26.10.2022 -tagesschau- 40 Tage nach dem Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini sind Menschenmengen zu ihrem Grab in Saghes gezogen. In Teheran kam es zu Protesten vor der Ärztekammer und an Universitäten.
Von Uwe Lueb, ARD-Studio Istanbul
Die ersten Menschen waren schon am Morgen zum Grab von Mahsa Amini in der Stadt Saghes im kurdischen Nordwesten des Landes gekommen. Wenig später waren es nach nicht überprüfbaren Videoaufnahmen Hunderte, die immer wieder “Freiheit!” riefen. Viele waren zu Fuß gegangen, die Zufahrtsstraßen waren nach übereinstimmenden Berichten gesperrt und Schulen sowie Universitäten in der ganzen Region geschlossen – offenbar aus Sorge vor größeren Protesten, offiziell, um eine Grippewelle einzudämmen.
Auch Aminis Familie hatte dazu aufgerufen, nicht ans Grab zu gehen. Sie soll von den Behörden unter Druck gesetzt worden sein. Doch immer mehr Menschen zog es zum Grab. Im Internet kursierten den ganzen Tag über Videos von Tausenden auf dem Weg dorthin, die die Parolen der Protestbewegung rufen.
Einige behaupten auch, der berühmte iranische Fußballer und Trainer Ali Daei sei unter ihnen gewesen. Angeblich war er noch am Vorabend in einem Hotel festgesetzt worden. Die Demonstrierenden sollen vom Grab zu Regierungsgebäuden in Saghes gegangen sein. Später waren auf Videos im Internet brennende Blockaden zu sehen. Eine Straßenkreuzung ist mit Steinen übersät, es sind Schüsse zu hören.
Schlägereien an Universitäten
In Teheran versammelten sich am Mittag Menschen vor dem Gebäude der Ärztekammer, unter ihnen sollen viele Mediziner sein. Augenzeugen berichteten von Hunderten – und von Polizeigewalt: Mit Tränengas, Plastik und Gummigeschossen trieben Sicherheitskräfte demnach die Demonstrierenden auseinander. Umliegende Geschäfte hatten geschlossen.
An Universitäten kam es zu Schlägereien, weil Sicherheitskräfte auf Studierende losgingen, die in ihre Uni wollten – so ist es in verschiedenen Videos zu sehen.
Das Vorgehen des Staates sei immer wieder gleich, sagte der iranisch-US-amerikanische Journalist Borzou Daragahi der ARD:
“Sie gehen mit Gewalt und Festnahmen vor. Sie gehen gezielt gegen Leute auf den Straßen vor oder gegen bekannte Aktivisten, die sie verdächtigen, hinter den Protesten zu stecken. Und sie setzen jetzt Waffen ein, die weniger tödlich sein sollen.”
Zehntausende auf den Straßen
Doch die Demonstrierenden reagieren ihrerseits: Am frühen Nachmittag brannten die ersten Müllcontainer und Barrikaden in den Straßen Teherans. Fotos sollen belegen, dass Protestierende große und schwere Gegenstände vom Dach eines Gebäudes auf Polizisten warfen.Ob alle Protestierenden dasselbe Ziel verfolgen, lässt sich nicht einschätzen. Für Daragahi ist aber klar, dass sie nur Erfolg haben werden, wenn sie mehr werden: Es seien gerade vielleicht Zehntausende – nötig seien Millionen.
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