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Mahdieh Mohammadkhani Verbotene Stimme aus dem Iran

2015-01-16 – Deutschlandradiokultur- Von Bamdad Esmaili: Frauen dürfen im Iran nicht in der Öffentlichkeit singen. Das strikte Gesangsverbot gilt sogar für traditionelle Musik. Mahdieh Mohammadkhani ist im Iran durch das Internet trotzdem zum Star geworden. Die Newcomerin ist das neue Gesicht der traditionellen iranischen Musik.

Mahdieh Mohammadkhani ist grade mal 28 Jahre jung, doch als Sängerin erlebte sie schon nach zwei Jahren ihren Durchbruch. Im Iran ist die Newcomerin die zur Zeit wohl angesagteste Sängerin für traditionelle iranische Musik. Und das obwohl es in dem Land Frauen verboten ist, öffentlich zu singen, seitdem die islamische Religionsführer vor gut 36 Jahren die Macht übernahmen.
Das Gesangsverbot ist eigentlich untypisch für den Iran, denn historisch gab es vor der islamischen Revolution immer wieder Frauen, die als Sängerinnen in Erscheinung traten. Für Mahdieh Mohammadkhani bedeutete das Verbot, dass sie sich erst mit 22 Jahren entschloss, eine Karriere als Sängerin einzuschlagen.
“Das Singen war schon immer meine große Liebe. Es hat mich seit meiner Kindheit unbewusst begleitet. Ich erinnere mich, dass es mein erster Berufswunsch als Kind war, vielleicht mit vier oder fünf Jahren, Sängerin zu werden. Mit 20 habe ich mich nochmal an meinem Kindheitstraum erinnert und dachte, vielleicht kann ich ja diesen Traum verwirklichen.”
Die Musterschülerin studiert aber zunächst Architektur. Erst als Mahdieh Mohammadkhani das Studium abschließt, beginnt sie in Teheran damit, Gesangsunterricht zu nehmen.
“Ich hätte nicht gedacht, dass es auch Kurse für Frauen gibt, die dort traditionelle persische Musik singen. Aber in der Akademie entdeckte ich einen Kurs. Von der ersten Stunde an fühlte ich mich magisch angezogen. Diesen Gesangskurs besuche ich bis heute.”
In der Gesangslehre von Mohammad Reza Shajarian
Dort wurde Mahdieh Mohammadkhani mit allen “Dastgah´s” – den Modi der traditionellen iranischen Musik – vertraut gemacht. Zudem erkannte der renommierten Sänger und Musiklehrer Mohammad Reza Shajarian ihr Talent . Er nahm sie in seinen begehrten Gesangs-Kursen auf. Im vergangenen Jahr schaffte Mohammadkhani mit ihrem Debütalbum “Darya Del” und den Song “Khooshe chin” den Durchbruch und wurde prompt zum Liebling von Fans der traditionellen iranischen Musik.
Öffentliche Konzerte darf Mahdieh Mohammadkhani wegen des Gesangsverbots im Iran bis heute nicht geben. Dennoch sorgte kürzlich ein Video im Netz für Aufregung. In dem Film war ein Auftritt der Sängerin mit dem Ensemble “Mah” und dem Komponisten Majid Darakhshani in Teheran zu sehen. Im Beisein des iranischen Kulturministers. Die Nachricht verbreitete sich in den sozialen Netzwerken wie ein Lauffeuer: Zum ersten Mal seit 36 Jahren, traute sich eine Sängerin, das Tabu zu brechen. Mahdieh Mohammadkhani wurde im Netz als Heldin gefeiert. Doch die Meldung erwies sich schnell als falsch.
“Ich frage mich immer noch, wer dieses Gerücht verbreitet hat. Denn es war nicht so. Wir haben für eine gemeinnützige Organisation ein kostenloses, privates Konzert gegeben. Da wurde auch das Video aufgenommen. Danach wurde dieses Gerücht verbreitet”
Kritiker werden eingeschüchtert
Über das Gesangsverbot spricht Mahdieh Mohammadkhani noch immer nur sehr vorsichtig. Denn die Regierung in Teheran nutzt jede Gelegenheit, um ihre Kritiker einzuschüchtern. Erst vor Kurzem wurde Mohammadkhanis Förderer, der Musiker Majid Derakhshani, am Flughafen an der Ausreise gehindert. Sein Pass wurde ihm abgenommen. Eine offizielle Begründung gab es nicht, aber der Verdacht liegt nahe, dass das Regime Derakhshanis Engagement für iranische Sängerinnen bestraft.
Immer wieder hat er sich kritisch in ausländischen Medien über die Lage weiblicher Musikerinnen im Iran geäußert. Derakhshani hat außerdem eine Band gegründet, in der nur Frauen spielen. Tar-Spieler Hamid Motebassem, der lange in Deutschland gelebt hat, ist zur Zeit mit seinem Ensemble Dastan gemeinsam mit Mahdieh Mohammadkhani auf Europatour.
Hamid Motebassem: “Sie hat eine sehr saubere Stimme, die Intonationen sind perfekt. Und das ist eine Schande für eine Nation, dass die Frauen still bleiben müssen. Aber indem wir mit einer Sängerin arbeiten, fördern wir auch die Frauen im Iran.”
Mahdieh Mohammdkhani ist trotz des Gesangsverbotes zum neuen Star der persischen Musikszene geworden. Weil sie keine CDs verkaufen darf und ihre Musik auch nicht im Radio gespielt wird, wurde sie vor allem dank des Internets und ihrer Musikvideos im Iran bekannt. Um ein weiteres Zeichen gegen die Unterdrückung iranischer Künstlerinnen zu setzen, hat die junge Frau vor kurzem das Frauen Ensemble “Shahnava” gegründet. Ihr größter Wunsch? In ihrer Heimat aufzutreten.
“Ich glaube, jede Frau wünscht sich das. Dass sie frei und ungehemmt das, wofür ihr Herz schlägt, was ihre größte Leidenschaft im Leben ist, ausüben kann. Mir geht es genauso. Ich wünsche mir, dass ich eines Tages im Iran singen darf und jeder diese klassische iranische Musik hören kann.”

Am Sonntag, dem 18. Januar 2015, singt Mahdieh Mohammadkhani mit dem Dastan Ensemble ab 18:00 Uhr live in Münster.
Mehr zum Thema:
Langtunes – Verbotener Indie-Rock aus dem Iran
(Deutschlandradio Kultur, Tonart, 12.12.2014)

Gedenkkundgebung – München – 14.01.2015

Gedenkkundgebung

Kampagne “Kochen für Soltani” Sein Platz bleibt frei

5. Januar 2015, SZ – Maede Soltani, 34, lebt in Nürnberg, hier entstand auch die Idee für die Kampagne “Kochen für Soltani”. Menschen laden andere Menschen zu sich nach Hause zum Essen ein, und ein Platz bleibt dabei immer leer: der für den iranischen Menschenrechtsanwalt Abdolfattah Soltani, der im Jahr 2009 den Internationalen Menschenrechtspreis der Stadt Nürnberg zugesprochen bekam – und unter anderem dafür in Teheran zu insgesamt 13 Jahren Gefängnishaft verurteilt worden ist.

SZ: Frau Soltani, in Ihrem Fall sei diese Eingangsfrage erlaubt: Wie geht es Ihnen?
Maede Soltani: Mir geht es gut, wir geben die Hoffnung nicht auf. Und werden nicht aufhören damit, um die Freiheit für politische Gefangene zu kämpfen. Auch für meinen Vater, aber nicht nur für meinen Vater. Wir bekommen fast täglich Nachrichten aus Iran, wie sich Menschen dort für politische Gefangene engagieren. Natürlich erschüttert mich die Situation meines Vaters, seit mehr als drei Jahren ist er ununterbrochen in politischer Haft. Aber wie er und andere Widerstand leisten, und wie sie dabei unterstützt werden von so vielen Menschen: Das macht mich auch stark.
Wie kam es zu der Idee für die Kampagne?
Wir wollten zeigen: Wir denken immer an euch, an euch alle. Wir haben und werden euch nicht vergessen, ihr seid in unserem Herzen. Das ist die Botschaft an die Gefangenen, aber auch ans Regime in Teheran.
Erzählen Sie von dem Projekt.
Es ist sehr emotional. Es gibt Leute in Iran, seien es Aktivisten, Journalisten, religiöse Minderheiten, die in ihren Familien fehlen – und zwar allein deshalb, weil sie das sind, was sie sind. Um darauf aufmerksam zu machen, entstand die Idee, dass Menschen andere Menschen zum Essen zu sich nach Hause einladen. Ein Platz bleibt immer leer. Oft kochen die Leute die Lieblingsspeise eines politischen Gefangenen. Es kann aber auch nur eine Tasse Tee sein oder ein kleines Stück Brot mit Käse, ganz egal. Es geht nur darum zu zeigen: Der Eingeladene kann seine Einladung nicht annehmen. Und überall kann man das sehen auf Facebook, unter “Kochen für #Soltani”. Zum Essen einzuladen, das ist keine strafbare Handlung. Deshalb funktioniert das in Iran genauso wie hier in Bayern.
Eine schöne Idee. Aber auch eine, die Ihnen den Verlust täglich präsent macht.
Das stimmt. Aber ich vermisse meinen Vater ohnehin jeden Tag, wenn ich schlafen gehe, wenn ich koche, immer.
Wie ist die Resonanz?
Ich bin beeindruckt. In Iran machen vor allem Menschen mit, die meinen Vater oder einen anderen politischen Gefangenen gekannt haben. Auch Menschen, die mein Vater als Rechtsanwalt vor Gericht verteidigt hat, solange er das noch konnte und in Freiheit war. Die Nachrichten, die die Menschen aus Iran mit ihren Fotos an uns schicken, sind sehr berührend: Erinnerungen, was mein Vater in Freiheit für sie getan hat. Aber mindestens genauso beeindruckend sind die Einladungen hier in Nürnberg. Da machen Leute mit, die meinen Vater niemals kennengelernt haben. Ihn nur aus den Medien kennen. Das ist ganz wunderbar, ein großes Geschenk für uns.
Wann haben Sie Ihren Vater das letzte Mal gesehen?
2009 war das, vor den Unruhen in Iran, da war er noch in Freiheit. Telefonieren darf ich nur dann mit ihm, wenn er aus der Haft ins Krankenhaus eingeliefert wird. Dann aber auch nur einige Augenblicke. Politische Gefangene in Iran werden schlechter behandelt als andere Gefangene. Wäre mein Vater ein Mörder, hätte er mehr Rechte. Könnte Kontakt halten zu Anwälten oder seiner Familie. Ohne Repressalien.
Haben Sie manchmal Angst, dass der Willen Ihres Vaters gebrochen wird?
Nein, nie. Ich habe dieser Tage mit einem Journalisten telefoniert, er ist inzwischen Exil-Iraner. Er war drei Jahre im selben Gefängnis wie mein Vater, er kennt ihn gut. Er hat mir erzählt: Dein Vater ist einer, der uns allen in der Haft immer eine geistige Stütze war. Nur über seine eigenen Probleme rede mein Vater wenig, hat er gesagt.
Ihr Vater wurde unter anderem verurteilt wegen der Annahme des Nürnberger Menschenrechtspreises. So pervers das ist: Haben Sie den Preis manchmal verflucht?
Zu keiner Sekunde. Auch in meiner Familie denkt keiner so. Es war ja auch noch nie zuvor passiert, dass ein iranischer Bürger wegen so etwas verurteilt worden ist. Man darf da nicht Ursache und Wirkung verwechseln. Der iranische Staat wollte, dass mein Vater in Haft muss. Der Preis aus Nürnberg war für sie nur ein willkürlicher Anlass. Einer von mehreren. Aus deren Sicht musste mein Vater wegen seiner Arbeit als Anwalt aus dem Weg geräumt werden. Je länger, desto besser für sie.
Hat der Nürnberger Preis auch etwas Positives bewirkt?
Selbstverständlich. Mein Vater hat so viel Aufmerksamkeit bekommen. Ich will gar nicht spekulieren, was sie mit ihm machen würden, wenn die Öffentlichkeit nicht mitverfolgen würde, was mit ihm passiert. Es könnte alles noch viel schlimmer sein.
Fühlen Sie sich hinreichend wahrgenommen in Nürnberg, in Bayern?
Oh ja, für uns ist das ein großes Glück. Ich werde nie vergessen, was hier in Nürnberg passierte, als mein Vater in den Hungerstreik getreten ist in Iran. Wenn ich alles erzählen wollte, was in diesen Wochen einige tausend Kilometer weit von Iran entfernt geschehen ist, hier in Nürnberg, dann müsste ich ein Buch schreiben. Die Anwaltskammer, das Menschenrechtsbüro, der Philharmonische Chor, Frauenorganisationen, Parlamentarier, der Oberbürgermeister, ganz normale Bürger: Alle haben sich an der Mahnwache beteiligt. Ich werde in dieser Stadt dauernd auf meinen Vater angesprochen. Das rührt mich sehr.
Sie arbeiten in der Nähe von Nürnberg. Können Sie sich konzentrieren?
Kann ich glücklicherweise. Ich habe es inzwischen geschafft, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen meinen beiden Leben. Dem hier in Nürnberg und dem in Gedanken, in Iran. Es hätte bestimmt passieren können, dass ich jeden Tag müde bin, ausgelaugt, konfus. Aber es ist nicht so. Wahrscheinlich hilft es, dass ich hier Freunde gewonnen habe, die mir wie eine Familie sind. Wie meine Mutter, meine Schwester, meine Großmutter. Ich bin nicht allein. Ich teile mein Leid mit den Leuten. Natürlich: Manchmal tut es mir weh, dass ich Leid teilen muss. Aber vielleicht wandelt es sich ja in eine große Freude irgendwann.
Glauben Sie daran, Ihren Vater noch einmal in die Arme schließen zu können?
Ich bin fest davon überzeugt. Und vielleicht schon bald. Wer weiß?

Wächterrat im Iran lehnt Gesetz zu Verschärfung von Kopftuchzwang ab

5. Jänner 2015, DerStandardTeheran – Im Iran ist ein umstrittenes Gesetz zur Verschärfung des Kopftuchzwangs im Wächterrat gescheitert. Das einflussreiche konservative Gremium, das Gesetze auf ihre Übereinstimmung mit dem Islam und der Verfassung überprüft, wertete 14 der 24 Punkte des Gesetzes als verfassungswidrig, wie ein Sprecher am Samstag der Nachrichtenagentur Irna sagte.

Das Gesetz, das der Basij-Miliz mehr Rechte bei der Überprüfung und Durchsetzung der Kleiderordnung geben sollte, wurde zur Nachbesserung an das Parlament zurücküberwiesen.
Seit der iranischen Revolution 1979 gilt für Frauen und Männer eine strenge Kleiderordnung, die für Frauen ein Kopftuch vorschreibt, das Haare und Hals bedeckt, sowie weite Kleidung, die bis zu den Füßen und den Handgelenken reicht.
Widerstand gegen Kleidervorschriften
Diese Bestimmungen werden von einer Moralpolizei durchgesetzt, die Frauen ermahnen und bestrafen kann, wenn diese ihrer Ansicht nach falsch gekleidet und schlecht verhüllt sind. Die Kleidervorschriften treffen aber besonders in den größeren Städten seit Jahren auf Ablehnung und Widerstand.
Konservative Politiker und Geistliche fordern regelmäßig eine Verschärfung der Gesetze und der Kontrollen, um gegen bunte und lockersitzende Kopftücher oder zu enge oder zu kurze Mäntel vorzugehen. Der moderate Geistliche Hassan Rohani versprach bei seiner Wahl zum Präsidenten im Juni 2013, sich für mehr soziale und kulturelle Freiheit einzusetzen. Im Oktober distanzierte er sich von der Gesetzesinitiative und betonte, beim Kampf gegen “Laster” sollte sich die Gesellschaft nicht allein auf die Frage des Kopftuchs konzentrieren. (APA/AFP, 5.1.2015)

Iran: Streik im Waggonbau

29.12.2014-rf-news- Rund 900 Arbeiter im Eisenbahnwagenbau von Pars Wagon in der iranischen Stadt Arak traten am 24. Dezember in den Streik. Sie protestieren gegen die Entscheidung des Unternehmens, den Vertrag mit einem Gewerkschaftsvertreter nicht zu erneuern und die gewerkschaftlichen Rechte noch weiter zu beschneiden.

Die meisten Anteile an Pars Wagon gehören den "Revolutionsgarden", einer der Hauptstützen des reaktionär-faschistischen Mullah-Regimes.

Aus dem Flüchtlingsheim zur Golf-WM

28.12.2014 -RHEIN-NECKAR-Zeitung- Von Jürgen Hofherr: Osterburken. (hof) Im Jahre 2000 kam Ali Khazanbeik mit seiner Familie aus dem Iran nach Osterburken. Am Computer lernte er in der neuen Heimat das Golfspiel kennen, dass ihn so faszinierte, dass er eines Tages auf dem Merchinger Golplatz ging, um einmal einen richtigen Schläger in die Hand nehmen zu können.

Mittlerweile kommt der 19-Jährige seinem Ziel, Profi-Golfer zu werden, immer näher: Nachdem er 2012 und 2014 mit der iranischen Nationalmannschaft an der WM teilnehmen durfte, hat er jetzt Stipendium der University of Texas-Pan American erhalten. Künftig wird er für Golfmannschaft UTPA Broncs spielen.
Nachdem sie im Jahr 2000 als Flüchtlinge aus dem Iran nach Deutschland gekommen waren, lebten Ali Khazanbeik und seine Familie zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft in Osterburken. In dieser Zeit wurde Ali Khazanbeik auch eingeschult. Im Jahr 2011 schloss er die Realschule mit der Mittleren Reife ab, 2013 erwarb der junge Mann, der ursprünglich die Hauptschule hätte besuchen sollen, die Fachhochschulreife.
Ehrgeizig war er aber nicht nur in der Schule. Auch sportlich bewies Ali Khazanbeik bald sein Talent. Vor sechs Jahren kam er durch Zufall zum Golfsport: "Kaum zu glauben, aber zunächst lernte ich Golf als Computerspiel kennen. Dieses Spiel begeisterte mich so sehr, sodass ich es eines Tages wirklich ausprobieren wollte und zum nächsten Golfplatz fuhr", erzählt Ali Khazanbeik, dessen Talent dort von einem Trainer gleich erkannt wurde. 2008 erlangte Ali Khazanbeik seine Platzreife.
Beim Golfclub "Kaiserhöhe" in Merchingen begann er in der 7. Liga. Bald glänzte der jugendliche Golfer aus Osterburken mit sehr guten Platzierungen im nationalen Bereich, und so führte sein Weg aus dem Flüchtlingsheim geradewegs in den internationalen Golfsport.
Ali Khazanbeik wurde in die iranische Nationalmannschaft berufen, die ihm Türen in den internationalen Golfleistungssport öffnete. So nahm er an den Weltmeisterschaften 2012 in der Türkei und 2014 in Japan sowie an den Asienmeisterschaften im Jahr 2013 in Thailand teil.
Angesichts seiner Leistungen wurden bald auch andere Golfclubs auf das Talent aus dem Bauländer aufmerksam. So folgte der Wechsel aus Merchingen zum Golfclub Mannheim-Viernheim in die Bundesliga. Dort feierte Khazanbeik im August die Deutsche Meisterschaft.
Seine bisherige Laufbahn lässt auf ein enormes Potenzial schließen, weshalb auch Akteure aus dem Profibereich auf den Sportler aufmerksam wurden. Während der WM in Japan erhielt Ali Khazanbeik mehrere Angebote für Golf-Stipendien in den USA. Da er dort die besten Möglichkeiten sieht, den Golfsport und den für ihn wichtigen Bildungsweg zu vereinen, hat sich der junge Mann aus Osterburken dazu entschieden, das Stipendium der University of Texas-Pan American anzunehmen. Dort wird er nun für die Golfmannschaft UTPA Broncs spielen."Für mich ist das eine große Ehre und eine Bestätigung", freut er sich
Da es im "teuersten Sport der Welt" nicht ohne finanzielle Unterstützung von Sponsoren geht, hofft Ali Khazanbeik, dass durch das Stipendium nun auch heimische Firmen auf ihn aufmerksam werden und ihn und seine Karriere unterstützen. Auch mit kleineren Beiträgen kann man den Sportler sponsern. Der Golfer hat hierfür eine sogenannte Crowdfounding-Seite eingerichtet.
Seinem Ziel, Profigolfer zu werden, kommt Ali Khazanbeik immer näher.

10 Interviews mit Flüchtlingen, 10 Lebensgeschichten – Teil 7: “Aber du denkst ständig an dein Zuhause, deine Freunde, deine Familie, deine Erinnerungen”

Patrick Kulow -l-iz.de- 26.12.2014 – Im Interview: eine 1987 im Iran geborene Frau mit Bachelor-Aschluss als Ingenieuring, die 2010 gemeinsam mit ihrem Vater aus politischen Gründen nach Deutschland kam und seitdem im Landkreis Leipzig in einem Asylbewerberheim untergebracht ist. Mutter und Schwester mussten im Iran bleiben. – Genauso unterschiedlich, wie "wir Deutschen" sind, genauso unterschiedlich sind auch "die Flüchtlinge", die immer nur als eine Masse gesehen werden. Ein Blick in das Leben einzelner Asylsuchender, in ihre Erlebnisse, ihre Ängste, ihre Sorgen.

Vielleicht kannst du erstmal von einem "normalen" Tag im Asylheim erzählen?

Ich bin immer im Heim, mit meinem Vater oder einem anderen Iraner. Manchmal kommt ein Mädchen vorbei, macht was mit uns und bringt uns zum Lachen. Oder wir spielen Volleyball. Sie ist mir sehr wichtig. Und ich lerne viel selbständig, versuche Deutsch zu lernen. Neben meinen Hausaufgaben, lese ich immer parallel noch ein anderes Buch. Und an Weihnachten war ich letztes Jahr in Mönchengladbach bei meinem Onkel.

Manchmal fühle ich mich richtig schlecht und traurig und an anderen Tagen bin ich einigermaßen zufrieden und glücklich.

Wie sind die Zustände im Heim?

Die Bedingungen im Heim sind ok, nicht die besten, aber ok. Wir haben nur ein Badezimmer, aber ich denke, die Beziehungen untereinander sind hier besser als woanders. Aber du denkst ständig an dein Zuhause, deine Freunde, deine Familie, deine Erinnerungen. Ich fühl mich hier so einsam. Wenn ich in meinem Zimmer liege, kann ich meine neue Sitution einfach nicht begreifen. Was bringt die Zukunft, kann ich die Sprache lernen, was ist mit meinem Abschluss
aus dem Iran? Auf Grund der schlechten Bedingungen in meinem Heimatland, verlierst du einfach nur alles.

Wie geht es deinem Vater hier?

Meinem Vater geht es wie mir und er sorgt sich ständig um mich. Er macht sich noch Gedanken darüber, wie er Deutsch lernen soll und er will wirklich zur Schule gehen und es lernen. Meine Mutter und meine Schwester sind noch im Iran und er ist hier. Es ist so schwer für ihn. Im Iran hatte er alles und jetzt? Für ihn ist es wesentlich schwerer als für mich. Er ist jetzt 60 Jahre alt – im Iran hatte er Freunde, Geld, Familie und er hat alles verloren. Es ist wichtig für ihn, Deutsch zu lernen, weil er so die Möglichkeit hat, auch mal aus dem Heim zu kommen. Es ist sehr erdrückend, den ganzen Tag dort zu sein.
Warum musstest du dein Land verlassen?

Sie wollten die Männer und Frauen an der Universität voneinander trennen, dagegen habe ich protestiert. Ich habe es nicht eingesehen. Und mein Vater hat politische Texte gegen die Regierung verfasst. Sie sperrten mich ein und wollten von mir wissen, wo er ist. Sie dachten, wir würden zusammen gegen die Regierung arbeiten. Mein Onkel zahlte die Kaution für mich und ich kam aus dem Gefängnis frei. Sie würden nicht aufhören, meinen Vater zu suchen und mich auch nicht in Ruhe lassen – also sind wir nach Deutschland geflohen.

Was war dein größtes Problem, als du hier angekommen bist?

Wir sind weit weg von unseren Freunden und der Familie. Ich hatte keine Ahnung, was mich in Chemnitz erwarten würde. Es war wie im Gefängnis, ich habe den ganzen Tag geweint. Zum Glück war ich nur drei Tage da. Viele dort waren immer betrunken und haben rumgeschrien. Die Räume waren wie eine Gefängsniszelle und die Wände waren mit schlimmen Sachen zugeschmiert. Ich habe mich so schlecht gefühlt. Auch habe ich gehört, dass es zum Beispiel in Leipzig in den Heimen besser sein soll, da wird dir geholfen. Ich hatte das Gefühl, uns wollen sie nicht helfen.

Denkst du darüber nach, was passiert, wenn sie deinen Antrag ablehnen?

Ich versuche, nicht daran zu denken, weil es mich sehr stresst. Und mein Vater – er ist alt und sensibler als ich, ich mache mir Sorgen, was aus ihm wird. Ich versuche, einfach nicht daran zu denken.
Wie siehst du deine Zukunft?

Ich möchte meinen Master beenden oder vielleicht eine Ausbildung machen. Deutschland hat mir sehr geholfen und ich möchte das irgendwann zurückgeben – ich nehme nicht gern Geld von anderen, ich fühle mich schlecht dabei. Deswegen versuche ich so gut es geht, Deutsch zu lernen, damit ich hier arbeiten oder studieren kann. Aber ich weiß noch nicht, ob ich in Deutschland bleibe, ich weiß nicht, was in der Zukunft passieren wird. Im Moment ist es das Wichtigste, die Sprache zu lernen, weil ich jetzt hier lebe. Aber ich würde auch gern nach Amerika gehen, um dort mein Studium zu beenden, weil dort Verwandte wohnen.

Ich mag die Deutschen. Immer wenn ich junge Leute sehe, denke ich an meine Freunde und an meine Jugend im Iran und das macht mich traurig. Hier ist es einfacher und ihr seid freier. Es ist wirklich schwer. Ich denke, dass die iranische Regierung die Schlimmste auf der Welt ist. Satellitenreceiver, Internet, Facebook – alles ist verboten. Manchmal bleibt der Fernseher einfach schwarz und manche Sender gehen nicht. Die Polizei kann dich auch einfach einsperren, auch wenn du nur auf einer Party bist. Wenn du sie anrufst, wenn du einen Einbrecher zu Hause hast, interssiert es sie nicht, aber wenn du auf der Straße mit einem Jungen gesehen wirst und ihr euch küsst, sind sie nach einer Minute da.

Was wolltest Du schon immer mal sagen?

Ausländer sind nicht alle gleich! Es gibt einige, die kriminell sind, aber nicht alle sind so. Wir wollen gute Menschen hier in Deutschland sein. Hier kann sich niemand vorstellen, wie es im Iran ist. Du musst in der Situation sein, um zu verstehen, wie es uns im Iran ging. Die Leute dort leben unter schlimmen Bedingungen. Sie sperren dich für die einfachsten Dinge ein, töten dich dann vielleicht sogar im Gefängnis. Für Frauen ist es besonders hart, im Iran zu leben.

Information zum Interview: Dieses hier in leicht gekürzter Form wiedergegebene Interview wurde im April 2012 mit einer Asylsuchenden, die in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Leipzig untergebracht war, auf Englisch von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Bon Courage e.V. geführt. Trotz der Angst der Asylsuchenden vor späteren Konsequenzen waren diese bereit, die Gespräche zu führen und stimmten einer anonymisierten Veröffentlichung zu. An der Lebenssituation der Flüchtlinge hat sich seitdem nicht viel geändert. Das Thema ist genauso aktuell wie vor zwei Jahren. Das vollständige Interview mit dieser und vielen weiteren Asylsuchenden finden Sie in der Broschüre "Von außen sieht es nicht so schlimm aus …" des Bornaer Bon Courage e.V.

Hier ist die Broschüre erhältlich: www.boncourage.de/index.php5?go=856

10 Interviews mit Flüchtlingen, 10 Lebensgeschichten – Teil 6: “Asyl bedeutet für mich, ein Mensch zweiter Klasse zu sein.”

Patrick Kulow -l-iz.de- 25.12.2014 – Im Interview: ein 1985 in Syrien geborener staatenloser Kurde, der 2002 mit Hilfe eines Schleppers nach Deutschland kam und seitdem im Landkreis Leipzig untergebracht ist. – Genauso unterschiedlich, wie "wir Deutschen" sind, genauso unterschiedlich sind auch "die Flüchtlinge", die immer nur als eine Masse gesehen werden. Ein Blick in das Leben einzelner Asylsuchender, in ihre Erlebnisse, ihre Ängste, ihre Sorgen.

Welche Probleme belasten dich derzeit am meisten?

In einem Heim zu leben ist schwer, weil ich weder arbeiten, noch mich mehr als 20 km von hier entfernen darf, z.B. darf ich nicht nach Leipzig fahren, obwohl ich eigentlich fahren muss. Den ganzen Tag essen und schlafen.

Du bekommst gekürzte Leistungen und somit nur 10 € Taschengeld im Monat. Wie kannst du damit leben?

Das ist natürlich sehr schwer. Wie soll man mit 10 € im Monat leben? Ich bekomme außerdem 140 € Gutscheine. Davon darf ich aber nur Essen und Trinken kaufen.

Was musst du alles von den 10 € zahlen?

Ich muss u.a. die Fahrkarte von hier nach Borna bezahlen, vor allem, wenn es regnet oder wenn Winter ist und man nicht mit dem Fahrrad nach Borna fahren kann. Ich muss meinen Beitrag für den Fußballverein davon bezahlen, Telefonkosten, usw.

Welche Gesetze gelten nicht für Deutsche, aber für dich?

Zum Beispiel, dass ich meinen Reisepass bringen muss, was für mich aber unmöglich ist. In Syrien war ich ein staatenloser Kurde und das ist schwer, nun einen Hinweis von Syrien zu bekommen. Und da ich ihnen nicht die Papiere bringen kann, haben sie mein Taschengeld auf 10 € gekürzt. Die Ausländerbehörde sagt, ich begehe damit eine Strafe, aber ich kann den Pass einfach nicht bringen.

Was denkst du über die Ausländerbehörde?

Sie sind Beamte, manche sind nett, manche mittelmäßig und manche sind leider nicht so gut. Die Freundlichen haben ein nettes Gesicht und die Unfreundlichen erkennt man in ihrem Umgang mit uns, z.B. grüßen sie nicht, wenn wir an den Schalter herantreten. Sie gucken immer unfreundlich. Wenn du Duldung hast, behandeln sie dich unfreundlich. Im Vergleich dazu behandeln sie Menschen mit Aufenthalt viel freundlicher. Ich habe bereits viele Anträge gestellt, z.B. Antrag auf Arbeitserlaubnis, Befreiung von der Residenzpflicht und alles wurde abgelehnt, abgelehnt, abgelehnt. Wenn du nach dem Grund fragst, sagen sie nur: »Das ist Gesetz.« Sie verweisen in den Briefen auf Gesetze, aber ich kann nicht alle Briefe verstehen. Ich weiß auch nicht, ob das wirklich ein Gesetz ist oder nicht.

Was denkst du über deutsche Polizei?

Ich denke ähnlich über sie wie über die Beamten. Einmal hatte ich ein Problem mit einer deutschen Frau und die Frau hat die Polizei gerufen. Als die Polizisten kamen, haben sie nur die Frau begrüßt, mit der Hand, und mich nicht. Ich habe erklärt, dass es nicht meine Schuld war. Ich weiß nicht, ob alle so sind, aber von vielen fühle ich mich immer böse angeschaut.

Kommt Polizei oft ins Heim?

Ja, sie kommen oft. Vor etwa einem Monat waren ganz viele Polizisten im Heim wegen einer großen Kontrolle. Ich hatte große Angst. Wenn man 7 Uhr früh von einem Klopfen an der Tür geweckt wird und dahinter ein Polizist steht, dessen Gesicht ich nicht einmal erkennen kann, sondern nur die Augen sehe, dann bekommt man Angst. Dann würdest du auch Angst bekommen. Und ich habe ja auch gar nichts gemacht. Wenn ich die Polizei auf der Straße sehe, habe ich keine Angst.

Wie war deine erste Zeit in Deutschland?

Die erste Zeit in Deutschland war sehr schwer. Ich konnte kein Deutsch sprechen, viele haben zu uns gesagt, Sachsen wäre so schlimm und ich habe das geglaubt. Ich hatte Angst. Ich dachte, es gäbe in Sachsen nur schlechte Menschen. So wie man mir gesagt hat, sind 80% der Menschen hier schlecht. Aber mittlerweile geht es.

Warum hast du dein Land verlassen?

Wegen der Diskriminierung durch das syrische System.

Auf welchen Weg bist du nach Deutschland gekommen?

Ich bin von Syrien auf einem illegalen Weg in die Türkei. Und von der Türkei mit einem Schlepper nach Deutschland. Ich habe erst in Deutschland erfahren, dass ich in Deutschland bin. Ich kannte mein Ziel vorher nicht. Für die Flucht musste ich 4000 Dollar zahlen.

Wenn du gewusst hättest, was dich in Deutschland erwartet, würdest du noch mal fliehen?

Syrien würde ich immer wieder verlassen. Aber ich würde nicht nach Deutschland gehen. In anderen europäischen Ländern darf man sich frei bewegen und Asylsuchende bekommen eine Arbeitserlaubnis. Jetzt darf ich wegen den Gesetzen aber nicht mehr in ein anderes Land gehen, sie würden mich immer wieder nach Deutschland zurückschicken.

Hast du bereits einen Antrag auf Wohnung gestellt?

Ja, der Antrag wurde abgelehnt. Ich habe damals in Frohburg im Heim gelebt und musste immer nach Böhlen in die Schule. Ich wollte deswegen eine Wohnung in Borna haben. Ich wollte auch alleine leben. Später habe ich einen Antrag gestellt, dass ich im Heim ein eigenes Zimmer bekomme. Ich hatte Probleme mit meinem Mitbewohner, der starker Raucher war. Wir waren zu zweit in einem Zimmer. Er war 33 Jahre alt und durfte deswegen nicht zur Schule. Ich musste in dieser Zeit wegen der Schule immer um fünf Uhr aufstehen, also musste ich 22 Uhr schlafen gehen. Aber mein Mitbewohner hat immer ganz lange Fernsehen geschaut. Beide Anträge wurden abgelehnt, weil ich eine Duldung hatte. Wegen den beiden Anträgen musste ich nicht extra zum Gesundheitsamt gehen.

Warst du bereits in einer psychologischen Behandlung?

Nein, bisher nicht. Ich möchte aber gern gehen. Das ist meine eigene Vernachlässigung, denn ich denke, ich bräuchte in dieser Richtung Hilfe. Ich leide unter Schlaflosigkeit, ich schlafe nachts nur zwei bis drei Stunden und sonst liege ich wach und grüble nach. Ich mache mir Sorgen um meine Zukunft und über Abschiebung.

Hast du Angst, nicht in Deutschland bleiben zu können?

Ja, ich habe Angst, nicht in Deutschland bleiben zu können. Wenn ich zurückgehen muss, dann ist das gefährlich für mich, vor allem unter den heutigen Umständen in Syrien. Sie werden mich umbringen, schon am Flughafen.

Was bedeutet für dich Asyl?

Asyl bedeutet für mich, ein Mensch zweiter Klasse zu sein.

Wie hast du Deutsch gelernt?

Ich habe für zwei Jahre am Deutschunterricht in der Berufsschule Böhlen teilgenommen. Meine Idee war, danach einen Beruf zu lernen, aber das wurde wegen meiner Duldung abgelehnt. Ich wollte Mechaniker oder so etwas lernen. Der Beruf ist in Deutschland sehr wichtig. Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich sofort arbeiten gehen. Ich möchte arbeiten, weil es gut für mich ist und ich nicht mit der Langeweile im Heim kämpfen muss. Wenn man arbeitet vergisst man seine Probleme und ist abgelenkt. Ich könnte für mich selber sorgen. Ich finde es so schlimm, ein arbeitsfähiger junger Mann zu sein und von Sozialhilfe leben zu müssen. Ich könnte von meinem Geld leben und wäre nicht mehr abhängig von Ausländerbehörde oder Sozialamt.

Hast du Kontakt zu Deutschen?

Ich habe etwas Kontakt mit meinen Fußballkollegen. Aber nicht alle sind nett. Einige sind nicht nett. Zum Beispiel wenn wir in einer kleineren Gruppe zusammenstehen und jemand kommt, dann werde ich manchmal mit Absicht nicht begrüßt. Alle werden begrüßt, nur bei mir wird so getan, als wäre ich nicht da. Da wird sich einfach umgedreht und gegangen. Es sind nicht alle, in meiner Mannschaft sind das nur zwei. Ich fühle mich dann wie ein kleiner Mensch und ich mache mir Sorgen. Einmal hat mich auch jemand aus einer anderen Mannschaft als Ausländer beschimpft, ich werde das nie vergessen. Ich war in dem Spiel als Stürmer eingeteilt und jemand konnte nicht so schnell laufen und hat mich von hinten geschlagen. Du bist eine scheiß Ausländer, geh weg von mir. Das war scheiße. Ich habe mich schlecht gefühlt.

Wünschst du dir mehr Kontakt zu Deutschen?
Ja, ich wünsche mir mehr Kontakt zu Deutschen. Ich habe nicht so gute Freunde. Ich habe versucht, Deutsche kennenzulernen, aber es ist schwer. Wir haben zwei verschiedene Kulturen. In unserer Kultur ist das Kennlernen leichter, man geht einfach jemand in seinem Haus besuchen. Nur manchmal habe ich auch nach Spielen Kontakt mit meiner Mannschaft.

Wünschst du dir qualifizierte Sozialbetreuer?

Ja, das wäre sehr gut. Auch nach 10 Jahren sind für mich noch Briefe sehr schwer, aber viele können noch gar kein Deutsch. Manchmal helfen die Heimleiter beim Übersetzen. Manchmal versuche ich auch zu helfen.

Wo siehst du dich in Zukunft?

Keine Ahnung. Der Aufenthalt ist wichtig. Wenn ich Aufenthalt habe, dann sehe ich mich als Mensch. Mit einem Aufenthalt ist das Erste, dass ich einen Beruf lerne.

Mein größter Traum ist …

… Aufenthalt bekommen, einen Beruf lernen, mehr Kontakt mit Deutschen, Reisen machen und neue Kulturen kennenlernen z.B. in Indien

Ich möchte der ganzen Welt sagen …

…dass sich alle lieben und zufrieden leben sollen.

Information zum Interview: Dieses hier in leicht gekürzter Form wiedergegebene Interview wurde im April 2012 mit einem Asylsuchenden, der in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Leipzig untergebracht war, auf Deutsch von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Bon Courage e.V. geführt. Trotz der Angst der Asylsuchenden vor späteren Konsequenzen waren diese bereit, die Gespräche zu führen und stimmten einer anonymisierten Veröffentlichung zu. An der Lebenssituation der Flüchtlinge hat sich seitdem nicht viel geändert. Das Thema ist genauso aktuell wie vor zwei Jahren. Das vollständige Interview mit dieser und vielen weiteren Asylsuchenden finden Sie in der Broschüre "Von außen sieht es nicht so schlimm aus …" des Bornaer Bon Courage e.V.

Hier ist die Broschüre erhältlich:  www.boncourage.de/index.php5?go=856
 

10 Interviews mit Flüchtlingen, 10 Lebensgeschichten – Teil 5: “Du bist überrannt und fragst dich, warum dir das passieren musste”

Patrick Kulow -l-iz.de- 10.12.2014- Im Interview: ein 1987 in Moskau geborener Russe, der nach seinem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften im Jahr 2011 im Alter von 24 Jahren gemeinsam mit seiner Frau nach Deutschland kommt. Eigentlich will er aber gar nicht nach Deutschland. – Genauso unterschiedlich, wie "wir Deutschen" sind, genauso unterschiedlich sind auch "die Flüchtlinge", die immer nur als eine Masse gesehen werden. Ein Blick in das Leben einzelner Asylsuchender, in ihre Erlebnisse, ihre Ängste, ihre Sorgen.

Beschreibe uns deinen normalen Tag.

Normalerweise stehe ich um sechs oder um sieben auf. Dann trinke ich Tee und gehe nach meinem Frühstück zur Schule. Ich bin drei Tage in Borna und zwei Tage in Regis in der Schule. Danach habe ich viel Zeit und weiß nicht, was ich machen soll. Ich komme nach Hause und lerne ein bisschen Deutsch, lese die Nachrichten, um zu wissen, was in der Welt passiert. Das ist mein Tag.

Die Probleme mit der Schule sind, dass ich zwei Universitätsabschlüsse habe. Ich denke, ich kann zur Ausländerbehörde gehen und erklären, dass die Schule für mich nur Zeitverschwendung ist und ich zu Hause mehr Deutsch lernen kann.

Wir leben an einem Ort mit Menschen aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Denkweisen. Ich denke immer nach, wenn ich im Bett liege: Wer bin ich und was sollte ich machen? Leute reden über mich und sie reden hinter meinem Rücken über mich. In Moskau hatte ich nicht solche Probleme. Ich hatte meine Freunde, mein Netzwerk und wenn ich ein Problem hatte, konnte ich zu ihnen gehen. Und selbst meine Freunde in Moskau kann ich nicht kontaktieren. Ich weiß nicht, was in Moskau passiert. Das ist das System, in dem ich jetzt bin, das ist mein Leben in Deutschland.

Warum habt ihr Russland verlassen?

Wegen der Probleme, die ich hatte. Soll ich das richtige Problem erzählen, wollt ihr das hören? Das Hauptproblem: Ich habe studiert, um zu arbeiten. Wir leben nicht, um Geld zu verdienen. Wir verdienen Geld um weiterzuleben. Das ist das Prinzip.

Wenn du studierst und deine Zukunftspläne hast, ändern sich manchmal die Dinge. Du bist überrannt und fragst dich, warum dir das passieren musste. Das Hauptproblem ist, dass einige Leute wollten, dass ich für sie arbeite. Putin ist das dritte mal Präsident geworden und nun ist er Präsident für sechs Jahre. Das ist nicht normal. Das zeigt, dass die politische Stabilität fehlt. Wenn die politische Stabilität fehlt, dann fehlt sie auch in der Wirtschaft.

Und es gibt Leute, die diesen Missstand ausnutzen. Leute können tun und lassen, was sie wollen. Sie geben Geld und schaffen so Probleme aus der Welt. Und wenn solche Leute zu dir kommen und sagen, wir wollen, dass du für uns arbeitest und du fragst warum, dann sagen sie, wir haben viele Leute in der Wirtschaft, in Regierungsstrukturen. »Schwarzmänner«, »Schattenwirtschaft«, »Schattensystem«. Sie sagten mir: »Du wirst der weiße Mann sein und wir die Schwarzen, wir geben dir Geld, weil du intelligent bist, du kannst mehrere Sprachen, du kannst gut beeinflussen und überzeugen. Wir ziehen die Fäden, du machst, was wir dir sagen. Wir helfen dir, wir wissen, dass du dein Zweitstudium beginnen willst – wir finanzieren dir das.« Sie nannten mir Wirtschaftler und Regierungsabgeordnete, die für sie arbeiten würden. »Wir bezahlen sie. Und du wirst einer von ihnen sein.«

Ich lehnte ab. Ich hatte die Wahl und ich wählte. Wegen diesem Problem verlor meine Frau ihr erstes Kind, deshalb will ich keine weiteren Probleme. Ich sagte, ich brauche einige Zeit [um mich zu entscheiden], sodass wir Zeit gewinnen konnten. Und so veränderte sich unser Leben und wir verließen Moskau. Ich vermisse Moskau.

Wolltest du nach Deutschland kommen?

Nein, ich hatte nicht vor, nach Deutschland zu kommen. Ich hatte nicht vor, zu fliehen, ich plante meine Zukunft. Ich wollte nur das Leben meiner Familie und von mir retten und so entschied ich mich, Moskau zu verlassen. Ich mache mir nichts aus Deutschland.

In Chemnitz fragten sie mich nach Dokumenten. Aber ich habe sie nicht, ich dachte damals nicht daran, sie mitzunehmen. Was hätte ich denn zu meinen Eltern sagen sollen? Ich habe die Dokumente nicht, weil ich nicht herkommen wollte. Ich wollte nicht um Asyl bitten und Flüchtling sein. Das ist meine Geschichte.

Und wie ist die Beziehung zu den anderen hier im Heim lebenden Menschen?

Ich frage sie nicht, woher sie kommen und was ihr Name ist, ich glaube nicht, dass das normal ist, aber ich schere mich nicht darum. Ich schere mich nur um meine eigene Situation. Wenn ich nicht solche Fragen stelle bedeutet das, dass ich ihnen allen gleich begegne. Ich habe hier keine Freunde. Ein Freund ist für mich jemand, der erreichbar ist. Du zeigst mir deine Freunde und ich sage dir, was für ein Typ Mensch du bist.

Wie lange warst du in Chemnitz?

2 Monate oder 1 ½, ich erinnere mich nicht mehr genau.
Wie war dein Gefühl dort – Hattest du Angst oder warst du erschrocken?

Es gab in Chemnitz viele Prügeleien und der Grund war Alkohol. Wenn du nach Chemnitz gehst, siehst du, dass alles geschlossen ist, es gibt ein zentrales Eingangstor, was der einzige Eingang ist. Und es war kein Problem, Alkohol mit reinzubringen.

Sie haben sich geprügelt, sie haben sich selbst geschnitten und dort waren viele Familien. Wir kommen her, um unser Leben zu retten. Wir kommen nicht zum Prügeln. Wenn ich kämpfen wöllte, würde ich zurück nach Moskau gehen und meine Stärke zeigen und meine Kampffähigkeiten. Sie [an der Rezeption] sagte ja, wir verstehen dich, aber nun geh weg, wir müssen arbeiten. Nicht jeder aus Iran oder Pakistan ist ein echter Christ. Leute kamen zu mir und sagten: »Psst, ich bin kein richtiger Christ, ich sage das nur, um hier bleiben zu können.«

Ich sagte: »Ihr spielt mit eurem Glauben?« Jeden Tag bin ich immer wieder geschockt. Viele Leute lügen, und mir glauben sie dann nicht, weil sie denken ich lüge auch. Aber warum sollte ich lügen? Das ist nicht gut. Ich bin nicht hier wegen Sozialhilfe oder Geld, in Moskau hatte ich für meine 24 Jahre genug Geld. Ich arbeitete in Moskau und verdiente 2000 € im Monat. Ich erzählte ihnen das in Chemnitz auch. Sie fragten mich viele Fragen, ich verstand nicht, warum. Jetzt verstehe ich, warum. Sie müssen wissen, ob ich lüge, oder die Wahrheit erzähle oder ob ich nur das Geld will. Später traf ich solche Leute, sie waren wirklich froh, wenn sie eine Banane oder einen Apfel bekamen. Ich war geschockt – mit wem lebe ich hier. Aber das ist nun mal die Realität.

Vielleicht fragt ihr euch, warum erzählt er so viel. Es ist so: Seit ich in Deutschland bin, habe ich mit keinem darüber gesprochen. Ich hab all das in meinem Herzen und denke weiter und weiter und habe niemanden zum reden. Das ist das Problem. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich jetzt so offen darüber spreche.

Wo siehst du derzeit dein größtes Problem?

Ich fühle mich hier auf eine Art diskriminiert. Hier glauben sie mir nicht, sie glauben uns nicht und ich bin einer von ihnen. Die Beamten der Ausländerbehörde geben uns Gutscheine anstatt von Geld. Wenn du einkaufen gehst, schauen alle Leute und denken vielleicht, dass wir Kriminelle sind, denen man kein normales Geld geben kann. Natürlich sagen sie nichts, aber es ist schon genug, ihre Blicke zu spüren. Aber das passiert immer. Ich bin kein Krimineller. Das ist eine Art von Diskriminierung. Es gibt auch viele Deutsche, die Sozialhilfe beziehen und auch nur Tabak und Alkohol kaufen, weil sie deprimiert und depressiv sind.

Wir sind alle Menschen. Ich verstehe nicht, warum Leute hier so unfreundlich und unhöflich sind. Und manchmal denke ich, ich beginne, depressiv zu werden. Man denkt über Sachen nach, über die man eigentlich (noch)? nicht nachdenken sollte. Ich bin 24 Jahre alt und sollte eigentlich in die Zukunft blicken und über den Beginn meiner Karriere nachdenken. Aber nun bin ich in der Situation, in der mir Leute Dinge vorschreiben wollen.

Welches der Sondergesetze belastet dich am meisten?

Das Schlimmste ist, dass ich nicht arbeiten darf. Ich sehe viele Leute, die Geld bekommen und darüber froh sind. Aber ich kann das nicht, ich möchte kein Geld für nichts vom Staat. Es ist nicht gut, ich möchte arbeiten.

Wenn man mich in ein anderes Land schicken würde, würde ich es verstehen. Es ist euer Land, aber ich bin nicht hier, um das Land zu zerstören. Ich habe etwas im Kopf und ihr könnt ebenfalls davon profitieren. Ich kann ebenso meinen Tribut zur Gesellschaft beitragen, aber sie lassen mich nicht. Das ist das Gesetz und du darfst das Gesetz nicht brechen. Das ist das Schlimmste.
Was denkst du über deine Zukunft?

In meiner Situation? Ich hoffe, alles wird gut. Ich lerne Deutsch, weil ich denke, es ist eine gute Voraussetzung. Warum nicht? Ich habe genug Zeit. Ich lese zur Zeit viele Bücher. Und ich hoffe, wenn ich Deutsch gelernt habe und sie mir erlauben, hier zu bleiben, könnte ich meinen eigenen Beitrag leisten, um meine Dankbarkeit zu zeigen.

Was möchtest du noch loswerden?

Ich will zu meinen Anfangsworten zurückkehren und meine Dankbarkeit gegenüber den Deutschen zeigen, wegen dem, was sie getan haben und für mich tun. Sie sind auch nur Menschen und sie haben wie ich fünf Finger, aber die Hände sind verschieden. Ich lebe hier, ich bin nicht obdachlos, sie geben mir ein Dach über dem Kopf, sie geben mir Essen, sie geben mir alles. Deshalb bin ich dankbar.

Information zum Interview: Dieses hier in leicht gekürzter Form wiedergegebene Interview wurde im Mai 2012 mit einem Asylsuchenden, der in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Leipzig untergebracht ist, auf Deutsch von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Bon Courage e.V. geführt. Trotz der Angst der Asylsuchenden vor späteren Konsequenzen waren diese bereit, die Gespräche zu führen und stimmten einer anonymisierten Veröffentlichung zu. An der Lebenssituation der Flüchtlinge hat sich seitdem nicht viel geändert. Das Thema ist genauso aktuell wie vor zwei Jahren. Das vollständige Interview mit dieser und vielen weiteren Asylsuchenden finden Sie in der Broschüre "Von außen sieht es nicht so schlimm aus …" des Bornaer Bon Courage e.V.

Hier ist die Broschüre erhältlich: www.boncourage.de/index.php5?go=856