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Am Weg nach Ungarn – Politisches Asyl? Iran-Boxer taucht in Wien unter

Bild: stock.adobe.com, krone.at-Grafik

09.02.2018 – Kronen Zeitung – Eigentlich hätte Mobin Kahrareh in Budapest gegen Ungarn eingesetzt werden sollen, stattdessen tauchte der Boxer der iranischen Nationalmannschaft in Wien unter. Gleich nach der Ankunft auf dem Flughafen Wien-Schwechat soll er sich von den Kollegen abgesetzt haben. 

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Fenstersprung vor Abschiebung

2016-12-13 – Heute: Drama gestern in St. Pölten: Naser I. sollte nach Kroatien abgeschoben werden, sprang aus dem Fenster im 2. Stock, als die Polizei kam.

 

Der Iraner wurde verletzt ins Spital gebracht. Sagte dort: „Ich war verzweifelt. In Kroatien sind die Bedienungen übel.“ 

Aus dem Flüchtlingsheim zur Golf-WM

28.12.2014 -RHEIN-NECKAR-Zeitung- Von Jürgen Hofherr: Osterburken. (hof) Im Jahre 2000 kam Ali Khazanbeik mit seiner Familie aus dem Iran nach Osterburken. Am Computer lernte er in der neuen Heimat das Golfspiel kennen, dass ihn so faszinierte, dass er eines Tages auf dem Merchinger Golplatz ging, um einmal einen richtigen Schläger in die Hand nehmen zu können.

Mittlerweile kommt der 19-Jährige seinem Ziel, Profi-Golfer zu werden, immer näher: Nachdem er 2012 und 2014 mit der iranischen Nationalmannschaft an der WM teilnehmen durfte, hat er jetzt Stipendium der University of Texas-Pan American erhalten. Künftig wird er für Golfmannschaft UTPA Broncs spielen.
Nachdem sie im Jahr 2000 als Flüchtlinge aus dem Iran nach Deutschland gekommen waren, lebten Ali Khazanbeik und seine Familie zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft in Osterburken. In dieser Zeit wurde Ali Khazanbeik auch eingeschult. Im Jahr 2011 schloss er die Realschule mit der Mittleren Reife ab, 2013 erwarb der junge Mann, der ursprünglich die Hauptschule hätte besuchen sollen, die Fachhochschulreife.
Ehrgeizig war er aber nicht nur in der Schule. Auch sportlich bewies Ali Khazanbeik bald sein Talent. Vor sechs Jahren kam er durch Zufall zum Golfsport: "Kaum zu glauben, aber zunächst lernte ich Golf als Computerspiel kennen. Dieses Spiel begeisterte mich so sehr, sodass ich es eines Tages wirklich ausprobieren wollte und zum nächsten Golfplatz fuhr", erzählt Ali Khazanbeik, dessen Talent dort von einem Trainer gleich erkannt wurde. 2008 erlangte Ali Khazanbeik seine Platzreife.
Beim Golfclub "Kaiserhöhe" in Merchingen begann er in der 7. Liga. Bald glänzte der jugendliche Golfer aus Osterburken mit sehr guten Platzierungen im nationalen Bereich, und so führte sein Weg aus dem Flüchtlingsheim geradewegs in den internationalen Golfsport.
Ali Khazanbeik wurde in die iranische Nationalmannschaft berufen, die ihm Türen in den internationalen Golfleistungssport öffnete. So nahm er an den Weltmeisterschaften 2012 in der Türkei und 2014 in Japan sowie an den Asienmeisterschaften im Jahr 2013 in Thailand teil.
Angesichts seiner Leistungen wurden bald auch andere Golfclubs auf das Talent aus dem Bauländer aufmerksam. So folgte der Wechsel aus Merchingen zum Golfclub Mannheim-Viernheim in die Bundesliga. Dort feierte Khazanbeik im August die Deutsche Meisterschaft.
Seine bisherige Laufbahn lässt auf ein enormes Potenzial schließen, weshalb auch Akteure aus dem Profibereich auf den Sportler aufmerksam wurden. Während der WM in Japan erhielt Ali Khazanbeik mehrere Angebote für Golf-Stipendien in den USA. Da er dort die besten Möglichkeiten sieht, den Golfsport und den für ihn wichtigen Bildungsweg zu vereinen, hat sich der junge Mann aus Osterburken dazu entschieden, das Stipendium der University of Texas-Pan American anzunehmen. Dort wird er nun für die Golfmannschaft UTPA Broncs spielen."Für mich ist das eine große Ehre und eine Bestätigung", freut er sich
Da es im "teuersten Sport der Welt" nicht ohne finanzielle Unterstützung von Sponsoren geht, hofft Ali Khazanbeik, dass durch das Stipendium nun auch heimische Firmen auf ihn aufmerksam werden und ihn und seine Karriere unterstützen. Auch mit kleineren Beiträgen kann man den Sportler sponsern. Der Golfer hat hierfür eine sogenannte Crowdfounding-Seite eingerichtet.
Seinem Ziel, Profigolfer zu werden, kommt Ali Khazanbeik immer näher.

10 Interviews mit Flüchtlingen, 10 Lebensgeschichten – Teil 7: “Aber du denkst ständig an dein Zuhause, deine Freunde, deine Familie, deine Erinnerungen”

Patrick Kulow -l-iz.de- 26.12.2014 – Im Interview: eine 1987 im Iran geborene Frau mit Bachelor-Aschluss als Ingenieuring, die 2010 gemeinsam mit ihrem Vater aus politischen Gründen nach Deutschland kam und seitdem im Landkreis Leipzig in einem Asylbewerberheim untergebracht ist. Mutter und Schwester mussten im Iran bleiben. – Genauso unterschiedlich, wie "wir Deutschen" sind, genauso unterschiedlich sind auch "die Flüchtlinge", die immer nur als eine Masse gesehen werden. Ein Blick in das Leben einzelner Asylsuchender, in ihre Erlebnisse, ihre Ängste, ihre Sorgen.

Vielleicht kannst du erstmal von einem "normalen" Tag im Asylheim erzählen?

Ich bin immer im Heim, mit meinem Vater oder einem anderen Iraner. Manchmal kommt ein Mädchen vorbei, macht was mit uns und bringt uns zum Lachen. Oder wir spielen Volleyball. Sie ist mir sehr wichtig. Und ich lerne viel selbständig, versuche Deutsch zu lernen. Neben meinen Hausaufgaben, lese ich immer parallel noch ein anderes Buch. Und an Weihnachten war ich letztes Jahr in Mönchengladbach bei meinem Onkel.

Manchmal fühle ich mich richtig schlecht und traurig und an anderen Tagen bin ich einigermaßen zufrieden und glücklich.

Wie sind die Zustände im Heim?

Die Bedingungen im Heim sind ok, nicht die besten, aber ok. Wir haben nur ein Badezimmer, aber ich denke, die Beziehungen untereinander sind hier besser als woanders. Aber du denkst ständig an dein Zuhause, deine Freunde, deine Familie, deine Erinnerungen. Ich fühl mich hier so einsam. Wenn ich in meinem Zimmer liege, kann ich meine neue Sitution einfach nicht begreifen. Was bringt die Zukunft, kann ich die Sprache lernen, was ist mit meinem Abschluss
aus dem Iran? Auf Grund der schlechten Bedingungen in meinem Heimatland, verlierst du einfach nur alles.

Wie geht es deinem Vater hier?

Meinem Vater geht es wie mir und er sorgt sich ständig um mich. Er macht sich noch Gedanken darüber, wie er Deutsch lernen soll und er will wirklich zur Schule gehen und es lernen. Meine Mutter und meine Schwester sind noch im Iran und er ist hier. Es ist so schwer für ihn. Im Iran hatte er alles und jetzt? Für ihn ist es wesentlich schwerer als für mich. Er ist jetzt 60 Jahre alt – im Iran hatte er Freunde, Geld, Familie und er hat alles verloren. Es ist wichtig für ihn, Deutsch zu lernen, weil er so die Möglichkeit hat, auch mal aus dem Heim zu kommen. Es ist sehr erdrückend, den ganzen Tag dort zu sein.
Warum musstest du dein Land verlassen?

Sie wollten die Männer und Frauen an der Universität voneinander trennen, dagegen habe ich protestiert. Ich habe es nicht eingesehen. Und mein Vater hat politische Texte gegen die Regierung verfasst. Sie sperrten mich ein und wollten von mir wissen, wo er ist. Sie dachten, wir würden zusammen gegen die Regierung arbeiten. Mein Onkel zahlte die Kaution für mich und ich kam aus dem Gefängnis frei. Sie würden nicht aufhören, meinen Vater zu suchen und mich auch nicht in Ruhe lassen – also sind wir nach Deutschland geflohen.

Was war dein größtes Problem, als du hier angekommen bist?

Wir sind weit weg von unseren Freunden und der Familie. Ich hatte keine Ahnung, was mich in Chemnitz erwarten würde. Es war wie im Gefängnis, ich habe den ganzen Tag geweint. Zum Glück war ich nur drei Tage da. Viele dort waren immer betrunken und haben rumgeschrien. Die Räume waren wie eine Gefängsniszelle und die Wände waren mit schlimmen Sachen zugeschmiert. Ich habe mich so schlecht gefühlt. Auch habe ich gehört, dass es zum Beispiel in Leipzig in den Heimen besser sein soll, da wird dir geholfen. Ich hatte das Gefühl, uns wollen sie nicht helfen.

Denkst du darüber nach, was passiert, wenn sie deinen Antrag ablehnen?

Ich versuche, nicht daran zu denken, weil es mich sehr stresst. Und mein Vater – er ist alt und sensibler als ich, ich mache mir Sorgen, was aus ihm wird. Ich versuche, einfach nicht daran zu denken.
Wie siehst du deine Zukunft?

Ich möchte meinen Master beenden oder vielleicht eine Ausbildung machen. Deutschland hat mir sehr geholfen und ich möchte das irgendwann zurückgeben – ich nehme nicht gern Geld von anderen, ich fühle mich schlecht dabei. Deswegen versuche ich so gut es geht, Deutsch zu lernen, damit ich hier arbeiten oder studieren kann. Aber ich weiß noch nicht, ob ich in Deutschland bleibe, ich weiß nicht, was in der Zukunft passieren wird. Im Moment ist es das Wichtigste, die Sprache zu lernen, weil ich jetzt hier lebe. Aber ich würde auch gern nach Amerika gehen, um dort mein Studium zu beenden, weil dort Verwandte wohnen.

Ich mag die Deutschen. Immer wenn ich junge Leute sehe, denke ich an meine Freunde und an meine Jugend im Iran und das macht mich traurig. Hier ist es einfacher und ihr seid freier. Es ist wirklich schwer. Ich denke, dass die iranische Regierung die Schlimmste auf der Welt ist. Satellitenreceiver, Internet, Facebook – alles ist verboten. Manchmal bleibt der Fernseher einfach schwarz und manche Sender gehen nicht. Die Polizei kann dich auch einfach einsperren, auch wenn du nur auf einer Party bist. Wenn du sie anrufst, wenn du einen Einbrecher zu Hause hast, interssiert es sie nicht, aber wenn du auf der Straße mit einem Jungen gesehen wirst und ihr euch küsst, sind sie nach einer Minute da.

Was wolltest Du schon immer mal sagen?

Ausländer sind nicht alle gleich! Es gibt einige, die kriminell sind, aber nicht alle sind so. Wir wollen gute Menschen hier in Deutschland sein. Hier kann sich niemand vorstellen, wie es im Iran ist. Du musst in der Situation sein, um zu verstehen, wie es uns im Iran ging. Die Leute dort leben unter schlimmen Bedingungen. Sie sperren dich für die einfachsten Dinge ein, töten dich dann vielleicht sogar im Gefängnis. Für Frauen ist es besonders hart, im Iran zu leben.

Information zum Interview: Dieses hier in leicht gekürzter Form wiedergegebene Interview wurde im April 2012 mit einer Asylsuchenden, die in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Leipzig untergebracht war, auf Englisch von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Bon Courage e.V. geführt. Trotz der Angst der Asylsuchenden vor späteren Konsequenzen waren diese bereit, die Gespräche zu führen und stimmten einer anonymisierten Veröffentlichung zu. An der Lebenssituation der Flüchtlinge hat sich seitdem nicht viel geändert. Das Thema ist genauso aktuell wie vor zwei Jahren. Das vollständige Interview mit dieser und vielen weiteren Asylsuchenden finden Sie in der Broschüre "Von außen sieht es nicht so schlimm aus …" des Bornaer Bon Courage e.V.

Hier ist die Broschüre erhältlich: www.boncourage.de/index.php5?go=856

10 Interviews mit Flüchtlingen, 10 Lebensgeschichten – Teil 6: “Asyl bedeutet für mich, ein Mensch zweiter Klasse zu sein.”

Patrick Kulow -l-iz.de- 25.12.2014 – Im Interview: ein 1985 in Syrien geborener staatenloser Kurde, der 2002 mit Hilfe eines Schleppers nach Deutschland kam und seitdem im Landkreis Leipzig untergebracht ist. – Genauso unterschiedlich, wie "wir Deutschen" sind, genauso unterschiedlich sind auch "die Flüchtlinge", die immer nur als eine Masse gesehen werden. Ein Blick in das Leben einzelner Asylsuchender, in ihre Erlebnisse, ihre Ängste, ihre Sorgen.

Welche Probleme belasten dich derzeit am meisten?

In einem Heim zu leben ist schwer, weil ich weder arbeiten, noch mich mehr als 20 km von hier entfernen darf, z.B. darf ich nicht nach Leipzig fahren, obwohl ich eigentlich fahren muss. Den ganzen Tag essen und schlafen.

Du bekommst gekürzte Leistungen und somit nur 10 € Taschengeld im Monat. Wie kannst du damit leben?

Das ist natürlich sehr schwer. Wie soll man mit 10 € im Monat leben? Ich bekomme außerdem 140 € Gutscheine. Davon darf ich aber nur Essen und Trinken kaufen.

Was musst du alles von den 10 € zahlen?

Ich muss u.a. die Fahrkarte von hier nach Borna bezahlen, vor allem, wenn es regnet oder wenn Winter ist und man nicht mit dem Fahrrad nach Borna fahren kann. Ich muss meinen Beitrag für den Fußballverein davon bezahlen, Telefonkosten, usw.

Welche Gesetze gelten nicht für Deutsche, aber für dich?

Zum Beispiel, dass ich meinen Reisepass bringen muss, was für mich aber unmöglich ist. In Syrien war ich ein staatenloser Kurde und das ist schwer, nun einen Hinweis von Syrien zu bekommen. Und da ich ihnen nicht die Papiere bringen kann, haben sie mein Taschengeld auf 10 € gekürzt. Die Ausländerbehörde sagt, ich begehe damit eine Strafe, aber ich kann den Pass einfach nicht bringen.

Was denkst du über die Ausländerbehörde?

Sie sind Beamte, manche sind nett, manche mittelmäßig und manche sind leider nicht so gut. Die Freundlichen haben ein nettes Gesicht und die Unfreundlichen erkennt man in ihrem Umgang mit uns, z.B. grüßen sie nicht, wenn wir an den Schalter herantreten. Sie gucken immer unfreundlich. Wenn du Duldung hast, behandeln sie dich unfreundlich. Im Vergleich dazu behandeln sie Menschen mit Aufenthalt viel freundlicher. Ich habe bereits viele Anträge gestellt, z.B. Antrag auf Arbeitserlaubnis, Befreiung von der Residenzpflicht und alles wurde abgelehnt, abgelehnt, abgelehnt. Wenn du nach dem Grund fragst, sagen sie nur: »Das ist Gesetz.« Sie verweisen in den Briefen auf Gesetze, aber ich kann nicht alle Briefe verstehen. Ich weiß auch nicht, ob das wirklich ein Gesetz ist oder nicht.

Was denkst du über deutsche Polizei?

Ich denke ähnlich über sie wie über die Beamten. Einmal hatte ich ein Problem mit einer deutschen Frau und die Frau hat die Polizei gerufen. Als die Polizisten kamen, haben sie nur die Frau begrüßt, mit der Hand, und mich nicht. Ich habe erklärt, dass es nicht meine Schuld war. Ich weiß nicht, ob alle so sind, aber von vielen fühle ich mich immer böse angeschaut.

Kommt Polizei oft ins Heim?

Ja, sie kommen oft. Vor etwa einem Monat waren ganz viele Polizisten im Heim wegen einer großen Kontrolle. Ich hatte große Angst. Wenn man 7 Uhr früh von einem Klopfen an der Tür geweckt wird und dahinter ein Polizist steht, dessen Gesicht ich nicht einmal erkennen kann, sondern nur die Augen sehe, dann bekommt man Angst. Dann würdest du auch Angst bekommen. Und ich habe ja auch gar nichts gemacht. Wenn ich die Polizei auf der Straße sehe, habe ich keine Angst.

Wie war deine erste Zeit in Deutschland?

Die erste Zeit in Deutschland war sehr schwer. Ich konnte kein Deutsch sprechen, viele haben zu uns gesagt, Sachsen wäre so schlimm und ich habe das geglaubt. Ich hatte Angst. Ich dachte, es gäbe in Sachsen nur schlechte Menschen. So wie man mir gesagt hat, sind 80% der Menschen hier schlecht. Aber mittlerweile geht es.

Warum hast du dein Land verlassen?

Wegen der Diskriminierung durch das syrische System.

Auf welchen Weg bist du nach Deutschland gekommen?

Ich bin von Syrien auf einem illegalen Weg in die Türkei. Und von der Türkei mit einem Schlepper nach Deutschland. Ich habe erst in Deutschland erfahren, dass ich in Deutschland bin. Ich kannte mein Ziel vorher nicht. Für die Flucht musste ich 4000 Dollar zahlen.

Wenn du gewusst hättest, was dich in Deutschland erwartet, würdest du noch mal fliehen?

Syrien würde ich immer wieder verlassen. Aber ich würde nicht nach Deutschland gehen. In anderen europäischen Ländern darf man sich frei bewegen und Asylsuchende bekommen eine Arbeitserlaubnis. Jetzt darf ich wegen den Gesetzen aber nicht mehr in ein anderes Land gehen, sie würden mich immer wieder nach Deutschland zurückschicken.

Hast du bereits einen Antrag auf Wohnung gestellt?

Ja, der Antrag wurde abgelehnt. Ich habe damals in Frohburg im Heim gelebt und musste immer nach Böhlen in die Schule. Ich wollte deswegen eine Wohnung in Borna haben. Ich wollte auch alleine leben. Später habe ich einen Antrag gestellt, dass ich im Heim ein eigenes Zimmer bekomme. Ich hatte Probleme mit meinem Mitbewohner, der starker Raucher war. Wir waren zu zweit in einem Zimmer. Er war 33 Jahre alt und durfte deswegen nicht zur Schule. Ich musste in dieser Zeit wegen der Schule immer um fünf Uhr aufstehen, also musste ich 22 Uhr schlafen gehen. Aber mein Mitbewohner hat immer ganz lange Fernsehen geschaut. Beide Anträge wurden abgelehnt, weil ich eine Duldung hatte. Wegen den beiden Anträgen musste ich nicht extra zum Gesundheitsamt gehen.

Warst du bereits in einer psychologischen Behandlung?

Nein, bisher nicht. Ich möchte aber gern gehen. Das ist meine eigene Vernachlässigung, denn ich denke, ich bräuchte in dieser Richtung Hilfe. Ich leide unter Schlaflosigkeit, ich schlafe nachts nur zwei bis drei Stunden und sonst liege ich wach und grüble nach. Ich mache mir Sorgen um meine Zukunft und über Abschiebung.

Hast du Angst, nicht in Deutschland bleiben zu können?

Ja, ich habe Angst, nicht in Deutschland bleiben zu können. Wenn ich zurückgehen muss, dann ist das gefährlich für mich, vor allem unter den heutigen Umständen in Syrien. Sie werden mich umbringen, schon am Flughafen.

Was bedeutet für dich Asyl?

Asyl bedeutet für mich, ein Mensch zweiter Klasse zu sein.

Wie hast du Deutsch gelernt?

Ich habe für zwei Jahre am Deutschunterricht in der Berufsschule Böhlen teilgenommen. Meine Idee war, danach einen Beruf zu lernen, aber das wurde wegen meiner Duldung abgelehnt. Ich wollte Mechaniker oder so etwas lernen. Der Beruf ist in Deutschland sehr wichtig. Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich sofort arbeiten gehen. Ich möchte arbeiten, weil es gut für mich ist und ich nicht mit der Langeweile im Heim kämpfen muss. Wenn man arbeitet vergisst man seine Probleme und ist abgelenkt. Ich könnte für mich selber sorgen. Ich finde es so schlimm, ein arbeitsfähiger junger Mann zu sein und von Sozialhilfe leben zu müssen. Ich könnte von meinem Geld leben und wäre nicht mehr abhängig von Ausländerbehörde oder Sozialamt.

Hast du Kontakt zu Deutschen?

Ich habe etwas Kontakt mit meinen Fußballkollegen. Aber nicht alle sind nett. Einige sind nicht nett. Zum Beispiel wenn wir in einer kleineren Gruppe zusammenstehen und jemand kommt, dann werde ich manchmal mit Absicht nicht begrüßt. Alle werden begrüßt, nur bei mir wird so getan, als wäre ich nicht da. Da wird sich einfach umgedreht und gegangen. Es sind nicht alle, in meiner Mannschaft sind das nur zwei. Ich fühle mich dann wie ein kleiner Mensch und ich mache mir Sorgen. Einmal hat mich auch jemand aus einer anderen Mannschaft als Ausländer beschimpft, ich werde das nie vergessen. Ich war in dem Spiel als Stürmer eingeteilt und jemand konnte nicht so schnell laufen und hat mich von hinten geschlagen. Du bist eine scheiß Ausländer, geh weg von mir. Das war scheiße. Ich habe mich schlecht gefühlt.

Wünschst du dir mehr Kontakt zu Deutschen?
Ja, ich wünsche mir mehr Kontakt zu Deutschen. Ich habe nicht so gute Freunde. Ich habe versucht, Deutsche kennenzulernen, aber es ist schwer. Wir haben zwei verschiedene Kulturen. In unserer Kultur ist das Kennlernen leichter, man geht einfach jemand in seinem Haus besuchen. Nur manchmal habe ich auch nach Spielen Kontakt mit meiner Mannschaft.

Wünschst du dir qualifizierte Sozialbetreuer?

Ja, das wäre sehr gut. Auch nach 10 Jahren sind für mich noch Briefe sehr schwer, aber viele können noch gar kein Deutsch. Manchmal helfen die Heimleiter beim Übersetzen. Manchmal versuche ich auch zu helfen.

Wo siehst du dich in Zukunft?

Keine Ahnung. Der Aufenthalt ist wichtig. Wenn ich Aufenthalt habe, dann sehe ich mich als Mensch. Mit einem Aufenthalt ist das Erste, dass ich einen Beruf lerne.

Mein größter Traum ist …

… Aufenthalt bekommen, einen Beruf lernen, mehr Kontakt mit Deutschen, Reisen machen und neue Kulturen kennenlernen z.B. in Indien

Ich möchte der ganzen Welt sagen …

…dass sich alle lieben und zufrieden leben sollen.

Information zum Interview: Dieses hier in leicht gekürzter Form wiedergegebene Interview wurde im April 2012 mit einem Asylsuchenden, der in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Leipzig untergebracht war, auf Deutsch von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Bon Courage e.V. geführt. Trotz der Angst der Asylsuchenden vor späteren Konsequenzen waren diese bereit, die Gespräche zu führen und stimmten einer anonymisierten Veröffentlichung zu. An der Lebenssituation der Flüchtlinge hat sich seitdem nicht viel geändert. Das Thema ist genauso aktuell wie vor zwei Jahren. Das vollständige Interview mit dieser und vielen weiteren Asylsuchenden finden Sie in der Broschüre "Von außen sieht es nicht so schlimm aus …" des Bornaer Bon Courage e.V.

Hier ist die Broschüre erhältlich:  www.boncourage.de/index.php5?go=856
 

10 Interviews mit Flüchtlingen, 10 Lebensgeschichten – Teil 5: “Du bist überrannt und fragst dich, warum dir das passieren musste”

Patrick Kulow -l-iz.de- 10.12.2014- Im Interview: ein 1987 in Moskau geborener Russe, der nach seinem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften im Jahr 2011 im Alter von 24 Jahren gemeinsam mit seiner Frau nach Deutschland kommt. Eigentlich will er aber gar nicht nach Deutschland. – Genauso unterschiedlich, wie "wir Deutschen" sind, genauso unterschiedlich sind auch "die Flüchtlinge", die immer nur als eine Masse gesehen werden. Ein Blick in das Leben einzelner Asylsuchender, in ihre Erlebnisse, ihre Ängste, ihre Sorgen.

Beschreibe uns deinen normalen Tag.

Normalerweise stehe ich um sechs oder um sieben auf. Dann trinke ich Tee und gehe nach meinem Frühstück zur Schule. Ich bin drei Tage in Borna und zwei Tage in Regis in der Schule. Danach habe ich viel Zeit und weiß nicht, was ich machen soll. Ich komme nach Hause und lerne ein bisschen Deutsch, lese die Nachrichten, um zu wissen, was in der Welt passiert. Das ist mein Tag.

Die Probleme mit der Schule sind, dass ich zwei Universitätsabschlüsse habe. Ich denke, ich kann zur Ausländerbehörde gehen und erklären, dass die Schule für mich nur Zeitverschwendung ist und ich zu Hause mehr Deutsch lernen kann.

Wir leben an einem Ort mit Menschen aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Denkweisen. Ich denke immer nach, wenn ich im Bett liege: Wer bin ich und was sollte ich machen? Leute reden über mich und sie reden hinter meinem Rücken über mich. In Moskau hatte ich nicht solche Probleme. Ich hatte meine Freunde, mein Netzwerk und wenn ich ein Problem hatte, konnte ich zu ihnen gehen. Und selbst meine Freunde in Moskau kann ich nicht kontaktieren. Ich weiß nicht, was in Moskau passiert. Das ist das System, in dem ich jetzt bin, das ist mein Leben in Deutschland.

Warum habt ihr Russland verlassen?

Wegen der Probleme, die ich hatte. Soll ich das richtige Problem erzählen, wollt ihr das hören? Das Hauptproblem: Ich habe studiert, um zu arbeiten. Wir leben nicht, um Geld zu verdienen. Wir verdienen Geld um weiterzuleben. Das ist das Prinzip.

Wenn du studierst und deine Zukunftspläne hast, ändern sich manchmal die Dinge. Du bist überrannt und fragst dich, warum dir das passieren musste. Das Hauptproblem ist, dass einige Leute wollten, dass ich für sie arbeite. Putin ist das dritte mal Präsident geworden und nun ist er Präsident für sechs Jahre. Das ist nicht normal. Das zeigt, dass die politische Stabilität fehlt. Wenn die politische Stabilität fehlt, dann fehlt sie auch in der Wirtschaft.

Und es gibt Leute, die diesen Missstand ausnutzen. Leute können tun und lassen, was sie wollen. Sie geben Geld und schaffen so Probleme aus der Welt. Und wenn solche Leute zu dir kommen und sagen, wir wollen, dass du für uns arbeitest und du fragst warum, dann sagen sie, wir haben viele Leute in der Wirtschaft, in Regierungsstrukturen. »Schwarzmänner«, »Schattenwirtschaft«, »Schattensystem«. Sie sagten mir: »Du wirst der weiße Mann sein und wir die Schwarzen, wir geben dir Geld, weil du intelligent bist, du kannst mehrere Sprachen, du kannst gut beeinflussen und überzeugen. Wir ziehen die Fäden, du machst, was wir dir sagen. Wir helfen dir, wir wissen, dass du dein Zweitstudium beginnen willst – wir finanzieren dir das.« Sie nannten mir Wirtschaftler und Regierungsabgeordnete, die für sie arbeiten würden. »Wir bezahlen sie. Und du wirst einer von ihnen sein.«

Ich lehnte ab. Ich hatte die Wahl und ich wählte. Wegen diesem Problem verlor meine Frau ihr erstes Kind, deshalb will ich keine weiteren Probleme. Ich sagte, ich brauche einige Zeit [um mich zu entscheiden], sodass wir Zeit gewinnen konnten. Und so veränderte sich unser Leben und wir verließen Moskau. Ich vermisse Moskau.

Wolltest du nach Deutschland kommen?

Nein, ich hatte nicht vor, nach Deutschland zu kommen. Ich hatte nicht vor, zu fliehen, ich plante meine Zukunft. Ich wollte nur das Leben meiner Familie und von mir retten und so entschied ich mich, Moskau zu verlassen. Ich mache mir nichts aus Deutschland.

In Chemnitz fragten sie mich nach Dokumenten. Aber ich habe sie nicht, ich dachte damals nicht daran, sie mitzunehmen. Was hätte ich denn zu meinen Eltern sagen sollen? Ich habe die Dokumente nicht, weil ich nicht herkommen wollte. Ich wollte nicht um Asyl bitten und Flüchtling sein. Das ist meine Geschichte.

Und wie ist die Beziehung zu den anderen hier im Heim lebenden Menschen?

Ich frage sie nicht, woher sie kommen und was ihr Name ist, ich glaube nicht, dass das normal ist, aber ich schere mich nicht darum. Ich schere mich nur um meine eigene Situation. Wenn ich nicht solche Fragen stelle bedeutet das, dass ich ihnen allen gleich begegne. Ich habe hier keine Freunde. Ein Freund ist für mich jemand, der erreichbar ist. Du zeigst mir deine Freunde und ich sage dir, was für ein Typ Mensch du bist.

Wie lange warst du in Chemnitz?

2 Monate oder 1 ½, ich erinnere mich nicht mehr genau.
Wie war dein Gefühl dort – Hattest du Angst oder warst du erschrocken?

Es gab in Chemnitz viele Prügeleien und der Grund war Alkohol. Wenn du nach Chemnitz gehst, siehst du, dass alles geschlossen ist, es gibt ein zentrales Eingangstor, was der einzige Eingang ist. Und es war kein Problem, Alkohol mit reinzubringen.

Sie haben sich geprügelt, sie haben sich selbst geschnitten und dort waren viele Familien. Wir kommen her, um unser Leben zu retten. Wir kommen nicht zum Prügeln. Wenn ich kämpfen wöllte, würde ich zurück nach Moskau gehen und meine Stärke zeigen und meine Kampffähigkeiten. Sie [an der Rezeption] sagte ja, wir verstehen dich, aber nun geh weg, wir müssen arbeiten. Nicht jeder aus Iran oder Pakistan ist ein echter Christ. Leute kamen zu mir und sagten: »Psst, ich bin kein richtiger Christ, ich sage das nur, um hier bleiben zu können.«

Ich sagte: »Ihr spielt mit eurem Glauben?« Jeden Tag bin ich immer wieder geschockt. Viele Leute lügen, und mir glauben sie dann nicht, weil sie denken ich lüge auch. Aber warum sollte ich lügen? Das ist nicht gut. Ich bin nicht hier wegen Sozialhilfe oder Geld, in Moskau hatte ich für meine 24 Jahre genug Geld. Ich arbeitete in Moskau und verdiente 2000 € im Monat. Ich erzählte ihnen das in Chemnitz auch. Sie fragten mich viele Fragen, ich verstand nicht, warum. Jetzt verstehe ich, warum. Sie müssen wissen, ob ich lüge, oder die Wahrheit erzähle oder ob ich nur das Geld will. Später traf ich solche Leute, sie waren wirklich froh, wenn sie eine Banane oder einen Apfel bekamen. Ich war geschockt – mit wem lebe ich hier. Aber das ist nun mal die Realität.

Vielleicht fragt ihr euch, warum erzählt er so viel. Es ist so: Seit ich in Deutschland bin, habe ich mit keinem darüber gesprochen. Ich hab all das in meinem Herzen und denke weiter und weiter und habe niemanden zum reden. Das ist das Problem. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich jetzt so offen darüber spreche.

Wo siehst du derzeit dein größtes Problem?

Ich fühle mich hier auf eine Art diskriminiert. Hier glauben sie mir nicht, sie glauben uns nicht und ich bin einer von ihnen. Die Beamten der Ausländerbehörde geben uns Gutscheine anstatt von Geld. Wenn du einkaufen gehst, schauen alle Leute und denken vielleicht, dass wir Kriminelle sind, denen man kein normales Geld geben kann. Natürlich sagen sie nichts, aber es ist schon genug, ihre Blicke zu spüren. Aber das passiert immer. Ich bin kein Krimineller. Das ist eine Art von Diskriminierung. Es gibt auch viele Deutsche, die Sozialhilfe beziehen und auch nur Tabak und Alkohol kaufen, weil sie deprimiert und depressiv sind.

Wir sind alle Menschen. Ich verstehe nicht, warum Leute hier so unfreundlich und unhöflich sind. Und manchmal denke ich, ich beginne, depressiv zu werden. Man denkt über Sachen nach, über die man eigentlich (noch)? nicht nachdenken sollte. Ich bin 24 Jahre alt und sollte eigentlich in die Zukunft blicken und über den Beginn meiner Karriere nachdenken. Aber nun bin ich in der Situation, in der mir Leute Dinge vorschreiben wollen.

Welches der Sondergesetze belastet dich am meisten?

Das Schlimmste ist, dass ich nicht arbeiten darf. Ich sehe viele Leute, die Geld bekommen und darüber froh sind. Aber ich kann das nicht, ich möchte kein Geld für nichts vom Staat. Es ist nicht gut, ich möchte arbeiten.

Wenn man mich in ein anderes Land schicken würde, würde ich es verstehen. Es ist euer Land, aber ich bin nicht hier, um das Land zu zerstören. Ich habe etwas im Kopf und ihr könnt ebenfalls davon profitieren. Ich kann ebenso meinen Tribut zur Gesellschaft beitragen, aber sie lassen mich nicht. Das ist das Gesetz und du darfst das Gesetz nicht brechen. Das ist das Schlimmste.
Was denkst du über deine Zukunft?

In meiner Situation? Ich hoffe, alles wird gut. Ich lerne Deutsch, weil ich denke, es ist eine gute Voraussetzung. Warum nicht? Ich habe genug Zeit. Ich lese zur Zeit viele Bücher. Und ich hoffe, wenn ich Deutsch gelernt habe und sie mir erlauben, hier zu bleiben, könnte ich meinen eigenen Beitrag leisten, um meine Dankbarkeit zu zeigen.

Was möchtest du noch loswerden?

Ich will zu meinen Anfangsworten zurückkehren und meine Dankbarkeit gegenüber den Deutschen zeigen, wegen dem, was sie getan haben und für mich tun. Sie sind auch nur Menschen und sie haben wie ich fünf Finger, aber die Hände sind verschieden. Ich lebe hier, ich bin nicht obdachlos, sie geben mir ein Dach über dem Kopf, sie geben mir Essen, sie geben mir alles. Deshalb bin ich dankbar.

Information zum Interview: Dieses hier in leicht gekürzter Form wiedergegebene Interview wurde im Mai 2012 mit einem Asylsuchenden, der in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Leipzig untergebracht ist, auf Deutsch von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Bon Courage e.V. geführt. Trotz der Angst der Asylsuchenden vor späteren Konsequenzen waren diese bereit, die Gespräche zu führen und stimmten einer anonymisierten Veröffentlichung zu. An der Lebenssituation der Flüchtlinge hat sich seitdem nicht viel geändert. Das Thema ist genauso aktuell wie vor zwei Jahren. Das vollständige Interview mit dieser und vielen weiteren Asylsuchenden finden Sie in der Broschüre "Von außen sieht es nicht so schlimm aus …" des Bornaer Bon Courage e.V.

Hier ist die Broschüre erhältlich: www.boncourage.de/index.php5?go=856

10 Interviews mit Flüchtlingen, 10 Lebensgeschichten – Teil 4: “Es ist wie: Du musst hier nicht leben, also geh!”

Patrick Kulow – l-iz.de – 06.12.2014- Im Interview: eine junge Frau, die 2011 im Alter von 19 Jahren wegen des Krieges aus Lybien flieht und zu ihrer Tante will, die schon viele Jahre in Dortmund lebt. Nach mehreren Monaten in verschiedenen Heimen wird ihr in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Leipzig ein Platz zugewiesen. Sie spricht über ihre Erlebnisse bei der Ankunft und ihr jetziges Leben in Angst. – Genauso unterschiedlich, wie "wir Deutschen" sind, genauso unterschiedlich sind auch "die Flüchtlinge", die immer nur als eine Masse gesehen werden. Ein Blick in das Leben einzelner Asylsuchender, in ihre Erlebnisse, ihre Ängste, ihre Sorgen.

Könntest du deinen Alltag beschreiben?

Als ich nach Deutschland kam, konnte ich kein Wort Deutsch. Ich habe gar nicht daran gedacht, Asyl zu beantragen. Ich habe nur gehofft, dass es mir besser geht und ich wieder zurück nach Hause gehen kann oder wenn ich in einem anderen Land leben muss, dann in einem, wo Englisch gesprochen wird. Also habe ich ein oder zwei Monate hier gelebt, ohne irgendwas zu beantragen. Meine Tante, sie ist schon lange hier, aber in Dortmund. Also den ersten Tag wusste sie nicht, dass ich ohne Papiere hier bin und sie sagte, ich muss Asyl beantragen, denn sonst bin ich illegal hier. Ich wurde dann in eine Unterkunft in Dortmund gebracht.

Aber ich bin nicht dort geblieben, ich blieb bei meiner Tante und dann kamen sie und sagten, ich muss nach Chemnitz. Als ich da hin kam, das war der schlimmste Tag in meinem Leben. Es war wie ein Gefängnis – überall waren Mauern und Zäune, wenn du irgendwo hin wolltest, kam jemand mit dem Schlüssel und musste dir die Tür aufmachen. Jedes mal, wenn das so war, hast du dich noch mehr wie in einem Gefängnis gefühlt. Und dort waren so schlimme Leute – Leute, die aus dem Gefängnis ausgebrochen sind zusammen mit Familien, mit Kindern und allem. Das Heim hier (Anm. d. Red.: im Landkreis Leipzig) ist Luxus im Vergleich dazu. Aber es gibt kein Badezimmer – es gibt nur ein Loch im Boden und das ist die Dusche und es stinkt, du kannst da nicht hin. Die Leute klopfen die ganze Nacht an deine Tür, sie sind betrunken, ich bin damals erst 19 geworden – es war schrecklich.

Und du hattest dort keine Freunde oder Bekannte?

Nein, es war schrecklich. Alle essen am selben Ort, sie tun Medizin in das Essen, damit die verrückten Leute ruhig sind. Immer, wenn du gegessen hast, hast du erst mal geschlafen.

Also hast du nichts gegessen?

Nein, ich habe mir Obst und Gemüse gekauft. Als ich hier ankam, dachte ich „Okay, was ist das?“. Von außen sieht es nicht schlimm aus, aber das ist ein Trick. Von außen sieht es wie ein normales Haus aus, mit Garten und du denkst "Es ist okay." Und dann kam ich rein und es stinkt, der Boden ist dreckig. Das Kochgeschirr ist dreckig und benutzt und auch beschädigt. Es ist alles verbrannt, wie 100 Jahre alt. Du kriegst einen Metallschrank und dann gehst du ins Badezimmer, wo noch mehr Chaos herrscht. Zwei Leute müssen sich ein kleines Zimmer teilen.

Also musstest du dein Zimmer mit jemanden teilen, den du nicht kanntest?

Ja, und vielleicht ist die andere Person nicht wie du, er will nicht schlafen, sondern die ganze Nacht aufbleiben, aber du willst schlafen. Oder er ist einfach ein lauter Mensch – du hast kein Privatleben. Du lebst also mit einer anderen Person zusammen – vielleicht ist sie sauber, vielleicht aber auch nicht. Du hast keine Chance, du musst einfach mit ihr leben. Aller 15 Tage darfst du deine Bettwäsche wechseln. Sie hat Löcher und ist – wie immer – dreckig. Ich hatte ein Loch in meinem Fenster und mein Rollo war auch kaputt, also habe ich den Hausmeister gebeten, es zu reparieren. Es war kalt, denn es war im Winter. Und er hat gelacht. Er hat es nicht repariert. Er hat nur gelacht, weil ich gesagt habe, dass es kalt ist. Ich habe es dann selber mit Papier dicht gemacht, damit der kalte Wind nicht rein zieht – es hat geschneit. Er macht gar nichts. Es ist wie: »Du musst nicht hier leben, also geh.«

Hast du eine Idee, warum er es nicht getan hat?

Wenn er das nicht macht, musst du zur Ausländerbehörde. Aber die Ausländerbehörde ist noch schlimmer als er. Er weiß also, wenn er es nicht macht, kommt auch niemand anderes und fragt, warum er das nicht macht, weil es sie nicht interessiert. Wenn du frierst oder dich schlecht fühlst, ist es ihnen egal. Ich dachte, ich kann noch jemand anderes fragen.

Ich ging zur Ausländerbehörde wegen der Schule. Denn wir dürfen nicht zur Schule gehen. Aber ich bin erst 19. In meiner Schule war ich gerade im 1. Semester. Ich ging zur Ausländerbehörde und fragte: »Wir sind hier in Deutschland, ihr wollt mit uns nicht in Englisch oder anderen Sprachen reden und ihr wollt nicht, dass wir irgendwo die Sprache lernen. Was sollen wir also machen?« Und sie sagte nur: »Das ist nicht unsere Angelegenheit, das muss das Schulamt machen« und dann musst du warten, bis eine Antwort kommt. Ich fragte, wann meine Antwort kommt – für gewöhnlich nach drei Monaten. Ich kenne Leute, die seit zwei Monaten da sind und sie haben nie eine Antwort bekommen. Es gibt Leute, die seit 9, 10 Jahren hier sind und kein Wort deutsch sprechen. Du bist zwar in Deutschland, aber es ist, als ob du nicht mit anderen Leuten in Kontakt kommen darfst. Du bleibst einfach separiert und erst wenn gesagt wird, dass du raus gehen darfst, gehst du raus. Wir sagen nichts, wir haben keine Verbindungen zu anderen Leuten. Nicht in meinem Alter, keine Freunde, niemand.

Die Leute haben Depressionen. Sie werden psychisch krank. Manche töten sich selbst. Und manche sind so gewalttätig, weil sie gefangen sind in diesem »Wald«, weißt du? Es ist so weit weg. Und sie ärgern sich so sehr über solche Kleinigkeiten. Als ich dort war, habe ich versucht, zu kochen – ich weiß nicht, wie man kocht. Ich habe noch nie gekocht, ich war Einzelkind und musste nicht kochen, nicht putzen, nichts. Als ich in Thräna war, hatte ich Hunger, also musste ich kochen, aber ich habe das Essen verbrannt. Und da war eine türkische Frau, die anfing zu schreien. Ich habe sie nicht verstanden, weil ich mich immer wieder entschuldigt habe und gesagt habe, dass es keine Absicht war. Sie regte sich auf, dass der Rauch in ihr Zimmer zog und ich sagte immer wieder, dass ich das nicht wollte. Ich habe sie nicht verstanden, man wird einfach verrückt mit der Zeit – es passiert etwas und man explodiert.

Das einzige, was sie aus Spaß machen, ist wenn sie Volleyball spielen. Dann kommen sie aus ihrem Alltag raus – man sitzt nur da, isst und trinkt und wartet auf den nächsten Tag und tut dann genau dasselbe. Aber du solltest reden können, du solltest zur Ausländerbehörde gehen können und nach etwas fragen können. Denn du weißt nichts – du bist hier, du kennst die Gesetze nicht, du hast keine Ahnung, was du machen darfst und was nicht. Denn jedes Land hat sein eigenes Gesetz, also musst du wissen, was zu respektieren ist. Aber niemand redet mit dir. Die Leute sprechen Englisch und sie verstehen dich. Aber sie sprechen nicht mit dir. Sie sagen, wir sind hier in Deutschland und wir müssen deutsch sprechen.

Es gibt Leute, der Vater, die Mutter und das Baby müssen zusammen in einem sehr kleinen Raum leben. Da werden die drei Betten zusammen geschoben und was von dem Raum übrig bleibt, ist ein schmaler Gang, wo noch eine Sitzmöglichkeit hingestellt wird. Ich meine, zeige mir einen Menschen, der den ganzen Tag nur schläft…
Wenn ich durch die Straßen gehe, habe ich immer Angst. Die Polizei gibt dir das Gefühl, dass du eine Kriminelle bist. Ich mache gar nichts, ich laufe einfach nur durch die Straße und du fühlst dich, also ob du jemanden ermordet hast. Dabei habe ich nie irgendwas getan in meinem Leben – nichts, ich habe nicht geklaut, nichts. Aber ich habe Angst. Selbst jetzt noch.

Wenn irgendwas nicht stimmt und irgendwas in der Umgebung passiert, sieht dich jeder an. So wie: »Hm, sie war’s!« Und ich denke dann immer: »Okay Leute, ich habe gar nichts gemacht.« Es ist, als ob immer, wenn irgendwas Schlimmes passiert, es deine Schuld ist. Egal ob du es warst, oder nicht – es war deine Schuld.

Zum Beispiel, wenn du in den Supermarkt gehst: Okay, es gibt Leute, die dort klauen, das weiß ich. Aber auf der ganzen Welt gibt es Leute, die klauen. Aber wenn sie dich sehen, geht der Sicherheitsdienst immer hinter dir. Wo immer du hingehst, der Sicherheitsdienst geht hinter dir, um zu schauen. Es gibt viele Leute, die klauen. Ich meine, es gibt Kameras, man kann mich sehen. Wenn du zu Rossmann gehst, und zum Beispiel Vitamine kaufst, öffnet die Verkäuferin alles, um zu sehen, dass du nichts geklaut hast. Und nach dir ist jemand dran und sie öffnet nichts. Ich meine, wenn sie das machen, dann respektiere ich das, aber dann bei allen Leuten und nicht nur bei mir. Nur weil du eine dunklere Hautfarbe hast, bist du es immer. Und mit der Zeit wirst du sauer. Du fragst dich: »Warum immer ich? Was habe ich Falsches getan?«

Du hast also oft das Gefühl, dass du eine Kriminelle bist, nur weil du nicht wie jeder andere auf der Straße aussiehst?

Ja, nur weil ich keine blauen Augen habe. Im Heim ist es so, dass sich alle die Haare blond färben. Alle. Alle ausländischen Frauen – nach zwei oder drei Monaten gehen sie sich ihre Haare blond färben. Als ob sie sich verstecken. So: »Jetzt sehe ich ein bisschen mehr so aus.« Es ist so lächerlich. Manchmal beobachte ich Leute – zum Beispiel Leute aus dem Kosovo, also osteuropäisch, sie sehen wie deutsche Menschen aus, also sind sie total glücklich. Denn niemand sieht sie an, weißt du?

Und wenn jemand kriminell ist, warum steckt man ihn mit uns zusammen? Wir sind auch Menschen. Wir wollen nichts Gefährliches um uns herum. Nein, sie schicken jeden da hin. Da war ein Mann aus dem Iran. Er war für fünf Jahre im Gefängnis, hier, nicht im Iran. Sie haben ihn einfach zu uns geschickt und er war psychisch krank, er war fünf Jahre lang im Gefängnis, was kann man erwarten? Er war immer betrunken, saß immer am Fenster mit den Beinen draußen und er hat alle angestarrt. Er guckt auf deine Brüste, deinen Hintern, auf so eine sexuelle Art. Er sagte schlimme Dinge: »Lass uns Sex haben, lass uns ficken.« Was zur Hölle, ich mein, es ist sexueller Missbrauch, wenn er dich so anschaut und schlimme Dinge sagt. Du darfst nicht sagen »Okay, ich will das nicht.« Du musst damit leben.

Hast du ein paar Freunde gefunden?
Hier? Nein. Denn selbst in der Schule ist die ganze Klasse mit Ausländern, weil es ein Deutschkurs ist. Hier ist es schwer, Freunde zu finden, denn ich bin alleine hier, ohne Familie oder irgendwas. Zum Beispiel, wenn du im Bus sitzt – niemand redet mit dir. Oder auch im Zug – niemand redet mit dir. Wenn du ins Kino gehst – niemand redet mit dir. Wenn du in die Stadt gehst – niemand redet mit dir. Es kann einfach nicht passieren…

Was denkst du, warum die Leute nicht mit dir reden?

Ich kann die Antwort nicht finden. Vielleicht weil, ich weiß nicht, normalerweise, wenn man Leute von irgendwo her sieht, hat man dieses Bild von ihnen, das ist normal. Es gibt Leute, die sehen dich auf eine schöne Art und Weise an. Sie lächeln oder sie machen gar nichts, keinen Schaden, weißt du? Aber es gibt Leute, die kennen dich nicht, sie sehen dich nur in der Straße und sie beginnen, schlimme Dinge zu sagen, zu gucken. Und man hört zu, denn am Anfang weiß man nicht, was er sagen wird, oder sie. Aber du fühlst, dass er schlimme Dinge sagt. Der Ausdruck lässt dich merken, dass er wütend ist, dass du hier bist. Aber was er gesagt hat, verstehst du nicht.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Ich möchte meine Aufenthaltsgenehmigung und einen deutschen Pass. Außerdem will ich gerne als Freiwillige in Kriegsgebieten arbeiten. Es gibt so viele Menschen, die Hilfe brauchen, aber niemand kümmert sich. Dabei wäre das so wichtig. Aber erst mal sollte man mit jemandem reden können, man sollte zur Ausländerbehörde gehen und nach etwas fragen können – einfach ein Mensch sein!

Information zum Interview: Dieses hier in leicht gekürzter Form wiedergegebene Interview wurde im August 2012 mit einer Asylsuchenden, die in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Leipzig untergebracht ist, auf Deutsch von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Bon Courage e.V. geführt. Trotz der Angst der Asylsuchenden vor späteren Konsequenzen waren diese bereit, die Gespräche zu führen und stimmten einer anonymisierten Veröffentlichung zu. An der Lebenssituation der Flüchtlinge hat sich seitdem nicht viel geändert. Das Thema ist genauso aktuell wie vor zwei Jahren. Das vollständige Interview mit dieser und vielen weiteren Asylsuchenden finden Sie in der Broschüre "Von außen sieht es nicht so schlimm aus …" des Bornaer Bon Courage e.V.

Hier ist die Broschüre erhältlich: www.boncourage.de/index.php5?go=856
 

10 Interviews mit Flüchtlingen, 10 Lebensgeschichten – Teil 3: “Ich habe gehofft, dass hier endlich mal Ruhe ist”

Patrick Kulow -l-iz.de- 01.12.2014 – Im Interview: ein 11-jähriges Mädchen, das gemeinsam mit der Mutter 2010 aus Mazedonien vor dem eigenen Vater fliehen musste und hoffte, bei der Cousine der Mutter in Deutschland ein neues Leben beginnen zu können. Das Mädchen berichtet von den Erlebnissen im Wohnheim im Landkreis Leipzig und den Wünschen für die Zukunft. – Genauso unterschiedlich, wie "wir Deutschen" sind, genauso unterschiedlich sind auch "die Flüchtlinge", die immer nur als eine Masse gesehen werden. Ein Blick in das Leben einzelner Asylsuchender, in ihre Erlebnisse, ihre Ängste, ihre Sorgen.

Warum bist du nach Deutschland gekommen?

Mein Vater hat viel meine Mama geschlagen und da konnten wir nicht in Familie gehen, weil ich habe nicht ihr Blut und meine Mama wollen die auch nicht. Wir wollten von meinem Vater weg.

War es schwer für dich, dein Zuhause zu verlassen und nach Deutschland zu kommen?

Nein. Ich war fröhlich, dass ich irgendwo anders hinkomme und dass ich mit meiner Mama alleine leben kann.

Welche Hoffnungen/ Wünsche hattest du, als du nach Deutschland gekommen bist? Was hast du gedacht, wird anders?

Dass hier eine andere Kultur ist. Und ich habe gehofft, dass hier endlich mal Ruhe ist.

Was vermisst du von deinem alten Leben?

Nichts. Nur meine Freunde und meine Oma. Die anderen vermisse ich gar nicht.

Wolltet ihr gezielt nach Deutschland oder in ein anderes Land in Europa?

Wir wollten nach Deutschland. Weil hier ist meine Mamas Cousine. Dann haben wir dort die Anmeldung gemacht und sind nach Chemnitz gekommen. Dort war es ganz schrecklich.

Warum?

Naja, da war alles schmutzig und die Männer waren immer betrunken. Da gab’s manchmal Schlägerei und so.

Hattest du in Chemnitz mit deiner Mama ein eigenes Zimmer?

Nur ein Zimmer und die Betten waren so scheiße. Wir sind viermal in andere Zimmer gegangen, weil die Männer immer betrunken waren.

Auf welchem Weg seid ihr nach Deutschland gekommen?

Wir sind einen Tag mit dem Bus gefahren.

Wie ging es weiter, als ihr in Deutschland angekommen seid?

Meine Mamas Cousine hat uns abgeholt und dann sind wir zu ihr gegangen. Dort haben wir uns einen Tag versteckt und sind dann zu meiner Tante. Dann sind wir zur Polizei gegangen und dort hat meine Mama alles gegeben. Dann war eine schwarze Mann da und er hat mit uns geredet und gefragt, gefragt, gefragt und dann haben wir Essen bekommen. Dann sind wir mit dem Zug viel gefahren, es war dunkel.

Welches Gefühl hattest du dann als du in Deutschland warst? Hattest du Angst, warst du glücklich?

Wo ich das Heim in Chemnitz gesehen habe, habe ich zu meiner Mama gesagt, hier schlafe ich nicht. Dort saß ich dann die ganze Zeit und hatte Angst. Die Leute dort waren so dumm und alles war schmutzig. Die Toiletten waren schmutzig und haben gestunken und das Essen schmeckte überhaupt nicht.

Und nach zwei Wochen seid ihr dann in das neue Heim gekommen?

Von Chemnitz sind wir dann mit dem Taxi gefahren. Da haben wir gedacht, wir bekommen eine Wohnung. Dann sind wir hierher gekommen und ich habe gedacht, das ist ja gleich wie Chemnitz. Dort haben wir dann eine Frau kennengelernt und meine Mama hat Kaffee getrunken und sie hatte ein Mädchen, mit dem habe ich gespielt.

Wie war es für dich, in Deutschland in eine neue Schule zu kommen?

Naja, ich war zuerst 1. Klasse. Das war voll einfach.

Hast du schnell Freunde gefunden?

Nein, das war nicht gut. Die haben alle gefragt »Wie heißt du?« und ich habe sie nicht verstanden. Ich bin immer weggegangen, aber alle Kinder sind mir hinterher gekommen und wollten wissen, wie alt ich bin und wie ich heiße, aber ich habe sie nicht verstanden.

Was waren für dich die größten Probleme im Asylheim?

Dass die Männer so dumm sind und manchmal machen die Problem. Und einmal haben die Feuer im Heim gemacht. Das war am schlimmsten. Wenn die Männer Probleme machen, bekomme ich immer Angst. Und der Hausmeister, der war auch schlimm. Im Heim hat es auch immer gestunken. Alle müssen in einer Küche kochen und kochen was anderes, aus andere Land und dann stinkt es übelst.

Wie war das Verhältnis zu anderen Heimbewohnern?

Naja, manche waren gut.

Welche Probleme hattest du im Heim?

Es war immer laut im Heim und da ging es mir schlecht. Ich konnte nie schlafen. Kopfschmerzen hatte ich und Migräne.

Wie ist es für euch, mit Gutscheinen einkaufen zu gehen?

Gut. Wenn die Leute gucken ist es mir egal.

Wie seid ihr denn vorher einkaufen gegangen?

Im Magazin. Da gab’s so ‘nen Keller und da war überall Essen und die Frauen waren so frech. Die lügen manchmal und machen das Essen teurer.

Geht es dir jetzt besser, nachdem du und deine Mutti eine eigene Wohnung bekommen habt?

Ich habe noch Angst. Vor allem vor den Fenstern.

Hast du manchmal Probleme mit anderen Kindern, weil du nicht in Deutschland geboren bist?

Naja, manchmal. Vor allem mit Mädchen. Ein Mädchen hat mal in der Schule gesagt: »Ich hasse Ausländer!« aber das ist mir egal. Ich habe gesagt: »Ich hasse Nazis.«

Hast du Angst davor, nicht in Deutschland bleiben zu dürfen?

Ja, davor habe ich Angst. Manchmal denke ich, es könnte auch Polizei kommen.

Was denkst du, was passieren würde, wenn ihr wieder nach Mazedonien müsst?

Alles würde wieder von vorne anfangen. Meine Mama würde bestimmt tot gemacht werden von meinem Vater. Die Familie würde bestimmt Schlampe sagen und werden denken, dass meine Mama in Deutschland geheiratet hat.

Wie siehst du deine Zukunft?

Manchmal denke ich, ich bleibe in Deutschland und mache meine Schule. Aber manchmal denke ich auch, ich bin nicht so sicher in Deutschland. Ich würde meine Schule fertig machen und vielleicht als Krankenschwester oder Kosmetikerin arbeiten oder im Kinderheim.

Was ist derzeit dein größter Wunsch?

Dass mein Papa uns vergisst. Und dass alles wird wie früher, als meine Mama 14 war und meinen Papa noch nicht kannte.

Was weißt du noch alles über deinen Vater?

Dass er viel Alkohol trinkt und Drogen nimmt. Viele Zigaretten raucht und überall das Geld gibt.

Wurdest auch du von deinem Vater geschlagen?

Mich hat er auch geschlagen. Als ich noch klein war, hat er sich immer mit meiner Mama gestritten und sie geschlagen.

Was findest du nicht gut an Deutschland?

Dass manche Leute nicht Ausländer lieben und denken, die sind einfach so gekommen. Das ist nicht gut. Wir sind hier, weil wir haben viele Probleme und die Deutschen wissen das nicht.

Was sollte Deutschland noch anders machen?

Die könnten ja ein Heim machen, aber wo alle eine eigene Wohnung haben. Mit eigener Dusche und eigener Küche.

Wie ist es für dich, dass deine Mama nicht lesen und schreiben kann?

Das ist für mich schwer. Manchmal bekommen wir Brief und dann sagt sie »Lies mal« Aber das kann ich nicht. Das kommt mir schwer. Ich kann es lesen, aber ich verstehe nicht, was in dem Brief steht.

Gibt es etwas, was du der Welt noch sagen möchtest?

Die Leute sollen meine Geschichte glauben.

Information zum Interview: Dieses hier nur in leicht gekürzter Form wiedergegebene Interview wurde im Juni 2012 mit einer Asylsuchenden, die in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Leipzig untergebracht ist, auf Deutsch von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Bon Courage e.V. geführt. Trotz der Angst der Asylsuchenden vor späteren Konsequenzen waren diese bereit, die Gespräche zu führen und stimmten einer anonymisierten Veröffentlichung zu. An der Lebenssituation der Flüchtlinge hat sich seitdem nicht viel geändert. Das Thema ist genauso aktuell wie vor zwei Jahren. Das vollständige Interview mit dieser und vielen weiteren Asylsuchenden finden Sie in der Broschüre "Von außen sieht es nicht so schlimm aus …" des Bornaer Bon Courage e.V.

Hier ist die Broschüre erhältlich: www.boncourage.de/index.php5?go=856
 

10 Interviews mit Flüchtlingen, 10 Lebensgeschichten – Teil 2: “Die Heime hier sind so schlimm … man wird hier verrückt”

Patrick Kulow – 30.11.2014 – l-iz.de – Im Interview: eine 1977 geborene Frau aus dem westafrikanischen Ghana. 2004 flieht die damals 27-Jährige aus politischen Gründen aus ihrem Heimatland und will zu ihrem Mann nach Deutschland, nach Hamburg. Sie wird aber in einem Flüchtlingsheim im Landkreis Leipzig untergebracht. 2011 bekommt sie ein Kind und lebt seitdem mit ihrem Sohn in einem 11-m²-Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft südlich von Leipzig. – Genauso unterschiedlich, wie "wir Deutschen" sind, genauso unterschiedlich sind auch "die Flüchtlinge", die immer nur als eine Masse gesehen werden. Ein Blick in das Leben einzelner Asylsuchender, in ihre Erlebnisse, ihre Ängste, ihre Sorgen.

Warum bist du nach Deutschland gekommen? Wolltest du gezielt nach Deutschland oder in ein anderes Land in Europa?

Ich hatte Probleme mit der Politik in Ghana. Eigentlich wollte ich nach England, wegen der Sprache. Aber hier ist es schwer für mich wegen der Sprache.

Was vermisst du von deinem Leben in Ghana am meisten?

Viel. Am meisten vermisse ich meine Familie. Meine Eltern und Freunde sind alle noch Ghana.

Was war dein Eindruck von dem Asylheim?

Schlimm. Ein Zimmer für vier Leute. Wenn du zum Doktor gehen willst, musst du alles selber bezahlen. Es gibt keine Hilfe von der Ausländerbehörde oder vom Sozialamt. Wir bekommen so wenig Geld und müssen alles selber bezahlen. Damals gab es noch Magazinversorgung. Das Essen war so teuer. Zum Beispiel Brötchen: Im Kaufland bezahlst du 0,35 € und im Magazin bezahlte man für die gleichen Brötchen 0,99 €.

Wie war es für dich, beim Bundesamt über dein Leben und deine Fluchtgründe zu sprechen?

Es war sehr schwer. Die Frau hat alles gefragt. Warum bist du hier? Warum nach Deutschland? Warum kein anderes Land? Die Fragen waren sehr privat.

Was ist derzeit dein größtes Problem?

Ich habe in Deutschland ein Baby bekommen und mein Mann hat deutsche Papiere. Mein Baby ist jetzt 16 Monate alt und wir sind im Heim. Das Standesamt will mir keine Geburtsurkunde geben. Sie sagen, sie müssen erst meine Papiere prüfen, da diese ja gefälscht sein könnten. Ich habe alles gegeben. Meine Original Geburtsurkunde und meinen Reisepass und die Frau hat gesagt, die Überprüfung dauert 3 Monate und kostet 500 €. Wie soll ich das bezahlen? Ich bekomme 40 € Taschengeld. Das Geld habe ich mir geliehen. Auch den Dolmetscher mussten wir selber bezahlen 80 €, die Übersetzung meiner Papiere 50 € und bis jetzt habe ich nichts bekommen. Ich warte schon 9 Monate. Mein Kind kann nicht länger hier im Heim aufwachsen.

Jetzt lebst du in einem anderen Asylheim, wie ist das Leben hier?

Ich lebe mit meinem Sohn in einem kleinen Zimmer. Vielleicht 11 m². Mein Sohn kann jetzt laufen und hat keinen Platz. Das ist nicht gut. Wir sind auch Menschen und keine Tiere. Die Heime hier sind so schlimm. Die Zimmer voll mit Kakerlaken.

Denkst du, dass die Unterbringung im Asylheim negative Auswirkungen auf die Entwicklung deines Kindes hat?

Ja. Ein Zimmer mit einem kleinen Kind. Er hat keinen Platz zum Laufen und Spielen. Der Papa wohnt in Hamburg und wir dürfen ihn nur mit Urlaubsschein besuchen. Ein Kind braucht seinen Papa. Wenn ich keinen Urlaubsschein schreibe, muss ich hier bleiben. Immer brauchen sie alle Papier. Für den Urlaubsschein muss er eine Einladung schreiben und seinen Pass kopieren. Jedes mal aufs Neue. Ich bekomme dann vielleicht eine Woche Urlaub. Danach muss ich wieder zurück ins Heim. Das ist so schlimm.

Welche Probleme hast du mit den Gutscheinen?

Wenn ich zum Beispiel für 7 € etwas kaufe und mit einem 10 € Gutschein bezahlen möchte, diskutieren sie mit mir und wollen mir das Geld nicht zurückgeben. Wir wollen mit Geld und nicht mit Gutscheinen bezahlen, wie alle. An der Kasse gucken alle Leute. Was ist das? Was ist das? Man braucht immer viel Zeit, weil man alle Gutscheine unterschreiben muss. Und dann gucken die Leute. Ich darf auch nicht überall mit den Gutscheinen bezahlen. Kaufland und LIDL – woanders nicht.

Von wem bekommst du in Deutschland Hilfe?

Wir müssen alles alleine machen. Niemand hilft uns. Niemand kommt und fragt, ob wir Hilfe brauchen. Wir haben so viele Probleme. Wir verstehen die Briefe nicht. Das Deutsch ist schwer. Den Arzt verstehen wir auch nicht. Den Einkauf kann ich nicht alleine tragen, weil ich ein Baby habe. Ich kann aber auch nicht jeden Tag kleine Einkäufe machen, weil ich jedes mal den Bus bezahlen muss und kein Geld habe.

Wie hast du Deutsch gelernt?

Ich habe im Heim gelernt – Straßendeutsch. Hier darfst du nur bis 27 Jahren zur Schule. Das Sozialamt sagt zu mir, für mich ist Schule verboten.

Fühlst du dich auf Grund deiner dunklen Hautfarbe in Deutschland diskriminiert?

Viel. Viel. Viel. Ich komme aus Ghana und habe eine schwarze Hautfarbe – ich bin auch Ausländer. Auf der Straße gucken mich die Leute immer an. Dann sage ich "Hallo" zu ihnen und sie gucken böse. Ich bin ein normaler Mensch.

Wie sieht dein Tagesablauf aus?

Immer früh aufstehen. Es ist immer laut und ich kann nicht schlafen. Die Leute hier haben viel Stress. Eigentlich bin ich den ganzen Tag in meinem Zimmer. Manchmal gehe ich mit meinem Sohn spazieren. Das Leben hier ist sehr stressig. Hier ist ein kleines Dorf und du kannst nirgendwo hingehen.

Du bekommst für dich und deinen Sohn 62 € Bargeld im Monat, was musst du davon alles bezahlen?

Wenn ich zum Arzt oder zur Behörde gehe, muss ich immer das Busticket bezahlen. Mit den Gutscheinen darf man nur Essen kaufen. Möchte man sich mal etwas Schönes kaufen, hat man kein Geld. Auch meinen Anwalt muss ich bezahlen. Das Geld reicht einfach nicht.

Welches Sondergesetz ist für dich am Schlimmsten?

Es ist alles schwer. Du musst immer im Heim bleiben. Niemand kann den ganzen Tag auf seinem Zimmer bleiben. Man muss mal raus, was anderes sehen. Für uns ist das verboten. Wenn du nach Leipzig gehst und die Polizei kommt, muss man eine Strafe bezahlen. Man wird hier verrückt.

Ist die gesundheitliche Versorgung für dich ausreichend?

Sie ist gut, aber für Asylsuchende ist sie anders. Als ich schwanger war, bin ich mehrmals zum Arzt gegangen und habe gesagt, ich brauche Vitamine. Die Frau hat immer nein gesagt, weil sie meinte, so etwas steht uns als Asylbewerber nicht zu und wird für uns nicht bezahlt. Als ich dann das Baby bekommen habe und bei der Nachuntersuchung war, wurde mir gesagt, alles wäre ok. Aber nichts war ok. Ich hatte viele Plazentareste in meinem Bauch und habe ganz stark geblutet. Das hat der Arzt nicht gesehen. Erst später, als ich zu einer anderen Ärztin gegangen bin, hat sie gesagt, ich muss sofort im Krankenhaus operiert werden.

Wie sieht eure psychische Verfassung aus?

Nicht gut. Hier leben viele verschiedene Leute aus anderen Kulturen. Das Heim macht allen Leuten Stress, auch die Kinder haben hier viel Stress. Sie leben zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern in einem kleinen Zimmer. Wenn es Streit gibt, kann man nicht weg, man ist immer zusammen. So etwas macht viel Stress.

Welche Erfahrungen hast du mit Abschiebungen gemacht?

Die Polizei kommt mitten in der Nacht. 1 Uhr oder 2 Uhr. Sie machen Stress für alle Leute. Wenn sie jemanden abschieben, haben sie den Namen der Person, aber bei einer Abschiebung klopfen sie an allen Türen und machen den Leuten Angst.

Wie siehst du deine Zukunft in Deutschland?

Ich möchte hier arbeiten und meinen Sohn groß werden sehen. Gerne möchte ich als Kassiererin arbeiten. Das macht mir Spaß.

Was ist derzeit dein größter Traum?

Die Geburtsurkunde von meinem Sohn zu bekommen.

Was möchtest du der Welt da draußen gerne mal sagen?

Bitte, ich muss sagen. Deutschland ist ein Sozialstaat und den Leuten hier geht es schlecht, alle brauchen Hilfe.

Information zum Interview: Dieses hier nur in leicht gekürzter Form wiedergegebene Interview wurde im Juni 2012 mit einer Asylsuchenden, die in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Leipzig untergebracht ist, auf Deutsch von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Bon Courage e.V. geführt. Trotz der Angst der Asylsuchenden vor späteren Konsequenzen waren diese bereit, die Gespräche zu führen und stimmten einer anonymisierten Veröffentlichung zu. An der Lebenssituation der Flüchtlinge hat sich seitdem nicht viel geändert. Das Thema ist genauso aktuell wie vor zwei Jahren. Das vollständige Interview mit dieser und vielen weiteren Asylsuchenden finden Sie in der Broschüre "Von außen sieht es nicht so schlimm aus …" des Bornaer Bon Courage e.V.

Hier ist die Broschüre erhältlich: www.boncourage.de/index.php5?go=856