19.08.2019 – Frankfurter Algemein – Von Christoph Becker – Verkleidet als Männer verfolgten Frauen ein Fußballspiel von Irans Meister Persepolis Teheran. Nun wurden sie dafür über Tage inhaftiert. Ihre Verfolgung durch die Justiz ist auch als Botschaft an die Fifa zu verstehen.
Sicherheitsorgane der Islamischen Republik Iran haben in der vergangenen Woche über Tage fünf Frauen inhaftiert, die im vergangenen Jahr als Männer verkleidet ein Fußballspiel des iranischen Meisters Persepolis Teheran verfolgt hatten. Mit ihnen wurde die mit dem World Press Photo 2019 in der Kategorie Sport ausgezeichnete Fotografin Forugh Alaei festgesetzt. Sie hatte die aufwändige Verkleidung und den Stadionbesuch in einer Fotoreihe dokumentiert.
Ausgezeichnet wurde die 30 Jahre alte Fotografin allerdings für die Fotostrecke „Crying for Freedom“ (Weinen für die Freiheit), in der die Freude und Fußball-Leidenschaft einiger der ausgewählten rund 1000 Frauen dokumentiert wird, denen es im November 2018 beim Rückspiel des asiatischen Champions-League-Finales zwischen Persepolis und Kashima Antlers aus Japan ausnahmsweise gestattet war, das Spiel im Stadion zu verfolgen. Gast im Asadi (deutsch: Freiheit)-Stadion von Teheran war damals auch der Präsident des Internationalen Fußballverbandes Fifa, Gianni Infantino. Seither sind Iranerinnen die Tore von Fußballstadien wieder verschlossen, wenn Männer spielen.
Seit April liegt der Fifa eine Beschwerde von Marjam Schodschaei, der Schwester des Kapitäns der iranischen Weltmeisterschaftsauswahl von 2018, und weiteren Aktivistinnen gegen den iranischen Fußballverbandspräsidenten Mehdi Tadsch vor. Über deren Status verweigerte die Fifa zuletzt im Juli die Auskunft. Infantino hatte in einem Schreiben an den iranischen Fußball-Verband am 9. Juni auf den Mangel an Fortschritt hingewiesen. Seither wurde es zumindest für möglich gehalten, dass die Fifa den iranischen Verband von der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 ausschließen könnte, sollte Iran auch beim ersten Heimspiel am 10. Oktober gegen Kambodscha gegen die Nicht-Diskriminierungsvorschriften der Fifa-Statuten verstoßen und als einziger Staat der Erde eine Geschlechtersegregation aufrecht erhalten.
Der Verband hatte, offenbar um die von Infantino gesetzte Frist des 15. Juli einzuhalten, einer prinzipiellen Öffnung der Stadien bei Länderspielen zugestimmt und zugleich, in der Kenntnis, dass eine Öffnung ohnehin nicht ohne das Plazet der maßgeblichen Kleriker und des obersten geistlichen Führers Ajatollah Ali Chamenei erfolgt, das Schreiben an den iranischen Sportminister weitergereicht. Generalstaatsanwalt Mohamed Dschafar Montaseri hatte in der ersten Augustwoche erklärt, das Stadionverbot gehe die Fifa nichts an. Seit wann beschäftige sich diese damit, ob die Frauen im Iran „nun vom Segen eines Fußballspiels beraubt werden“, fragte Montaseri vor knapp zwei Wochen laut Nachrichtenagentur Isna.
Die Frauen sind inzwischen wieder auf freiem Fuß, gegen Zahlung einer Kaution. Das „Center for Human Rights in Iran“ berichtete, die sechs Frauen seien am 12. August in Teheran vernommen worden, andere Quellen sprechen vom 13. August. Sie wurden im Frauengefängnis von Qartschak, einem südlichen Vorort von Teheran, festgehalten. Ihre Verfolgung durch die Justiz ist zumindest auch als Botschaft derjenigen an die Fifa zu verstehen, die in einer Öffnung der Stadien für Frauen einen weiteren Autoritätsverlust der Sicherheitskräfte bei der Durchsetzung der Gesetze hinsichtlich der Geschlechter- und Kleidervorschriften der Islamischen Republik sehen.
In den vergangenen Monaten wurden wiederholt auch Frauen eingesperrt, die das Gebot zum Tragen eines Hedschab und anderer Kleidungsvorschriften demonstrativ ignoriert und ihre Haltung in sozialen Netzwerken dokumentiert haben. Ähnlich hielten auch als Männer verkleidete Frauen in Fußballstadien immer häufiger ihre Besuche fest. Von den Sicherheitsorganen wird das als Herausforderung begriffen, Festnahmen prominenter Frauenrechtlerinnen sind auch als Warnung an weniger mutige Gleichgesinnte gedacht.
Viele empfinden das Stadionverbot als peinlich
Allerdings dürfte eine Verfolgung der Fußballanhängerinnen durch die Justiz unweigerlich die Stimmen derjenigen stärken, die von der Fifa und dem asiatischen Fußball-Verband AFC nach Jahrzehnten der Verstöße gegen die Statuten durch den iranischen Verband spürbare Konsequenzen fordern. Selbst in der gegenwärtigen politischen Lage, in der die latente Gefahr eines Kriegs mit den Vereinigten Staaten und die immense Last der Wirtschaftssanktionen eine gewisse Galvanisierung auch ansonsten regimekritischer Iraner mit der Führung des Landes zur Folge hat, ist von Fußballanhängern zu hören, dass sie angesichts der von vielen als peinlich empfundenen Aufrechterhaltung des Stadionverbots Sanktionen gegen den iranischen Fußballverband nachvollziehen könnten. Herausragende Köpfe der Sicherheitsnomenklatur wie Montaseri haben es zumindest bei ihnen schwer, eine etwaige Sperre als weitere politische Verschwörung der Antagonisten der Islamischen Republik zu verkaufen.
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