Offenbar sah er sich als Napoleon des Mittleren Ostens, der sich selbst die Krone aufsetzte. Sein Größenwahn grenzte an die Selbstvergöttlichung eines Ludwig XIV. Reza Pahlavi legte ein unersättliches Verlangen nach außerehelichen Affären an den Tag. Das erregte das Interesse der deutschen Regenbogenpresse, der Schah-Boom begann hier bereits 1951, als er nach einer Ehe mit der Tochter des ägyptischen Königs Fuad Soraya (sie hatte eine deutsche Mutter) heiratete. Von diesem Zeitpunkt an war das persische Kaiserhaus eines der Lieblingsthemen der Postillen, vor allem über „die Tragik einer Kaiserin, die alle Herrlichkeiten der Welt sich beschaffen kann, nur jene eine nicht: das Glück der Mutterschaft“, las man 1958.

Liebling der Regenbogenpresse

Ein Jahr darauf kam die Scheidung, das jahrelang aufgebaute Image vom „Traumpaar“ fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Als nächste Ehefrau folgte Farah Diba, eine junge Architekturstudentin aus niederem persischen Adel. Von nun an war der Fantasie der Journalisten keine Grenze gesetzt, das konfliktreiche Dreieck Farah, der Schah und Soraya bot viel Stoff: „Farah soll den Thron mit Soraya teilen!“ Doch Farah Diba war eine gute Landesmutter, gebar als Thronfolger 1960 Cyrus Reza und noch drei weitere Kinder. Politische Ereignisse wurden in den Illustrierten, wenn überhaupt, nur nebenbei und als Aufhänger des Personenkults erwähnt. Den Schah als Staatsmann und Politiker gab es hier eigentlich gar nicht.

Mit einer „Weißen Revolution“ wollte er das Land zur Industriemacht machen, mit einer Bodenreform und einem Frauenwahlrecht. Ein vom Volk verehrter Religionslehrer aus der heiligen Stadt Ghom, Ayatollah Khomeini, nannte die Reformen „Verbrechen“, ihren Erfinder den „Scheitan“, den Teufel. Der gereizte Schah lud ihn zur Audienz: „Wenn Ihr weiterhin Unruhe macht, ziehe ich die Schuhe meines Vaters an.“ Der Ayatollah: „Die Schuhe deines Vaters sind dir um mehrere Nummern zu groß.“

Gescheitert ist der Schah an seiner Unentschlossenheit, an seinem Mangel an politischen Fähigkeiten und am Widerstand der Mullahs, die die traditionellen Strukturen der Gesellschaft zementierten und gegen die sittenverderbenden Amerikaner im Land mobil machten. Die Gefängnisse wurden voll mit politischen Gegnern, der berüchtigte Geheimdienst, Savak, durchdrang mit 80.000 Agenten die Gesellschaft.

Heftige Erregung ließ sich der Schah nie anmerken, sein zurückhaltendes Verhalten war distinguiert. Geradezu ergriffen wirkte er am 23. Dezember 1973, in einem Saal voll von Journalisten in Teheran. Es war auch ein Augenblick von größter Bedeutung für die Welt. Es ging um die neuen Ölpreise. Innerhalb von nur zwei Monaten war der Preis für Rohöl um das Vierfache gestiegen. Der Iran, der bisher jährlich fünf Mrd. Dollar durch Ölexporte einnahm, erhielt nun 20 Mrd.

In einer seherischen Eingebung wollte er aus dem unterentwickelten Land in kürzester Zeit eine Supermacht erstehen lassen, die „Große Zivilisation“ errichten, eine moderne Armee aufstellen, Fabriken und Atomkraftwerke bauen: „In zehn Jahren werden wir denselben Standard erreicht haben, den heute ihr Deutschen, Franzosen und Engländer besitzt“, sagte er dem „Spiegel“, gab der Welt einige gute Lehren und jagte Hunderte Dekrete vom Palast aus ins Land. Dann fuhr er nach St. Moritz zum Skifahren und ließ sich hofieren von Konzernchefs, die gierig nach Aufträgen waren und sich wenig darum kümmerten, dass sie in den Hauptstädten Europas mit Flugblättern von iranischen Studenten bombardiert wurden, die voll waren von Berichten über willkürliche Verhaftungen und unmenschliche Zustände in den Gefängnissen ihrer Heimat.

Dekadente Megaparty

Der Höhepunkt der Dekadenz war 1971 eine Großveranstaltung in Persepolis zum 30. Jahrestag seiner Thronbesteigung und dem 2500-jährigen Bestehen des Reiches. Alle regierenden Häupter waren eingeladen. Die Prunkentfaltung kostete 300 Millionen Dollar und gab seinen Feinden Munition in die Hand. Moralisches Gewicht hatte er nie viel besessen, nun verlor er auch den letzten Rest. Der Ruf nach Rückkehr des vom Schah ins Exil geschickten Ayatollah Khomeini wurde immer lauter.

Bald hieß es auch im Westen: „Der Schah ist verrückt“, das hing aber eher mit der Entwicklung des Ölpreises und der Opec-Gründung zusammen. Dass die religiöse Inbrunst seines Volkes nun mit so großer Leidenschaft entfacht wurde, hatte Reza Pahlavi nicht geahnt. Es scharte sich um seine Mullahs, er verlor die Kontrolle. Wo die Macht zu bröckeln beginnt, verlieren sich die Freunde. Khomeinis Revolutionsgericht verurteilte ihn 1979 in Abwesenheit zum Tode, er habe Ungerechtigkeit und Korruption zugelassen, eine seelenlose Modernisierung habe die Religion zu zerstören versucht. Seine westlich orientierte Autokratie wurde abgelöst von einer islamischen.

(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 19.01.2019)

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