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Drohende Hinrichtung

06. Februar 2015 – Amnesty international.de – Der Iraner Saman Naseem könnte bereits am 19. Februar hingerichtet werden. Er war in einem unfairen Verfahren wegen Verbrechen zum Tode verurteilt worden, die er im Alter von 17 Jahren begangen haben soll. Die Familie von Saman Naseem hat verlässliche Informationen darüber erhalten, dass er am 19. Februar hingerichtet werden soll. Nach Kenntnisstand von Amnesty International haben die Behörden seinem Rechtsbeistand die weitere Vertretung von Saman Naseem untersagt und diesem nicht gestattet, einen neuen Rechtsbeistand zu bestellen.

Saman Naseem war im April 2013 von einem Strafgericht in Mahabad in der Provinz West-Aserbaidschan wegen “Feindschaft zu Gott” (moharebeh) und “Verdorbenheit auf Erden” (ifsad fil-arz) zum Tode verurteilt worden. Grund dafür waren seine Mitgliedschaft in der bewaffneten kurdischen Oppositionsgruppe “Partei für ein Freies Leben in Kurdistan” (PJAK) und seine Teilnahme an bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Revolutionsgarden. Das gegen ihn verhängte Todesurteil wurde im Dezember 2013 durch den Obersten Gerichtshof des Iran bestätigt.
Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass Saman Naseem zu Beginn der Ermittlungen zugegeben haben soll, im Juli 2011 Schüsse in die Richtung der Revolutionsgarden abgegeben zu haben. Diese Aussage zog er allerdings in der ersten gerichtlichen Anhörung zurück und sagte stattdessen, er habe nur in die Luft geschossen. Zudem gab er an, sich des Inhalts der schriftlichen “Geständnisse” nicht bewusst gewesen zu sein, die er unter Zwang unterzeichnet hatte, da ihm während des gesamten Verhörs die Augen verbunden gewesen seien. Saman Naseem hatte zu Beginn der Ermittlungen keinen Zugang zu seinem Rechtsbeistand. Außerdem gab er an, gefoltert worden zu sein, indem man ihn längere Zeit kopfüber aufgehängt habe.
SCHREIBEN SIE BITTE
E-MAILS, TWITTER-NACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
    •    Ich bitte Sie eindringlich, die Hinrichtung von Saman Naseem zu stoppen und unverzüglich ein Wiederaufnahmeverfahren anzuordnen.
    •    Außerdem möchte ich Sie daran erinnern, dass der Iran Vertragsstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes ist, welche die Verhängung der Todesstrafe gegen Personen, die zum Tatzeitpunkt jünger als 18 Jahre alt waren, ausdrücklich verbieten.
    •    Bitte untersuchen Sie die erhobenen Folter- und Misshandlungsvorwürfe und stellen Sie sicher, dass durch Folter erzwungene “Geständnisse” nicht als Beweismittel vor Gericht zugelassen werden.
APPELLE AN
RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed ‘Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street – End of Shahid
Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info_leader@leader.ir
Twitter: @khamenei_ir
OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[c/o] Public Relations Office
Number 4, 2 Azizi Street intersection
Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
KOPIEN AN
PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
The Presidency
Pasteur Street
Pasteur Square
Tehran
IRAN
Twitter: @HassanRouhani (Englisch)
@Rouhani_ir (Persisch)
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 19. Februar 2015 ankommen. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Spanisch, Französisch oder auf Deutsch.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Am 20. November 2014 trat Saman Naseem gemeinsam mit 23 Mitgefangenen, die wie er der kurdischen Minderheit im Iran angehören, in den Hungerstreik, um gegen die Haftbedingungen in Trakt 12 des Zentralgefängnisses von Urmia in der Provinz West-Aserbaidschan zu protestieren. In diesem Gefängnistrakt werden die politischen Gefangenen untergebracht. Als Gegenmaßnahme drohten die Behörden damit, die Hinrichtung von Saman Naseem und neun weiteren Todestraktinsassen umgehend auszuführen. Nach 33 Tagen beendeten die Männer den Hungerstreik, nachdem man ihnen zugesichert hatte, ihre Forderungen zu erfüllen.
Saman Naseem wurde am 17. Juli 2011 im Zuge einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den iranischen Revolutionsgarden und der PJAK in Sardasht in der Provinz West-Aserbaidschan festgenommen. Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass bei dieser Auseinandersetzung ein Angehöriger der Revolutionsgarden getötet und drei weitere verletzt wurden. Im September 2011 wurde Saman Naseem gezwungen, ein “Geständnis” abzulegen, welches gefilmt und anschließend im iranischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde. Vor Gericht gab er an, dass ihm während der Verhöre die Augen verbunden worden seien und man ihn kopfüber an der Decke aufgehängt habe. Die Vernehmungsbeamt_innen sollen zudem seine Fingerabdrücke auf das “Geständnis” aufgebracht haben, dessen Inhalt ihm unbekannt war. Außerdem gab er an, dass ihm die Zeh- und Fingernägel gezogen worden seien und dass man ihm Schläge zugefügt habe, durch die er Hämatome an Rücken, Beinen und Bauch davongetragen habe. Das Gericht wies seine Aussagen zurück und ließ die Verwendung des “Geständnisses” als Beweismittel zu.
Saman Naseem war ursprünglich im Januar 2012 von einem Revolutionsgericht zum Tode verurteilt worden. Dieses Urteil wurde jedoch im August 2012 vom Obersten Gerichtshof aufgehoben und sein Fall für eine Neuverhandlung an das Revolutionsgericht zurücküberstellt, da er zum Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Taten noch minderjährig war. Während der Neuverhandlung lies das Gericht sein “Geständnis” ein weiteres Mal als Beweismittel zu und verurteilte ihn erneut zum Tode.
Das Islamische Strafgesetzbuch erlaubt die Hinrichtung von zur Tatzeit Minderjährigen in Fällen von Mord nach dem Prinzip “Qesas” (Vergeltung) und “Hodoud” (Vergehen, für die nach islamischem Recht bestimmte Strafen vorgesehen sind). Im Fall von zur Tatzeit Minderjährigen schließt Artikel 91 die Todesstrafe bei “Qesas” oder “Hodoud” jedoch aus, wenn der oder die Jugendliche die Art der Straftat oder die Konsequenzen nicht begreift oder Zweifel an der geistigen Zurechnungsfähigkeit der Person bestehen.
Amnesty International lehnt die Todesstrafe ausnahmslos ab, unabhängig von der Art oder den Umständen der Straftat, der Schuld, Unschuld oder anderen Eigenschaften der Straftäter_innen und der angewendeten Hinrichtungsart. Sie verstößt gegen das Recht auf Leben, das durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte garantiert wird, und stellt die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste Form von Strafe dar.
Die Hinrichtung von zur Tatzeit minderjährigen – d. h. unter 18-jährigen – Straftäter_innen ist nach dem Völkerrecht verboten. In Artikel 6(5) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und in Artikel 37 des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes ist festgelegt, dass niemand für ein Verbrechen hingerichtet werden darf, das er vor Vollendung des 18. Lebensjahrs begangen hat. Der Iran ist Vertragsstaat beider Abkommen. Artikel 37(d) und 40(2)(b)(ii) des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes schreiben fest, dass Kinder, denen ihre Freiheit entzogen wurde oder denen Straftaten vorgeworfen werden, das Recht auf umgehenden Zugang zu einem Rechtsbeistand bzw. anderen geeigneten Beistand haben, um ihre Verteidigung vorbereiten und präsentieren zu können. Das Kindeswohl muss bei allen Gerichtsverfahren, die Kinder betreffen, die zentrale Entscheidungsgrundlage darstellen. Dies bedeutet, dass insbesondere das Recht des Kindes, nicht zu Schuldeingeständnissen oder selbstbelastenden Aussagen gezwungen zu werden, gewahrt werden muss. Aufgrund der Unumkehrbarkeit der Todesstrafe ist es von grundlegender Bedeutung, dass in Gerichtsverfahren, in denen die Todesstrafe verhängt werden kann, alle relevanten internationalen Standards zur Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren gewissenhaft beachtet werden. Dazu gehört auch der Zugang zu kompetenten Verteidiger_innen in allen Phasen der strafrechtlichen Verfolgung, einschließlich des Ermittlungsverfahrens.
PLEASE WRITE IMMEDIATELY
    •    Urging the Iranian authorities to halt the execution of Saman Naseem immediately and order a retrial in proceedings which comply with fair trial standards, without recourse to the death penalty.
    •    Reminding them that executing anyone for crimes committed while they were under 18 is strictly prohibited by the International Covenant on Civil and Political Rights and the Convention on the Rights of the Child, both of which Iran has ratified.
    •    Urging them to investigate the allegations that he was tortured or otherwise ill-treated and ensure that “confessions” obtained under torture are not used as evidence in court.

Iran: Die freizügigen Kinder von Teheran

05.02.2015-“Die Presse”- Auf einer Instagram-Seite zeigen die reichen Bewohner der Islamischen Republik ihr luxuriöses Leben mit Alkohol, Pools und teuren Autos. Die Webseite sorgt auch für Kritik.
Wien/Teheran. Es geht um Maseratis und Rolex, um Mercedes und sündteure Klunker, um Privatjets, überdimensionale Sonnenbrillen, Manschettenknöpfe und einzelne Designerstücke, deren Preis so hoch ist wie das Jahresgehalt eines kleinen Angestellten. Manche Beobachter attestieren den abgebildeten Frauen korrigierte Nasen, Männer zeigen ihren Fuhrpark her, ein weißer Pudel trägt Hunde-T-Shirts, es gibt viel Champagner, viele Partys, viele Swimmingpools – und viel Klischee über Leute mit Geld wie Heu.

Nur ein Klischee passt nicht: All das spielt sich in Teheran ab, Hauptstadt der Islamischen Republik Iran, die im Normalfall nicht mit Cocktails und Cocktailkleidern in Verbindung gebracht wird. Auf der Instagram-Seite „Rich Kids Of Tehran“ geben die Nutzer Einblicke in das Leben der oberen Zehntausend; die strengen Scharia-Gesetze scheinen hier nicht zu gelten.

Viel ist seit Gründung der Seite vor rund einem halben Jahr darüber spekuliert worden, wer die reichen Familien sind: ehemalige Revolutionsgardisten dürften dazugehören, aber auch die Kinder der führenden religiösen Elite sowie von Unternehmern, Technokraten, Bankmanagern. Man wolle den Blickwinkel ändern, mit dem die Welt den Iran wahrnimmt, hieß es in Kommentaren zu Beginn des Instagram-Projekts. Und dieser Blickwinkel sei zumeist negativ, geprägt von den Restriktionen, die den Alltag bestimmen. „Die Menschen benutzen hier keine Kamele zum Transport“, schreibt ein Nutzer, „aber manche verwenden italienische und deutsche Pferde.“

Teheran ist auch Luxus – das haben die Macher mit der Seite vermitteln wollen. Der Iran sei eben nicht nur der Iran, der in amerikanischen Serien wie „Homeland“ in alter Schurkenmanier dargestellt wird, so ein Nutzer in einem Interview. Und eben auch nicht ein Land voller religiöser Fanatiker.

Ächzen unter den Sanktionen

Es hat nur einen Monat gedauert, bis das Regime die Seite „Rich Kids Of Tehran“ sperren ließ. Zu diesem Zeitpunkt hat es die Instagram-Seite bereits in etliche Zeitungen und Magazine rund um den Globus geschafft und für Kritik gesorgt. Sogleich entstand der Gegenentwurf „Poor Kids Of Tehran“, womit das Leben der meisten Iraner reflektiert werden soll. Tatsächlich ächzt das ganze Land unter den Sanktionen der europäischen Länder und der USA.

Daher profitieren vom Schwarz- und Schmuggelmarkt einige wenige, die etwa trotz des Embargos ihre Ölgeschäfte abwickeln können.

Laut Transparency International gehört der Iran zu den korruptesten Ländern weltweit, im vergangenen Jahr landete die Islamische Republik auf dem 136.

Rang im Korruptionsindex – von insgesamt 174 Ländern.

Die Seite wurde jedenfalls ein paar Tage später wieder online gestellt und hat mittlerweile über 40.000 Follower.

Neben Autos und Skiurlauben wird viel Mode gezeigt, sichtbar ist aber auch die Tatsache, dass die reichen Familien des Landes offenbar Zugang zu Alkohol haben, der im Land freilich streng verboten ist. Bilder zeigen volle Champagnerflaschen und bunte Cocktails bei Partys in Privathäusern.

In ebendiesen Häusern dürfte sich das luxuriöse Leben hauptsächlich auch abspielen, denn die meisten Frauen tragen die im öffentlichen Leben obligatorische Kopfbedeckung nicht.

Westliche Lebensstandards

Auch wenn sich tatsächlich nur wenige Menschen an dieser Instagram-Seite beteiligen können – sie wird auch als eine Möglichkeit für junge Menschen gesehen, die ihre Unzufriedenheit mit der Islamischen Republik artikulieren wollen und sich westliche Lebensstandards wünschen.

Generell ist die Jugend im Iran hochpolitisiert, die „Grüne Revolution“ nach der Wahl des Hardliners Mahmud Ahmadinejad zum Präsidenten (2009) hat es gezeigt. Über 60 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt, das Land gehört zu den jüngsten der Welt, und kaum eine andere Gegend verliert so viele Talente ins Ausland wie der Iran. Die Islamische Republik hat Schwierigkeiten, jene rund eine Million Jobs zu schaffen, die sie jährlich für Schul- und Universitätsabsolventen brauchen würde. Teheran muss auch an einer anderen Front kämpfen: Seit Jahren steigt die Zahl der jungen Drogenabhängigen. Der Missbrauch von Opiaten ist so hoch wie in Afghanistan und Pakistan, vorsichtigen Schätzungen zufolge sind 1,2 Millionen Menschen im Iran süchtig nach harten Drogen.

Gefängnisstrafe für Musikvideo

Die privaten Hauspartys hat die reiche Teheraner Jugend freilich nicht erfunden, die gab es vorher schon, nur werden sie nun mit der Seite explizit an die Öffentlichkeit getragen. Mit Konsequenzen müssen die betroffenen Familien wohl nicht rechnen – im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung. Als im September eine Gruppe Jugendlicher ein YouTube-Video von sich veröffentlichte, das zeigt, wie sie fröhlich zu Rapmusik tanzen, wurden alle sechs Beteiligten verurteilt. Noch ist die Strafe nicht vollzogen, aber sie sollen jeweils 91 Peitschenhiebe erhalten und bis zu ein Jahr im Gefängnis verbringen.

Auf einen Blick
Rich Kids of Tehran. Mit dieser Instagram-Seite wollen die jungen Nutzer ihr luxuriöses Leben in der Islamischen Republik zeigen, um, wie manche Nutzer sagen, dem schlechten Image des Iran entgegenzuwirken.
Die Seite sorgt aber auch für Kritik, zumal die allermeisten Bewohner des Landes unter internationalen Sanktionen leiden. Die Seite wurde nach der Gründung für kurze Zeit gesperrt, mittlerweile hat sie bereits über 40.000 Follower.

(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 06.02.2015)

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Argentinien: Nisman wollte Haftbefehl gegen Präsidentin

04.02.2015- Die Welt- Der tote argentinische Staatsanwalt Alberto Nisman wollte offenbar einen Haftbefehl gegen Präsidentin Cristina Kirchner erwirken. Die mit den Ermittlungen beauftragte Staatsanwältin Viviana Fein sagte, in der Wohnung des Toten sei im Müll ein 26-seitiger entsprechender Entwurf gefunden worden. Das Dokument ist demnach auf Juni 2014 datiert. Er habe dann aber offenbar darauf verzichtet, den Antrag zu stellen.

Über die Existenz des Entwurfs für einen Haftbefehl hatte am Sonntag bereits die Zeitung “Clarin” berichtet – Staatsanwältin Fein und die Regierung hatten dies am Montag bestritten. Nun sprach Fein von einem “Fehler” und gestand ein, dass das Dokument gefunden wurde.
Hätte Nisman tatsächlich Haftbefehl gegen die Präsidentin beantragt, wären seine Aussichten auf Erfolg allerdings nicht gut gewesen. Nicht zuletzt hätte das Parlament dem Antrag mit Zweidrittelmehrheit zustimmen müssen.
Nismans Leichnam war am 19. Januar in seiner Wohnung in Buenos Aires aufgefunden worden – wenige Stunden vor einer geplanten brisanten Anhörung im Parlament. Dabei wollte der Staatsanwalt Beweise für seinen Vorwurf vorlegen, dass Kirchner an einer Aufklärung des Anschlags auf die jüdische Wohlfahrtsorganisation Amia im Jahr 1994 mit 85 Toten nicht interessiert sei. Nisman machte den Iran für den Anschlag verantwortlich und beschuldigte die Regierung, die Aufklärung des Falls zu vereiteln, um das Verhältnis zu Teheran nicht zu belasten.
Viele Argentinier glauben, die Regierung habe Nisman ermorden lassen, weil sie den Parlamentsauftritt fürchtete. Dagegen deuteten nach Angaben der Ermittler die Autopsie-Ergebnisse auf einen Suizid hin. Nisman war demnach durch einen Kopfschuss aus nächster Nähe gestorben.
afp.com

Was Flucht für Kinder heißt

30. Januar 2015 – FrankfurterRundeschau – Von Elisa Rheinheimer-Chabbi: Alle zwei Jahre wird in Nürnberg der Deutsche Menschenrechts-Filmpreis vergeben; vor wenigen Wochen war es wieder soweit. Die prämierten Filme sind am 3. Februar in Frankfurt zu sehen. Mehr als vierhundert Einsendungen gab es diesmal. Einer der Preisträger ist der iranischstämmige Regisseur Behrooz Karamizade. Sein Kurzfilm „Bahar im Wunderland“ wurde von der Jury in der Kategorie Bildung zum besten Film gekürt.

Herr Karamizade, die Hauptfigur Ihres Films ist das Mädchen Bahar – ein Kind, das mit seinem Vater auf der Flucht ist. Erzählen Sie da Ihre eigene Geschichte?


Das ist teilweise autobiografisch, ja. Ich bin als Siebenjähriger mit meinen Eltern und meinem Bruder aus dem Iran geflohen. 1986 war das, während des Iran-Irak-Krieges. Vom Norden des Iran sind wir in die UdSSR geflüchtet, haben dort in verschiedenen Lagern gewohnt und sind dann nach Ost-Deutschland gegangen.

Dann sind wir über die Berliner Friedrichstraße in den Westen gekommen und haben dort Asyl beantragt. Zuerst waren wir in Berlin, dann in verschiedenen Asylheimen in Bayern und schließlich sind wir in Köln gelandet, wo ich aufgewachsen bin.

Welche Momente Ihrer Flucht sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?


Da gibt es viele. In Moskau habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Metro gesehen. Ich hatte ziemlich Angst, als die Türen sich schlossen. Und in Berlin habe ich dann das erste Mal eine Rolltreppe gesehen. Die kam meinem Bruder und mir zunächst wie ein Ungeheuer vor.

Wieso landen Bahar und ihr Vater ausgerechnet in Frankfurt?


Eine Großstadt-Atmosphäre ist für ein Kind wie Bahar eine fantastische Kulisse, fast märchenhaft. All die Lichter, das Glitzernde, Neue, Schöne. Flüchtlingskinder empfinden das als faszinierend, ihre Eltern hingegen als beängstigend. Und so versucht Bahars Vater, alles richtig zu machen, sich anzupassen, unauffällig zu sein – nur um dann doch von der Polizei nach seinen Papieren gefragt zu werden.

Warum kommt im Film eigentlich keine Mutter vor?


Ich fand es interessant, eine Vater-Tochter-Beziehung darzustellen, auch weil ich damit ein Klischee brechen wollte: Das Klischee, dass muslimische Männer ihre Töchter unterdrücken und herumkommandieren. Bahars Vater geht sehr liebevoll und respektvoll mit seiner Tochter um. Er begegnet ihr auf Augenhöhe.

hr Film kommt mit wenigen Dialogen aus. Zerstören zu viele Worte die Geschichte?


Die Kraft des Kinos sind die Bilder. Dialoge sind ein Zusatz, aber die Filme, die ich mache, sollen international verstanden werden. „Bahar im Wunderland“ wurde auf über 95 Festivals weltweit gezeigt und überall können die Menschen sich mit den Bildern identifizieren. Außerdem spricht Bahar ja auch die Sprache der Fremden nicht, sie kann kein Deutsch, sondern läuft mit staunenden Augen durch Frankfurt.

Ein Menschenrechts-Filmpreis, das klingt ziemlich hochtrabend. Können Filme denn tatsächlich etwas verändern?


Ich denke Filme verändern die Denkweise der Menschen. Nicht auf einmal, nicht sofort, aber ich kann als Regisseur Menschen für gewisse Themen sensibilisieren und sie dazu anregen, die Perspektive zu wechseln. Damit verändere ich nicht gleich die Welt, aber vielleicht Schritt für Schritt bestimmte Einstellungen.

„Bahar im Wunderland“ war der Abschlussfilm Ihres Studiums an der Kunsthochschule Kassel und auch ein internationales Projekt. Was war das Besondere an der Arbeit?


Ich habe eng mit einer Gruppe internationaler Filmemacher zusammengearbeitet.

In der NUR-Filmgruppe sind Regisseure aus verschiedensten Ländern: Russland, Afghanistan, Georgien, Deutschland und weitere. Wir haben größtenteils zusammen in Kassel studiert und uns dann entschlossen, auch weiterhin künstlerisch zusammenzuarbeiten. Ich habe zum Beispiel einzelne Szenen aus meinem Film mit den Kollegen besprochen und durch die verschiedenen kulturellen Blickwinkel kamen da oft gute Ideen auf und neue Aspekte rein.



Interview: Elisa Rheinheimer-Chabbi

Iran verärgert über Claudia Roth

28.01.2015, mittelbayerische – Der Besuch von Claudia Roth in Teheran sorgt für Wirbel. Die Grüne hatte die Freilassung von Oppositionsführern gefordert. Teheran Abgeordnete des iranischen Parlaments haben verärgert auf eine Sympathiebekundung von Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth mit inhaftierten iranischen Oppositionellen reagiert. Der Leiter des Auswärtigen Ausschusses, Alaeddin Borudscherdi, forderte laut iranischen Medien am Mittwoch sogar die Einbestellung des deutschen Botschafters in Teheran.

 

Die konservative Abgeordnete Fatima Aliehe sagte, Roths Besuch hätte wegen ihrer Einmischung in die internen Angelegenheiten des Irans abgebrochen werden müssen.
Auch aus den Reihen der Revolutionsgarden gab es heftige Kritik. „Besonders die Deutschen sollten vorsichtig sein mit Menschenrechtskritik,“ sagte Mohammed Resa Naghdi, Leiter der Basidsch oder Freiwilligenbrigaden, der Fars Nachrichtenagentur mit Blick auf die zwei Weltkriege. Unter Hinweis auf anti-islamistische „Pegida“-Demonstrationen sagte er, immer noch seien Neo-Nazis in Deutschland mit rassistischen und religiösen Vorurteilen aktiv.
Umstrittenes Treffen mit dem Reformer mit Mohammed Resa Aref
Auslöser der Kritik war ein Treffen Roths am Sonntag mit Mohammed Resa Aref, dem Spitzenkandidaten der Reformer für die Parlamentswahl 2016. Dabei plädierte die Grünen-Politikerin nach Medienberichten für die Aufhebung des vierjährigen Hausarrests der Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi. Die beiden hatten gegen angebliche Wahlfälschung bei den Präsidentenwahlen 2009 protestiert.
Roth soll indirekt die Hoffnung geäußert haben, dass die Reformer die Wahl 2016 gewinnen und sie Aref in neuer Funktion treffen werde. Außerdem wollte Roth mit der Frauenaktivistin Nargess Mohammedi sprechen, was von Sicherheitskräften nicht zugelassen worden sei. Die iranische Außenamtssprecherin Marsieh Afcham sagte, das Parlament sei von Roths Programm informiert gewesen. Parlaments-Kontakte liefen in einem anderen Rahmen.
Roth: Die Debatte zeigt die Zerrissenheit des Landes
Roth erklärte auf Anfrage, die Debatte im Iran zeige die ganze Zerrissenheit des Landes zwischen reformorientierten und konservativen Kräften. Nicht zuletzt zeige sie aber auch die realen Probleme des Landes. „Dass unser Besuch nun von konservativen Politikern wie Medien instrumentalisiert wird, um Öffnungsbemühungen im Iran zu verhindern und selbst als Krisengewinnler das Land in der Isolation zu halten, ist auch ein Zeichen dafür, dass wir offensichtlich die richtigen Fragen gestellt haben.“ (dpa)

Iran: Neu gegründete Zeitung wurde verboten

17.01.2015 – HNA – Teheran – Nach nur drei Wochen wurde die neu gegründete Zeitung “Mardome-Emruz” verboten – weil sie Sympathie mit dem islamkritischen Satiremagazin “Charlie Hebdo” anklingen ließ. Nach nur drei Wochen ist eine neu gegründete Tageszeitung im Iran verboten worden, weil sie auf ihrer Titelseite Sympathie mit dem islamkritischen Satiremagazin „Charlie Hebdo“ hat anklingen lassen. Die Zeitung „Mardome-Emruz“ (Leute von Heute) hatte am Dienstag ein Bild des amerikanischen Schauspielers George Clooney bei der Golden Globe Preisverleihung gedruckt und ihn mit den Worten „Auch ich bin Charlie“ zitiert.

Die Schließung der reformorientierten Zeitung wurde von Herausgeber Ahmed Sattari bestätigt, wie die Nachrichtenagentur IRNA am Samstag meldete. Iran hatte den Terroranschlag auf „Charlie Hebdo“ verurteilt, aber auch die Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten. Der Iran wird von islamischen Geistlichen beherrscht.
dpa
Rubriklistenbild: © picture alliance / dpa

Mahdieh Mohammadkhani Verbotene Stimme aus dem Iran

2015-01-16 – Deutschlandradiokultur- Von Bamdad Esmaili: Frauen dürfen im Iran nicht in der Öffentlichkeit singen. Das strikte Gesangsverbot gilt sogar für traditionelle Musik. Mahdieh Mohammadkhani ist im Iran durch das Internet trotzdem zum Star geworden. Die Newcomerin ist das neue Gesicht der traditionellen iranischen Musik.

Mahdieh Mohammadkhani ist grade mal 28 Jahre jung, doch als Sängerin erlebte sie schon nach zwei Jahren ihren Durchbruch. Im Iran ist die Newcomerin die zur Zeit wohl angesagteste Sängerin für traditionelle iranische Musik. Und das obwohl es in dem Land Frauen verboten ist, öffentlich zu singen, seitdem die islamische Religionsführer vor gut 36 Jahren die Macht übernahmen.
Das Gesangsverbot ist eigentlich untypisch für den Iran, denn historisch gab es vor der islamischen Revolution immer wieder Frauen, die als Sängerinnen in Erscheinung traten. Für Mahdieh Mohammadkhani bedeutete das Verbot, dass sie sich erst mit 22 Jahren entschloss, eine Karriere als Sängerin einzuschlagen.
“Das Singen war schon immer meine große Liebe. Es hat mich seit meiner Kindheit unbewusst begleitet. Ich erinnere mich, dass es mein erster Berufswunsch als Kind war, vielleicht mit vier oder fünf Jahren, Sängerin zu werden. Mit 20 habe ich mich nochmal an meinem Kindheitstraum erinnert und dachte, vielleicht kann ich ja diesen Traum verwirklichen.”
Die Musterschülerin studiert aber zunächst Architektur. Erst als Mahdieh Mohammadkhani das Studium abschließt, beginnt sie in Teheran damit, Gesangsunterricht zu nehmen.
“Ich hätte nicht gedacht, dass es auch Kurse für Frauen gibt, die dort traditionelle persische Musik singen. Aber in der Akademie entdeckte ich einen Kurs. Von der ersten Stunde an fühlte ich mich magisch angezogen. Diesen Gesangskurs besuche ich bis heute.”
In der Gesangslehre von Mohammad Reza Shajarian
Dort wurde Mahdieh Mohammadkhani mit allen “Dastgah´s” – den Modi der traditionellen iranischen Musik – vertraut gemacht. Zudem erkannte der renommierten Sänger und Musiklehrer Mohammad Reza Shajarian ihr Talent . Er nahm sie in seinen begehrten Gesangs-Kursen auf. Im vergangenen Jahr schaffte Mohammadkhani mit ihrem Debütalbum “Darya Del” und den Song “Khooshe chin” den Durchbruch und wurde prompt zum Liebling von Fans der traditionellen iranischen Musik.
Öffentliche Konzerte darf Mahdieh Mohammadkhani wegen des Gesangsverbots im Iran bis heute nicht geben. Dennoch sorgte kürzlich ein Video im Netz für Aufregung. In dem Film war ein Auftritt der Sängerin mit dem Ensemble “Mah” und dem Komponisten Majid Darakhshani in Teheran zu sehen. Im Beisein des iranischen Kulturministers. Die Nachricht verbreitete sich in den sozialen Netzwerken wie ein Lauffeuer: Zum ersten Mal seit 36 Jahren, traute sich eine Sängerin, das Tabu zu brechen. Mahdieh Mohammadkhani wurde im Netz als Heldin gefeiert. Doch die Meldung erwies sich schnell als falsch.
“Ich frage mich immer noch, wer dieses Gerücht verbreitet hat. Denn es war nicht so. Wir haben für eine gemeinnützige Organisation ein kostenloses, privates Konzert gegeben. Da wurde auch das Video aufgenommen. Danach wurde dieses Gerücht verbreitet”
Kritiker werden eingeschüchtert
Über das Gesangsverbot spricht Mahdieh Mohammadkhani noch immer nur sehr vorsichtig. Denn die Regierung in Teheran nutzt jede Gelegenheit, um ihre Kritiker einzuschüchtern. Erst vor Kurzem wurde Mohammadkhanis Förderer, der Musiker Majid Derakhshani, am Flughafen an der Ausreise gehindert. Sein Pass wurde ihm abgenommen. Eine offizielle Begründung gab es nicht, aber der Verdacht liegt nahe, dass das Regime Derakhshanis Engagement für iranische Sängerinnen bestraft.
Immer wieder hat er sich kritisch in ausländischen Medien über die Lage weiblicher Musikerinnen im Iran geäußert. Derakhshani hat außerdem eine Band gegründet, in der nur Frauen spielen. Tar-Spieler Hamid Motebassem, der lange in Deutschland gelebt hat, ist zur Zeit mit seinem Ensemble Dastan gemeinsam mit Mahdieh Mohammadkhani auf Europatour.
Hamid Motebassem: “Sie hat eine sehr saubere Stimme, die Intonationen sind perfekt. Und das ist eine Schande für eine Nation, dass die Frauen still bleiben müssen. Aber indem wir mit einer Sängerin arbeiten, fördern wir auch die Frauen im Iran.”
Mahdieh Mohammdkhani ist trotz des Gesangsverbotes zum neuen Star der persischen Musikszene geworden. Weil sie keine CDs verkaufen darf und ihre Musik auch nicht im Radio gespielt wird, wurde sie vor allem dank des Internets und ihrer Musikvideos im Iran bekannt. Um ein weiteres Zeichen gegen die Unterdrückung iranischer Künstlerinnen zu setzen, hat die junge Frau vor kurzem das Frauen Ensemble “Shahnava” gegründet. Ihr größter Wunsch? In ihrer Heimat aufzutreten.
“Ich glaube, jede Frau wünscht sich das. Dass sie frei und ungehemmt das, wofür ihr Herz schlägt, was ihre größte Leidenschaft im Leben ist, ausüben kann. Mir geht es genauso. Ich wünsche mir, dass ich eines Tages im Iran singen darf und jeder diese klassische iranische Musik hören kann.”

Am Sonntag, dem 18. Januar 2015, singt Mahdieh Mohammadkhani mit dem Dastan Ensemble ab 18:00 Uhr live in Münster.
Mehr zum Thema:
Langtunes – Verbotener Indie-Rock aus dem Iran
(Deutschlandradio Kultur, Tonart, 12.12.2014)

Gedenkkundgebung – München – 14.01.2015

Gedenkkundgebung

Kampagne “Kochen für Soltani” Sein Platz bleibt frei

5. Januar 2015, SZ – Maede Soltani, 34, lebt in Nürnberg, hier entstand auch die Idee für die Kampagne “Kochen für Soltani”. Menschen laden andere Menschen zu sich nach Hause zum Essen ein, und ein Platz bleibt dabei immer leer: der für den iranischen Menschenrechtsanwalt Abdolfattah Soltani, der im Jahr 2009 den Internationalen Menschenrechtspreis der Stadt Nürnberg zugesprochen bekam – und unter anderem dafür in Teheran zu insgesamt 13 Jahren Gefängnishaft verurteilt worden ist.

SZ: Frau Soltani, in Ihrem Fall sei diese Eingangsfrage erlaubt: Wie geht es Ihnen?
Maede Soltani: Mir geht es gut, wir geben die Hoffnung nicht auf. Und werden nicht aufhören damit, um die Freiheit für politische Gefangene zu kämpfen. Auch für meinen Vater, aber nicht nur für meinen Vater. Wir bekommen fast täglich Nachrichten aus Iran, wie sich Menschen dort für politische Gefangene engagieren. Natürlich erschüttert mich die Situation meines Vaters, seit mehr als drei Jahren ist er ununterbrochen in politischer Haft. Aber wie er und andere Widerstand leisten, und wie sie dabei unterstützt werden von so vielen Menschen: Das macht mich auch stark.
Wie kam es zu der Idee für die Kampagne?
Wir wollten zeigen: Wir denken immer an euch, an euch alle. Wir haben und werden euch nicht vergessen, ihr seid in unserem Herzen. Das ist die Botschaft an die Gefangenen, aber auch ans Regime in Teheran.
Erzählen Sie von dem Projekt.
Es ist sehr emotional. Es gibt Leute in Iran, seien es Aktivisten, Journalisten, religiöse Minderheiten, die in ihren Familien fehlen – und zwar allein deshalb, weil sie das sind, was sie sind. Um darauf aufmerksam zu machen, entstand die Idee, dass Menschen andere Menschen zum Essen zu sich nach Hause einladen. Ein Platz bleibt immer leer. Oft kochen die Leute die Lieblingsspeise eines politischen Gefangenen. Es kann aber auch nur eine Tasse Tee sein oder ein kleines Stück Brot mit Käse, ganz egal. Es geht nur darum zu zeigen: Der Eingeladene kann seine Einladung nicht annehmen. Und überall kann man das sehen auf Facebook, unter “Kochen für #Soltani”. Zum Essen einzuladen, das ist keine strafbare Handlung. Deshalb funktioniert das in Iran genauso wie hier in Bayern.
Eine schöne Idee. Aber auch eine, die Ihnen den Verlust täglich präsent macht.
Das stimmt. Aber ich vermisse meinen Vater ohnehin jeden Tag, wenn ich schlafen gehe, wenn ich koche, immer.
Wie ist die Resonanz?
Ich bin beeindruckt. In Iran machen vor allem Menschen mit, die meinen Vater oder einen anderen politischen Gefangenen gekannt haben. Auch Menschen, die mein Vater als Rechtsanwalt vor Gericht verteidigt hat, solange er das noch konnte und in Freiheit war. Die Nachrichten, die die Menschen aus Iran mit ihren Fotos an uns schicken, sind sehr berührend: Erinnerungen, was mein Vater in Freiheit für sie getan hat. Aber mindestens genauso beeindruckend sind die Einladungen hier in Nürnberg. Da machen Leute mit, die meinen Vater niemals kennengelernt haben. Ihn nur aus den Medien kennen. Das ist ganz wunderbar, ein großes Geschenk für uns.
Wann haben Sie Ihren Vater das letzte Mal gesehen?
2009 war das, vor den Unruhen in Iran, da war er noch in Freiheit. Telefonieren darf ich nur dann mit ihm, wenn er aus der Haft ins Krankenhaus eingeliefert wird. Dann aber auch nur einige Augenblicke. Politische Gefangene in Iran werden schlechter behandelt als andere Gefangene. Wäre mein Vater ein Mörder, hätte er mehr Rechte. Könnte Kontakt halten zu Anwälten oder seiner Familie. Ohne Repressalien.
Haben Sie manchmal Angst, dass der Willen Ihres Vaters gebrochen wird?
Nein, nie. Ich habe dieser Tage mit einem Journalisten telefoniert, er ist inzwischen Exil-Iraner. Er war drei Jahre im selben Gefängnis wie mein Vater, er kennt ihn gut. Er hat mir erzählt: Dein Vater ist einer, der uns allen in der Haft immer eine geistige Stütze war. Nur über seine eigenen Probleme rede mein Vater wenig, hat er gesagt.
Ihr Vater wurde unter anderem verurteilt wegen der Annahme des Nürnberger Menschenrechtspreises. So pervers das ist: Haben Sie den Preis manchmal verflucht?
Zu keiner Sekunde. Auch in meiner Familie denkt keiner so. Es war ja auch noch nie zuvor passiert, dass ein iranischer Bürger wegen so etwas verurteilt worden ist. Man darf da nicht Ursache und Wirkung verwechseln. Der iranische Staat wollte, dass mein Vater in Haft muss. Der Preis aus Nürnberg war für sie nur ein willkürlicher Anlass. Einer von mehreren. Aus deren Sicht musste mein Vater wegen seiner Arbeit als Anwalt aus dem Weg geräumt werden. Je länger, desto besser für sie.
Hat der Nürnberger Preis auch etwas Positives bewirkt?
Selbstverständlich. Mein Vater hat so viel Aufmerksamkeit bekommen. Ich will gar nicht spekulieren, was sie mit ihm machen würden, wenn die Öffentlichkeit nicht mitverfolgen würde, was mit ihm passiert. Es könnte alles noch viel schlimmer sein.
Fühlen Sie sich hinreichend wahrgenommen in Nürnberg, in Bayern?
Oh ja, für uns ist das ein großes Glück. Ich werde nie vergessen, was hier in Nürnberg passierte, als mein Vater in den Hungerstreik getreten ist in Iran. Wenn ich alles erzählen wollte, was in diesen Wochen einige tausend Kilometer weit von Iran entfernt geschehen ist, hier in Nürnberg, dann müsste ich ein Buch schreiben. Die Anwaltskammer, das Menschenrechtsbüro, der Philharmonische Chor, Frauenorganisationen, Parlamentarier, der Oberbürgermeister, ganz normale Bürger: Alle haben sich an der Mahnwache beteiligt. Ich werde in dieser Stadt dauernd auf meinen Vater angesprochen. Das rührt mich sehr.
Sie arbeiten in der Nähe von Nürnberg. Können Sie sich konzentrieren?
Kann ich glücklicherweise. Ich habe es inzwischen geschafft, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen meinen beiden Leben. Dem hier in Nürnberg und dem in Gedanken, in Iran. Es hätte bestimmt passieren können, dass ich jeden Tag müde bin, ausgelaugt, konfus. Aber es ist nicht so. Wahrscheinlich hilft es, dass ich hier Freunde gewonnen habe, die mir wie eine Familie sind. Wie meine Mutter, meine Schwester, meine Großmutter. Ich bin nicht allein. Ich teile mein Leid mit den Leuten. Natürlich: Manchmal tut es mir weh, dass ich Leid teilen muss. Aber vielleicht wandelt es sich ja in eine große Freude irgendwann.
Glauben Sie daran, Ihren Vater noch einmal in die Arme schließen zu können?
Ich bin fest davon überzeugt. Und vielleicht schon bald. Wer weiß?